Politik

Duell der CDU-Favoriten Laschet bringt keinen Spaß, er bringt Erfolg

228434826.jpg

Laschet konnte im Rennen um den CDU-Vorsitz kaum Glanzpunkte setzen.

(Foto: picture alliance/dpa)

Die CDU entscheidet endlich über ihren neuen Vorsitzenden. Konservative Mitglieder hoffen auf Merz, weil er ihre Sehnsüchte spiegelt. Wenn die Partei aber schlau ist, setzt sie auf den Mann, der am ehesten für das ganze Land wählbar ist.

Armin Laschet hat keine Fans, Armin Laschet hat Wähler. 2,8 Millionen Menschen gaben 2017 bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen ihre Zweitstimme der CDU; ein Anteil von 33 Prozent. Die Delegierten des mit 130.000 Mitgliedern größten CDU-Landesverbands wählten ihren Ministerpräsidenten 2018 mit 96 Prozent der abgegebenen Stimmen zum Parteivorsitzenden - zum vierten Mal in Folge.

Als Laschets größter Rivale im Rennen um den Bundesvorsitz gilt ungeachtet von Norbert Röttgens erstaunlicher Aufholjagd Friedrich Merz. Der Unternehmer und Teilzeit-Politiker punktet seit jeher mit Charisma und Ankündigungen. Laschet hält mit konkreten politischen Erfolgen und jahrelanger Regierungserfahrung im einwohnerreichsten Bundesland der Republik dagegen. Dennoch ist Laschet im Rennen um den Bundesvorsitz der CDU ins Hintertreffen geraten, auch wenn er zuletzt wieder aufgeholt hat.

Die Chance der Krise nicht genutzt

Die Gründe? Der 59-Jährige begeistert Umfragen zufolge nicht viele Wähler. Er wirkt auf die einen spröde, auf andere knuffig oder etwas provinziell. In schwachen Momenten laviert Laschet, ist tollpatschig oder aufbrausend. Die öffentlichen Auftritte des Landesvaters von 18 Millionen Deutschen geraten nicht immer glücklich, schon gar nicht in der Corona-Krise. Vor allem nach langen Tagen fällt Laschet hier und da vor laufender Kamera mit kleinen Wissenslücken auf oder zeigt sich leicht reizbar.

Eigentlich hatte er in der Pandemie eine halbwegs klare Linie: "Wenn Infektionszahlen sinken, müssen Grundrechtseingriffe zurückgenommen werden - wenn Infektionszahlen steigen, müssen Schutzvorkehrungen verstärkt werden." Aber es gelang ihm nicht, diesen Kurs so klar zu kommunizieren wie Bayerns Ministerpräsident Markus Söder. Und Außendarstellung wiegt in der Politik nun einmal mindestens genauso viel wie Fakten. Das übertüncht, dass das Flächenland Nordrhein-Westfalen in der Pandemiebekämpfung nicht schlechter dasteht als andere - trotz vieler Großstädte, klammer Kommunen, echter Armutsgebiete und der Grenze zu den Corona-Hochburgen Belgien und Niederlande.

Im Rennen um den CDU-Vorsitz hat Laschet die Chance der Krise nicht zu seinem Vorteil nutzen können. Stattdessen ist ein Zerrbild entstanden vom glücklosen Laschet auf der einen Seite und dem an der CDU-Basis umjubelten Merz auf der anderen. Das täuscht über eine zentrale Wahrheit hinweg: Will die Union im kommenden Herbst so erfolgreich abschneiden wie es die Umfragen derzeit hergeben, kann ihr neuer Vorsitzender nur Laschet heißen. Wer hingegen auf Merz setzt, verkalkuliert sich nicht nur bei der Kanzlerfrage. Er oder sie hat auch nicht verstanden, warum die CDU unter Angela Merkel so erfolgreich war und ist.

Deutschland ist nicht Merz

Verstanden hat es der Unionsfraktionsvorsitzende Ralph Brinkhaus, der jeden Merkelianertums unverdächtig ist. "Als Chef einer Volkspartei muss man anschlussfähig ins konservative, aber auch ins progressive Milieu sein", sagte der Ostwestfale jüngst der "Süddeutschen Zeitung". Wer Kanzlerkandidat werde, müsse „über CDU und CSU hinaus als integrative Kraft angesehen werden“.

Was Brinkhaus meint: Die CDU mag in den Jahren unter Merkel irgendwie "linker" geworden sein als sie es um die Jahrtausendwende war. Damit folgte sie aber nur einer Veränderung, die sich in der Gesellschaft insgesamt vollzog: Deutschland ist nicht mehr das Land aus den Tagen von Merz‘ Bierdeckel- und Leitkultur-Kampagnen. Und weil die CDU, bei aller Sehnsucht nach einem Früher, am Puls der Zeit geblieben sind, erreichen sie wie keine andere Partei die Mitte der Gesellschaft; haben Zuspruch in allen Milieus, Alters- und Bildungsschichten – zwar um den Preis, am rechten Rand etwas verloren zu haben.

Plus: Ein großer Teil des Landes wünscht sich offensichtlich von der Bundesregierung vor allem Stabilität und Ausgleich nach innen wie außen; eine Regierung, die Probleme von den Wählern fernhält, anstatt sie zu belasten. Auch deshalb hatte die Flüchtlingskrise die Union Stimmen gekostet. Unionswähler wollen das Deutschland, wie es ist, und keine großen Brüche. Sie mögen es nicht radikal. Auch nicht marktradikal, wie Merkel mit ihrem Reformprogramm von 2005 erfahren musste, als sie nur überraschend knapp die Wahl gewann.

All das sind schwerwiegende Argumente gegen Merz, aus dessen Rhetorik stets mehr Liebe für die Unternehmen im Land strömt als für seine Menschen. Nicht ohne Grund reiben sich SPD und Grüne schon jetzt die Hände für den Fall, dass der frühere Blackrock-Lobbyist CDU-Vorsitzender und Unionskanzlerkandidat wird. Merz würde wahrscheinlich viele Mitte-Wähler verprellen und, da sind sich Wahlforscher einig, wenig AfD-Wähler für sich gewinnen.

Laschet bringt es zusammen

Laschet dagegen ist diese integrative Kraft. Er kennt Deutschland und seine Menschen aus der politischen Praxis. Nordrhein-Westfalen bildet Deutschland im Kleinen ab, ist Industriestandort und Agrarland, durchlebt Strukturwandel wie sonst nur die neuen Bundesländer und ist Heimat für Millionen Menschen mit Migrationshintergrund.

Anders als der Privatflieger Merz weiß Laschet qua Amt von den Problemen der kleinen Leute. Er bringt in seiner Regierung den in NRW starken Arbeitnehmerflügel der CDU mit der wirtschaftsliberalen FDP zusammen. Er fördert mit Serap Güler, Nordrhein-Westfalens Staatssekretärin für Integration, eine der spannendsten Personalien der CDU. Laschet muss schon seit Jahren die Interessen der Klimapolitik mit denen der Industrie zusammenbringen.

Der europäische Zusammenhalt ist dem Aachener und ehemaligen Europaabgeordneten glaubhaft ein Herzensthema. Viele Wähler können sich zwar nicht wirklich für die EU begeistern, aber sie erwarten, dass sich jemand um ihr Funktionieren kümmert. So wie es Merkel seit Jahren tut: erfahren, uneitel und geduldig bis zur Schmerzgrenze. Das wird schon für Laschet schwierig. Einem Merz ist es nicht zuzutrauen.

Laschet hat Spahn im Gepäck

Laschet ist nicht aufregend, so wie Merkel nicht aufregend ist. Sie war stets unterschätzt worden wie auch Laschet. Merz hingegen trauten und trauen viele das höchste Regierungsamt zu, weil er selbst jeden wissen lässt, dass er es sich zutraut. So sehr, dass er gar nicht erst Politik macht unterhalb von CDU-Vorsitz und Kanzlerkandidatur. So hat er sich praktischerweise die Mühen der Ebene erspart und nie den Nachweis seiner Eignung für politische Führungsämter erbringen müssen.

Um die Mühen der Ebene geht es aber am Samstag: um stundenlange Parteigremien-Sitzungen, um öffentlichkeitsarme Termine in den Kreisverbänden und interne Strukturdebatten, mit denen außerhalb des Konrad-Adenauer-Hauses kurzfristig kein Blumentopf zu gewinnen ist. Das muss man kennen und wollen. Merz hat solche Arbeit in den vergangenen Jahren nicht gewollt. Die Tür dazu stand ihm offen. Annegret Kramp-Karrenbauer hätte ihn wohl sogar persönlich über die Schwelle getragen.

Doch Merz beschränkte sich auf sein Amt im CDU-Wirtschaftsrat und auf Sonntagsreden, in denen er nicht selten erzählte, was hätte besser laufen müssen in den für Deutschland so erfolgreichen Merkel-Jahren. Da muss man ihn schon fragen: Warum will Merz den Parteivorsitz, wo ihm doch andere Parteiämter in den vergangenen 15 Jahren zu schnöde waren? "Dieses Amt ist keine Durchgangsstation für den nächsten Posten", warnte Brinkhaus in der "Süddeutschen". Klar, auch Laschet will Kanzler werden. Aber er muss nicht. Er ist einer der mächtigsten Ministerpräsidenten des Landes und muss sich und anderen sicher nichts mehr beweisen; ihn treibt keine Revanche mit der Vergangenheit an.

Wenn Laschet als CDU-Vorsitzender im Frühjahr noch immer in Umfragen aussichtslos hinten liegt, aber ein Bundesgesundheitsminister Jens Spahn nach erfolgreicher Impfkampagne weiter beliebtester Politiker ist, kann Laschet seinem "Tandempartner" Spahn ohne Gesichtsverlust die Kandidatur zuschieben. Wenn im Frühjahr ein in Umfragen unterlegener CDU-Chef Merz mit dem populären CSU-Chef Markus Söder um die Unionskanzlerkandidatur ringt, könnte schon im April feststehen, dass die CDU nicht den nächsten Kanzler stellt. Die Mehrheit der 1001 CDU-Delegierten wird deshalb in einer Woche entscheiden, dass manchmal die kleinere Lösung die bessere ist.

Quelle: ntv.de

ntv.de Dienste
Software
Social Networks
Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen