Reporter-Bedrohung nicht hinnehmbar Koran-Aktion löst Unbehagen aus
12.04.2012, 20:37 Uhr
Gegen das Verteilen der Bücher gibt es keine rechtliche Handhabe. Gegen einen Missbrauch der Aktion für extremistische Ziele sehr wohl.
(Foto: picture alliance / dpa)
Die Gratis-Koran-Aktion radikaler Salafisten ist offenbar nicht zu stoppen. Politiker und Sicherheitsbehörden befürchten extremistische Umtriebe. Kritische Journalisten werden offen bedroht. Die Organisatoren wollen ihre Missionierungsarbeit trotz allen Unbehagens darüber am Wochenende fortsetzen. Die Salafisten stehen für einen rückwärtsgewandten Ur-Islam.
Drohvideos radikaler Islamisten gegen Reporter in Deutschland haben Empörung und Protest ausgelöst. Das Bundesinnenministerium verurteilte die Attacken gegen kritische Berichterstattung über die Gratis-Koran-Aktion von Salafisten scharf. In den bisher bekannt gewordenen Fällen seien bereits strafrechtliche Ermittlungsverfahren eingeleitet worden, teilte Staatssekretär Klaus-Dieter Fritsche mit.
"Es ist für uns absolut nicht hinnehmbar, dass in Deutschland Journalisten bedroht werden und damit die Pressefreiheit eingeschränkt wird", sagte Fritsche. Nach Informationen der Zeitung "Die Welt" waren Journalisten der "Frankfurter Rundschau" und des Berliner "Tagesspiegels" in einem vierminütigen Video auf YouTube namentlich genannt und bedroht worden. Sie hatten kritisch über radikal-islamische Salafisten und die umstrittene massenhafte Abgabe kostenloser Koran-Exemplare berichtet.
In dem inzwischen von der Seite genommenen Video war laut "Welt" von "Schweinen" und "Affen" die Rede, die verlogene Berichte über DawaFFM – eine Salafisten-Gruppe im Raum Frankfurt – veröffentlicht hätten. Außerdem seien private Fotos der Autoren und Informationen über sie gezeigt worden.
Aktion könnte missbraucht werden
Politiker verschiedener Parteien befürchten, dass radikale Salafisten die kostenlose Verteilung des Korans für extremistische Zwecke missbrauchen. Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) verlangte, die Finanzierung der Aktion zu klären. SPD-Innenexperte Michael Hartmann forderte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) auf, ein Verbot der radikalen Salafisten zu prüfen.
Kauder sagte in Berlin: "Ich verurteile die Aktion scharf. Der Koran wird hier für extremistische Umtriebe missbraucht." Zurecht distanzierten sich muslimische Verbände in Deutschland von diesem Missbrauch der Religionsfreiheit. "Im Übrigen würde mich dringend interessieren, woher das Geld für diese Aktion stammt", sagte der CDU-Politiker.
Koran-Verteilung geht weiter

Mit der Aktion "Lies!" will Ibrahim Ab Nagie die Deutschen vom Islam überzeugen.
(Foto: Screenshot Youtube)
Die Salafisten wollten am kommenden Wochenende wieder kostenlose Koran-Exemplare in deutschen Fußgängerzonen verteilen, berichtet "Die Welt" unter Berufung auf Sicherheitskreise. Demnach hat die Organisation des Koran-Projekts für Samstag bundesweit 38 sogenannte "Info-Stände" bei den zuständigen Ämtern angemeldet.
Die Organisatoren der Koran-Aktion "Lies!" zeigten sich laut "Welt" unbeeindruckt vom Protest. Der Kölner Prediger und Projekt-Initiator Ibrahim Abou Nagie, aus dessen persönlichem Umfeld nach Recherchen der "Welt" auch die Drohvideos stammen, zeigt sich im Internet kämpferisch. Seine Anhänger rief er nach Informationen der Zeitung auf, durchzuhalten und weiter Korane zu verteilen.
Die Salafisten wollen in Fußgängerzonen von Großstädten Deutschlands, Österreichs und der Schweiz und im Internet insgesamt 25 Millionen Koran-Exemplare kostenlos verteilen. Der Salafismus ist nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes ein Sammelbecken für gewaltbereite Islamisten und hat in Deutschland rund 2500 Anhänger. Salafisten vertreten einen rückwärtsgewandten Ur-Islam und bestehen auf der Vollverschleierung von Frauen.
Druckerei lässt Auftrag prüfen
Die Organisation "Die wahre Religion", die zu den Salafisten zählt, hat bei der Ulmer Druckerei Ebner & Spiegel bereits Hunderttausende Korane drucken lassen. Die Druckerei prüft den Auftrag nun. Dass der Auftraggeber "im kritischen Licht" steht, sei dem Verlag bekannt, sagte ein Druckerei-Sprecher. "Wir hatten das am Anfang prüfen lassen durch den Verfassungsschutz und die Kripo." Der Druck sei als "unbedenklich" eingestuft worden.
Der NRW-Verfassungsschutz beobachtet die Vorgänge.
Quelle: ntv.de, dpa