Raketen auf ukrainische Städte Rechercheteam enttarnt Moskaus "Fernbedienungsmörder"
28.10.2022, 12:32 Uhr (aktualisiert)
Russland greift in der Ukraine immer wieder zivile Ziele an.
(Foto: picture alliance/dpa/AP)
Immer wieder treffen russische Marschflugkörper nichtmilitärische Einrichtungen in der Ukraine. Ein Team aus Journalisten will wissen, wer für die Angriffe verantwortlich ist. Bei ihren Nachforschungen kommen sie einer bislang geheimen Einheit des russischen Militärs auf die Spur.
Seit Beginn des Krieges treffen russische Raketen immer wieder zivile Ziele in der Ukraine. Das Recherchenetzwerk Bellingcat hat nun zusammen mit dem "Spiegel" und dem russischen Exil-Medium "The Insider" in sechsmonatiger Arbeit eine bislang geheime Gruppe von Militärs enttarnt, die für die Angriffe verantwortlich sein soll. Bellingcat nennt die Einheit "Fernbedienungsmörder".
Demzufolge haben die meisten Männer und Frauen der vergleichsweise kleinen Einheit einen IT-Hintergrund. Einige von ihnen sollen von 2016 bis 2021 in Syrien stationiert gewesen sein und von dort Moskaus Raketenangriffe gesteuert haben. Laut Bellingcat ist die Einheit dem "Hauptrechenzentrum des Generalstabs" (GWC) unterstellt. Standorte seien das Verteidigungsministerium in Moskau und das Hauptquartier der Admiralität in St. Petersburg.
Den Recherchen zufolge ist die Einheit für die Programmierung der Raketen verantwortlich und dafür in drei Untergruppen gegliedert. Jede der Untergruppen sei für eine der drei Raketenklassen verantwortlich, die Russland in der Ukraine einsetzt. Dabei handele es sich zum einen um Marschflugkörper vom Typ Kalibr, die von Schiffen abgeschossen werden, zum anderen um landgestützte Iskander-Raketen sowie um die von Flugzeugen abgefeuerten Kh-101.
An der Spitze der Einheit soll Oberstleutnant Igor Bagnjuk stehen. Der Syrien-Veteran erhalte Befehle zu den geplanten Angriffszielen von der russischen Militärführung und gebe diese dann an seine Untergebenen weiter. Die IT-Experten würden sich dann um die Programmierung der Raketen und Eingabe der Zielkoordinaten kümmern.
In der Woche vor der bislang schwersten Angriffswelle des Krieges am 10. Oktober, stellten die Journalisten vermehrte Aktivitäten auf Bagnjuks Handy fest. So habe er noch am Vorabend elf Mal seine Ingenieure angerufen, während er in der Zeit davor teilweise wochenlang fast keine Kommunikation herrschte - und auch keine intensiven Raketenangriffe.
Bellingcat kontaktierte mehrere Personen aus der Gruppe. Auf die Frage, wie er nach seiner Arbeit nachts schlafen könne, entgegnete einer: "Seien Sie professionell. Stellen Sie mir konkrete Fragen." Die Frage, warum sie so viele Zivilisten töten, wollte er dann aber nicht beantworten.
(Dieser Artikel wurde am Dienstag, 25. Oktober 2022 erstmals veröffentlicht.)
Quelle: ntv.de, jpe