Streit um Behandlung Russische Ärzte erlauben Verlegung von Nawalny
21.08.2020, 17:57 Uhr
Der russische Oppositionelle Alexej Nawalny darf nach einer möglichen Vergiftung nun doch zur Behandlung ins Ausland geflogen werden. Die zuständigen Ärzte im sibirischen Omsk halten den 44-Jährigen inzwischen scheinbar für transportfähig.
Der schwer kranke russische Oppositionspolitiker Alexej Nawalny darf ins Ausland ausgeflogen werden. Dies teilte ein Arzt am behandelnden Krankenhaus mit. Sein Team lehne "einen Transport in ein anderes Krankenhaus, das die Angehörigen uns nennen" nicht mehr ab, sagte der stellvertretende Chefarzt des behandelnden Krankenhauses im russischen Omsk, Anatoli Kalinitschenko. Der Zustand des Patienten sei "stabil".
Zuvor hatten die Ärzte noch erklärt, der 44-Jährige sei nicht transportfähig. Auf dem Flughafen von Omsk war am Morgen ein Flugzeug der Berliner Initiative Cinema for Peace gelandet, um Nawalny nach Berlin zu holen. Nawalnys Sprecherin Kira Jarmysch bestätigte die Transport-Erlaubnis. Als wahrscheinlich gilt, dass der 44-Jährige nun bald mit einem Spezialflugzeug nach Berlin in die Charité gebracht wird. Wann genau, ist noch unklar. Jarmysch sagte: "Es ist schade, dass die Ärzte so lange gebraucht haben, um diese Entscheidung zu treffen." Sein Team und seine Familie gehen davon aus, dass er vergiftet wurde. Nawalny wird seit Donnerstag in dem Krankenhaus in Omsk behandelt - rund 4000 Kilometer von Berlin entfernt. Er liegt im Koma und wird künstlich beatmet.
Unterstützer des Aktivisten hatten vor der nun verkündeten Ärzteerlaubnis an Präsident Wladimir Putin appelliert, eine Behandlung des Oppositionspolitikers in Berlin zu erlauben. Deutsche und russische Ärzte stritten um die Transportfähigkeit Nawalnys. Das russische Ärzteteam erklärte, es sei kein Gift im Körper des Patienten gefunden worden. "Bisher wurde kein Gift im Blut und Urin gefunden", sagte der stellvertretende Chefarzt des Omsker Krankenhauses, Anatoli Kalinitschenko, vor Journalisten. "Wir glauben nicht, dass der Patient vergiftet wurde." Den russischen Ärzten zufolge ist "eine Stoffwechselstörung" wahrscheinlicher. Diese könnte möglicherweise durch einen "starken Abfall des Blutzuckerspiegels" verursacht worden sein.
Jarmysch kritisierte die erste Einschätzung der russischen Mediziner auf Twitter: "Das Transportverbot für Alexej ist eine direkte Bedrohung für sein Leben." Es solle so nur Zeit gewonnen werden, damit "das Gift in seinem Körper nicht mehr nachgewiesen werden kann". Kreml-Sprecher Dmitri Peskow wies die Vorwürfe zurück. Der Beschluss, Nawalny nicht verlegen zu lassen, sei "eine rein medizinische Entscheidung", erklärte er in Moskau.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte am Donnerstag eine Behandlung des 44-Jährigen in einem deutschen Krankenhaus angeboten. Die Berliner Initiative Cinema for Peace schickte daraufhin ein Flugzeug nach Omsk, um Nawalny nach Berlin zu holen.
Quelle: ntv.de, jki/dpa/rts