Politik

Terroristen und die Todesliste Obama zeigt sich gnadenlos

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Drohnen wie diese vom Typ RQ-1 Predator werden auch in Pakistan und Afghanistan eingesetzt.

(Foto: picture alliance / dpa)

Barack Obama ist als US-Präsident Herr über Leben und Tod. Nirgends zeigt sich dies deutlicher als bei der Todesliste der USA. Auf dieser stehen die Top-Terroristen, die zur Ergreifung oder Tötung ausgesetzt sind. "Er ist ein Präsident, dem es nicht zu viel ausmacht, Gewalt im Namen der USA einzusetzen", meinen Mitstreiter.

Einmal in der Woche findet in Washington ein denkwürdiges Ritual statt. In einer Videokonferenz beraten sich rund 100 ranghohe Sicherheitsbeamte der Regierung. Sie brüten über Lebensläufen, Deck- und Klarnamen, flankiert von Power-Point-Folien. Das Ziel dieser vom Pentagon organisierten Zusammenkunft ist klar: Zu bestimmen, wer als nächster sterben muss.

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Obama am Montag an der Vietnam Veterans Memorial Wall.

(Foto: AP)

Die letzte Entscheidung darüber liegt dann bei Barack Obama, Friedensnobelpreisträger und einstige Hoffnung der liberalen Bürgerbewegung in den USA. Der US-Präsident bestimmt endgültig, wer auf die Todesliste kommt. Senkt er den Daumen, wird sich früher oder später eine Drohne auf den Weg machen, in den Jemen, nach Somalia oder Pakistan. Wenn alles nach Plan verläuft, trifft sie die , wenn nicht, sterben auch Zivilisten. Da allerdings männliche Zivilisten im Umfeld eines solchen Angriffs für die US-Regierung auch als Terrorhelfer gelten, sprechen die Nachrichten nach solchen Einsätzen meist eine klare Sprache: Al-Kaida-Terroristen getötet, keine zivilen Opfer. Andere Schlagzeilen kann die US-Regierung nicht gebrauchen.

Die "New York Times" sprach mit mehr als drei Dutzend gegenwärtigen und ehemaligen Beratern von US-Präsident Obama, und sie alle zeichnen das Bild eines Mannes, der ohne mit der Wimper zu zucken die tödlichen Kommando-Aktionen billigt. Mehr und mehr sind sie Teil seiner Anti-Terrorismus-Strategie, wie die Zeitung beschreibt. Allein seit April gab es 6 solcher Angriffe in Pakistan und 14 im Jemen, der jüngste erst an diesem Wochenende.

"Er ist ein Präsident, dem es nicht zu viel ausmacht, Gewalt im Namen der USA einzusetzen", meint Thomas E. Donilon, der nationale Sicherheitsberater, über das, was ihn am meisten an Obama erstaunt. Diese Verwunderung teilt er mit vielen, sowohl Republikanern, die lange Obama vorhielten, bei Sicherheitsfragen viel zu weich zu sein, als auch bei Vorkämpfern der American Civil Liberties Union, einem Zusammenschluss amerikanischer Bürgerrechtler.

Strategie schon lange dargelegt

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Die US-Führungsriege beobachtet im Situation Room den Schlag gegen Bin Laden.

(Foto: AP)

Dabei hatte Obama schon als Präsidentschaftsanwärter im Jahr 2007 mit offenen Karten gespielt. Damals kündigte er an, die US-Truppen aus dem Irak abzuziehen und den Schwerpunkt auf die Bekämpfung der islamistischen Terrororganisation Al-Kaida zu legen. Dafür würde er auch deren Basen in Pakistan angreifen, selbst wenn die Pakistaner dies nicht billigten. Allerspätestens die von Terrorführer Osama bin Laden am 2. Mai 2011 im führte aller Welt vor Augen, dass Obama es ernst meint und rigoros gegen jede potenzielle Bedrohung der USA vorgeht.

Wie konkret die Terrorgefahr ist, wurde Obama Ende 2009 immer klarer. Am 5. November schoss auf der Militärbasis in Fort Hood der Militärpsychologe Nidal Malik Hasan mit dem Ruf "Allahu Akbar" um sich, 13 Menschen starben. An Weihnachten 2009 kam es dann zur Beinahe-Katastrophe. Damals bestieg der gerade 23-jährige Nigerier Umar Farouk Abdulmutallab einen Airbus, in seiner Unterhose eine Bombe. Nur durch Glück schlug die Zündung fehl.

Obama aber schäumte. "Wir könnten alle hier sitzen, mit einem weggebombten Flugzeug und hunderten Toten", wütete er nach Angaben von Teilnehmern bei einer Krisensitzung. Anschließend ging er zu jedem einzelnen der Sicherheitsexperten und fragte, was falsch lief und was getan werden müsse. "Danach schien es, als fühlte er als Präsident mit jeder Faser die Bedrohung für die USA", so Michael E. Leiter, damals Direktor des Nationalen Antiterrorismus-Zentrums.

Seitdem zeigt sich Obama nicht allzu zögerlich, wenn es um die Bekämpfung mutmaßlicher Terroristen und die Sicherheit der USA geht. Gewiss versucht er, möglichst zivile Opfer zu vermeiden. Aber im Zweifelsfall nimmt er diese in Kauf, wie der Fall des islamistischen Stammesführers Baitullah Mehsud zeigte. Obwohl klar war, dass sich dessen Familie in der Nähe aufhielt, gab Obama 2009 den Befehl zum Töten. Eine Drohne traf Mhesud daraufhin im pakistanischen Waziristan, er starb zusammen mit seiner Frau, seinem Schwager und sieben Leibwächtern.

Gefangene werden bei solchen Kommando-Aktionen gewöhnlich nicht gemacht. Wüsste die US-Regierung doch auch gar nicht so genau, wohin mit ihnen. Schließlich hat die Sicherheit der US-Einsatzkräfte Vorrang, und da sind Drohnen noch immer das bewährteste Mittel. Inzwischen gibt es in Pakistan Drohnen-Angriffe, selbst wenn sich CIA-Spezialisten im Vorfeld nicht allzu sicher sind über die Präsenz von Terroristen. Und das Verteidigungsministerium kann auf Verdächtige im Jemen zielen, auch wenn sie deren Namen nicht kennen.

US-Bürger auf Todesliste

Wie hart mittlerweile Obama gegen Terroristen kämpft, zeigt sich besonders deutlich im Falle des US-Bürgers Anwar al-Awlaki. Der in den USA geborene Hassprediger galt als "Bin Laden des Internets", der unter anderem den Amokläufer von Fort Hood inspirierte und den instruierte. Als erster US-Bürger seit 2001 wurde er 2010 auf die CIA-Liste der Extremisten gesetzt, die zur gezielten Tötung freigegeben sind. Ein "beispielloser Vorgang", schrieb damals die "Los Angeles Times". Inzwischen ist Awlaki tot, getroffen von einer US-Drohne im nördlichen Jemen. "Dies ist ein einfacher Fall", soll Obama damals gesagt haben, als er den Daumen über Awlaki senkte.

Nicht immer sind die Fälle so einfach, weder für Obama noch für seine einstigen Mitstreiter. Immerhin geht es hier um die gezielte Tötung von Menschen. Einen rechtsstaatlichen Prozess und ein Urteil gibt es nicht. Der weltweite Terror und dessen Bekämpfung ist und bleibt ein schmutziges Geschäft.

Inzwischen wächst auch in Washington die Besorgnis. "Wir müssen aufpassen und eine Politik vermeiden, die kein Pardon und keine Gefangenen kennt", warnt Jeh Johnson, der Chefjurist des Pentagon. "Das Militärische sollte und kann nicht die einzige Antwort sein." Ähnlich klingt Außenministerin Hillary Clinton, die grundsätzlich die Politik der gezielten Tötungen befürwortet. Kollegen gegenüber beschwerte sie sich über die "Drohnen-Herangehensweise" bei den Treffen im Situation Room. Die Diskussion würden sich nur auf das Pro, Contra und den Zeitpunkt bestimmter Angriffe beschränken. Bei einem Mittagessen mit Obama forderte sie, eine breitere Strategie gegen den Terror und mehr die Ursachen der Radikalisierung zu bekämpfen.

Die Fokussierung auf Drohnen birgt auch eine weitere Gefahr. Faisal Shahzad, der am 1. Mai 2010 einen Anschlag auf den Times Square geplant hatte, rechtfertigte sich vor Gericht mit den Worten: "Wenn die Drohnen treffen, erkennen sie keine Kinder." Galt bis vor kurzem das Gefangenenlager als beständiges Rekrutierungsmittel für neue Terroristen, so scheint diese Aufgabe nun den Luftschlägen zuzufallen.

Quelle: ntv.de

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