Politik

Scholz' Wahlkampagne präsentiert SPD klammert sich an Schwäche der anderen

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Klingbeil zeigt eines der neuen Scholz-Plakate.

(Foto: picture alliance/dpa)

53 Tage vor der Wahl stellt die SPD eine in ihrer Ästhetik überraschend mutige Kampagne vor. Diese ist von der Hoffnung getragen, dass immer mehr Wählerinnen sich eher noch Scholz als Baerbock oder Laschet im Kanzleramt vorstellen können - unabhängig vom Parteibuch des Vizekanzlers.

Die SPD färbt das Land tiefrot - oder zumindest die Straßen des Landes. Die am Mittwoch vorgestellten Plakate für die verbliebenen sieben Wochen Wahlkampf tragen allesamt die Kennfarbe der Sozialdemokratie großflächig im Hintergrund. "Selbstbewusst, selbstsicher" sei das, erklärt der Wahlkampfmanager und Generalsekretär der SPD, Lars Klingbeil, während der Kampagnenpräsentation das Design. Zudem stechen die Plakate deutlich aus dem Schilderwald hervor. Das stimmt, auch weil die mittig angeordneten Fotos von Kanzlerkandidat Olaf Scholz oder den jeweiligen Wahlkreiskandidaten als scharf kontrastierende Schwarz-Weiß-Porträts mit der Ästhetik der andere Parteien brechen. "Wir haben ein mutiges Design", sagt Klingbeil über die Kampagne, die die Agentur Brinkert Lück verantwortet.

Kritiker und politische Gegner mögen hier auch den Mut der Verzweiflung am Werk sehen. Schließlich hat sich die SPD schon vor einem Jahr den Finanzminister und Vizekanzler Scholz als Zugpferd vor den Karren gespannt, ohne dass sich selbiger Karren seither aus Umfragetiefs bewegt hätte. Die von Scholz als Zielmarke ausgegebenen "deutlich über 20 Prozent" der Stimmen zur Bundestagswahl wollen einfach nicht in Reichweite rücken. Die Sozialdemokraten profitieren auch kaum von den Fehlern der anderen; weder von den peinlichen Patzern der Grünen Annalena Baerbock noch von Armin Laschets schwacher Figur während der Flutkatastrophe noch von der anhaltenden Verzwergung der Linkspartei.

Alles auf Scholz

Immerhin: Zumindest der Kandidat Scholz erfreut sich im Vergleich zu seinen Konkurrenten wachsender Beliebtheit. Und darauf setzt auch Klingbeil: "Während zwei sich zerlegen, sticht der Dritte hervor", sagt der 43-Jährige und sieht das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht: "So langsam nimmt die Frage zu: 'Wer soll eigentlich auf Angela Merkel nach 16 Jahren im Kanzleramt folgen?'" Der SPD würde es vor diesem Hintergrund schon reichen, wenn mehr und mehr Wähler zu dem Schluss kämen, dass die Grünen Co-Chefin Baerbock und der CDU-Vorsitzende Laschet noch weniger geeignet sind, als der zwar spröde wirkende, aber eben auch grundsolide Finanzminister Scholz.

Weder den Bundesministern noch den Landeschefs der SPD oder gar den unpopulären Parteivorsitzenden fällt in der Kampagne eine prominente Rolle zu. "Was die Wesselmänner angeht, da setzen wir komplett auf Olaf Scholz", kündigt Klingbeil an. Dass das tatsächlich Scholz ist, der von den zweieinhalb Meter hohen, ebenfalls tiefroten Aufstellern an den Straßenrändern prangt, wird manch einen Betrachter überraschen: Der SPD-Kanzlerkandidat ist nicht nur auffallend schmal geworden, seit er das Joggen für sich entdeckt hat. Er schaut auch ungewohnt entschlossen in die Kamera. Der begleitende Slogan lautet "Scholz packt das an".

Dazu streckt Scholz dem Betrachter einen überdimensionalen Briefwahlzettel entgegen. Unfreiwillig verweist die Geste auf ein Dilemma der sich im Aufholmodus wähnenden SPD: "In 53 Tagen haben wir eine ganz andere Situation, als das jetzt der Fall ist", begründet Klingbeil seine ungebrochene Hoffnung aufs Kanzleramt. Doch so viel Zeit hat die gar Partei nicht mehr. Die Briefwahl beginnt in den kommenden Tagen, und so viele Wähler wie nie werden von dieser Möglichkeit Gebrauch machen. "Ich habe immer gesagt, die Wahl fängt erst spät an", sagt Klingbeil. Doch im für die Partei dramatischsten Fall kommt der lang ersehnte Aufwärtstrend für die SPD zu spät.

Letzte Zündstufe: Angriffsmodus

Wohl auch deshalb beschränkt sich die SPD nicht länger allein darauf, ihren in Regierungsämtern so erfahrenen Spitzenkandidaten ins Schaufenster zu stellen und immer wieder dessen "Kompetenz" hervorzuheben: "Wir werden sehr deutlich machen, wie die Bilanz von Ministern von Jens Spahn und Andi Scheuer ist", sagt Klingbeil über die letzte Zündstufe der Kampagne: den Angriffsmodus inklusive Negative campaigning, also dem Schmähen des Gegners.

So führt Klingbeil in dem Westberliner Kino-Saal, der zur Kampagnenpräsentation angemietet wurde, einen Wahlkampf-Clip, der allein der Union und ihrem Kanzlerkandidaten gewidmet ist: Deren Programm sei inhaltsleer, ihr Bundestagskandidat Hans-Georg Maaßen rücke die Partei an den rechten Rand, Friedrich Merz stehe für eine Politik, die Reiche reicher und Arme ärmer mache, und für Laschets Staatskanzleichef in NRW, Nathanael Liminski, sei "Sex vor der Ehe ein Tabu". Auch Bundesgesundheitsminister Spahn wird in dieser Aufzählung gezeigt, ohne ihn aber mit einem konkreten Vorwurf in Verbindung zu bringen.

Den Gästen der Kampagnenpräsentation wird der Clip als kleines Feuerwerk zum Ende gezeigt, dann geht das Video in die sozialen Medien. Die heiße Wahlkampfphase läuft.

Quelle: ntv.de

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