Politik

Aggressiveres Klima Pau über AfD: "Schwierig, allein durch den Bundestag zu gehen"

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Vize-Bundestagspräsidentin Pau wird nach eigener Aussage regelmäßig verbal attackiert.

Vize-Bundestagspräsidentin Pau wird nach eigener Aussage regelmäßig verbal attackiert.

(Foto: picture alliance / Jörg Carstensen)

Nach 26 Jahren verlässt Petra Pau den Bundestag. Der Einzug der AfD habe die Stimmung so sehr verändert, dass sich die Linken-Politikerin kaum noch allein durch das Parlamentsgebäude bewegt. In einem Interview berichtet sie außerdem von einem folgenschweren Unfall im Paternoster.

Die AfD hat nach Ansicht der scheidenden Vize-Bundestagspräsidentin Petra Pau das Klima im Bundestag "absolut" verändert. "Es war nicht so, dass da vorher nie jemand über die Stränge schlug", sagte die Linke-Politikerin im Gespräch mit dem "stern". "Aber die AfD hat nicht nur die Grenzen des Sagbaren verschoben. Es ist auch schwierig für mich geworden, allein durch den Bundestag zu gehen."

Aus den Reihen der AfD und vor allem durch ihre Besuchergruppen gebe es immer wieder Aggressionen gegen sie. "Ich gehe daher in der Regel nur noch in Begleitung durch den Bundestag, um mich zu schützen. Kolleginnen anderer Fraktionen wurden von Mitarbeitern der AfD auch schon körperlich bedrängt", berichtete Pau.

Als "Schlüsselerlebnis" bezeichnete sie einen Vorgang im Januar 2018. Damals hatte die AfD den ersten Hammelsprung der Legislatur beantragt. "Weil ich die Sitzung leitete, warfen mir Gauland und der AfD-Geschäftsführer Bernd Baumann vor, ich würde die Abstimmung verzögern. Sie hatten schlicht keine Ahnung, dass sie für den Hammelsprung den Saal zu verlassen hatten. Das musste ihnen erst ein Jurist erklären. Hinterher posteten sie ein Video zum Hammelsprung, in dem sie massiv Stimmung gegen das Parlament und insbesondere gegen mich machten", erzählte Pau.

Regelmäßige Verbalattacken

"Eine Woche später war ich mit meinen hochbetagten Eltern auf der Straße unterwegs, als ein Passant auf mich zuschoss und uns anbrüllte. Wegen des Videos." Seither werde sie regelmäßig verbal attackiert. Das Bundestagspräsidium habe als Konsequenz ein Regelwerk entwickelt, wie man mit der AfD umgeht: "Damit diese nicht so tun kann, als gehe es um einzelne Personen. Es ist immer ein Angriff auf die Institution Bundestag."

Trotz ihrer Erfahrungen ist Pau gegen ein AfD-Verbot. "Die AfD ist mit demokratischen Mitteln in den Bundestag gekommen, aber es sind deshalb keine Demokraten. Sie bekämpfen die Demokratie und ihre Institutionen mit aller Kraft. Aber das bekomme ich mit einem Verbot nicht in die Köpfe der Menschen, die sie wählen. Wir müssen uns auf eine lange Auseinandersetzung einrichten, um diesen Menschen die Augen zu öffnen." Die Linke-Politikerin verlässt mit dem Ende der Legislatur nach über 26 Jahren den Bundestag und die Spitzenpolitik.

Unfall im Paternoster

Pau sprach zudem über einen schweren Unfall, nachdem sie eine Zeit lang für die Leitung von Bundestagsdebatten auf den Rollstuhl angewiesen war. Das Unglück sei während einer Gruppenklausur der Linken im Februar 2024 in einem Gebäude mit Paternoster in Berlin passiert. "Ich kam gerade mit Gesine Lötzsch von einem Gruppenfoto, wir unterhielten uns und bestiegen den Paternoster. Eine Sekunde Unaufmerksamkeit reichte: Während Frau Lötzsch ganz drin war, war ich nur mit einem Teil meines linken Fußes drin. Der Paternoster fuhr aber weiter. Ich stürzte ab und brach mir das Sprunggelenk. Das war auch der Grund, warum ich die Sitzungen des Bundestags eine Zeit lang im Rollstuhl leiten musste."

Da sie freiwillig gesetzlich versichert sei, "konnte ich persönlich erleben, was Privat- von Kassenpatienten unterscheidet", so Pau. "Als gesetzlich Versicherte habe ich viele Stunden in Warteschleifen und Wartezimmern von Ärzten verbracht." Bis heute sei das Gelenk nicht völlig in Ordnung. Auch wegen ihrer Stimmerkrankung ist Pau noch in Behandlung: "Aber ich habe Strategien entwickelt, wenn es besonders laut ist oder ich sehr unter Druck stehe. Ich wende dann eine bestimmte Atemtechnik an und rede, wenn es geht, im Stehen." Sie habe "keine Angst mehr, dass die Stimme völlig wegbleibt".

Pau war während einer Ausschusssitzung im Mai 2010 die Stimme weggeblieben. Es wurde bei ihr eine spasmodische Dysphonie (Sprechkrampf) diagnostiziert. Nach einer Stimmtherapie konnte sie Sitzungen wieder mit einem Headset mit Mikrofon leiten. Die Linke-Politikerin scheidet mit dem Ende der Legislatur nach über 26 Jahren aus dem Bundestag aus.

Quelle: ntv.de, mdi

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