Politik

"Eine Ära geht zu Ende" Merkel sagt ihrem Wahlkreis Adieu

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Merkel erhält vom Fischhändler Rasmus eine der Spezialitäten der Hansestadt - den Bismarck-Hering. Dessen "Erfindung" vor 150 Jahren feiert die Stadt am kommenden Wochenende.

(Foto: picture alliance/dpa)

Seit mehr als 30 Jahren sitzt Angela Merkel im Bundestag - bei allen Wahlen seit 1990 hat sie dabei das Direktmandat im Wahlkreis Stralsund geholt. Dem neuen Bundestag wird sie nicht mehr angehören. Nun hat sie sich von ihren Wählern im Nordosten verabschiedet. Und die sich von ihr.

Eine Portion Eis, Ständchen vom Shanty-Chor und ein Fass Bismarck-Heringe - so hat sich Stralsund von seiner Bundestagsabgeordneten Angela Merkel verabschiedet. Umringt von Schaulustigen spazierte die Bundeskanzlerin bei Sonnenschein durch die Innenstadt. Den Besuch hatte die Stadt bis zuletzt nicht öffentlich gemacht. Erst zu Wochenbeginn war Merkel anlässlich des 50-jährigen Jubiläums der Umweltorganisation Greenpeace in der Hansestadt gewesen. Vereinzelt hatten Gegner ihrer Corona-Politik lautstark protestiert.

Harmonisch bis emotional ging es hingegen bei der Abschiedsfeier in der Kulturkirche St. Jacobi zu. Sie habe nie einen Gast gehört, der nicht absolut überrascht gewesen sei von der Schönheit der Stadt, sagte Merkel vor etwa 150 Gästen. Sie habe aber auch gewusst, dass hier alles hart erarbeitet worden sei.

"Leider war ich nie eine ganz normale Bundestagsabgeordnete", sagte Merkel. Ihre zahlreichen Regierungs- und Parteiämter hätten ihre Zeit für den Wahlkreis beschnitten. Dennoch hat Merkel bei allen acht Wahlen seit 1990 das Direktmandat gewonnen.

Zum Abschied ein Fäßchen

Dem gingen aber Startschwierigkeiten voraus, wie Merkel sich erinnerte. Ihre Aufstellung als Bundestagskandidatin sei mindestens so schwer wie die Wahl gewesen. Damals wurden drei Kreise zusammengelegt. Ein bisschen sei sie nur gewählt worden, weil den Vertretern eines Kreises nicht ganz klar gewesen sei, was eine Stichwahl bedeutet. "Die fuhren dann nach dem ersten Wahlgang, den ihr Kandidat gewonnen hatte, alle nach Hause." Mit den Stimmen der anderen Kreise habe sie dann die Stichwahl gewonnen. Der Rest ist Geschichte.

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Gruppenbild mit Dame: Merkel mit dem Shanty-Chor "De Prohner Hafengäng" und ihrem Nachfolger im Wahlkreis, Georg Günther (l.).

(Foto: dpa)

Bei ihrem Spaziergang durch die Stadt, in der sich ihr Wahlkreisbüro befindet, begleitete sie neben Oberbürgermeister Alexander Badrow auch ihr 33 Jahre alter Nachfolger als Direktkandidat, Georg Günther. Vom Fischhändler Henry Rasmus erhält Merkel eine der Spezialitäten der Hansestadt - den Bismarck-Hering. Dessen "Erfindung" vor 150 Jahren feiert die Stadt am kommenden Wochenende. Sie aß Eis, hörte sich die Ständchen eines Shanty-Chors an und bekam von einer historischen Stadtwache lokales Bier eingeschenkt.

"Sie kannte hier keinen"

Merkel bedankte sich bei Weggefährten ihrer ersten Zeit in Stralsund, etwa dem Ehepaar Zimmer. "Sie kannte ja auch keinen hier", erinnerte sich der inzwischen 81-jährige Rolf-Peter Zimmer. Er war damals CDU-Fraktionsvorsitzender der Bürgerschaft. Man habe Merkel anfangs bei einer befreundeten Familie untergebracht. "Da hat sie eben fast ein halbes Jahr gewohnt", erinnerte sich seine Frau Inge, die damals Geschäftsführerin der CDU in Stralsund war. "Wenn wir Sie nicht gehabt hätten, ich glaube Stralsund wäre nicht so schön geworden." Die Bundeskanzlerin erinnerte sich an viele Herausforderungen vor Ort wie den Bau der Rügenbrücke, des Ozeaneums oder den Erhalt der Werft, die derzeit wieder in Schwierigkeiten ist.

"Eine Ära geht zu Ende", sagte Oberbürgermeister Badrow. Stralsund habe Merkel viel zu verdanken. Sie habe immer wieder das Auge der Welt auf Stralsund gelenkt, etwa beim Besuch des US-Präsidenten George W. Bush oder des französischen Präsidenten François Hollande.

Merkel hatte vor längerer Zeit angekündigt, nicht mehr für den Bundestag zu kandidieren. Den Wahlkreis hat der 33 Jahre alte Georg Günther als CDU-Direktkandidat übernommen. Der gab sich trotz schwacher Umfragewerte für seine Partei optimistisch. Die Stimmung etwa im Haustür-Wahlkampf sei besser, als es die Umfragen glauben ließen.

Quelle: ntv.de, jwu/dpa

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