Die Kriegsnacht im Überblick Selenskyj nennt Russland "Terrorstaat" - Raketeneinschläge in Charkiw
29.06.2022, 07:25 Uhr
Bilder einer Überwachungskamera zeigen den Moment des Einschlags einer russischen Rakete in das Einkaufszentrum in Krementschuk.
(Foto: via REUTERS)
Bei einer Sitzung des UN-Sicherheitsrats wird überraschend Selenskyj zugeschaltet. Russland wirft er vor, gezielt Städte zu bombardieren. Russlands Botschafter reagiert verärgert - und dementiert. Indes meldet Charkiw erneut Einschläge russischer Raketen.
Feuer nach Raketeneinschlägen in Charkiw
In der Nacht gingen die Kämpfe weiter. Die Nachrichtenagentur Ukrinform meldete zwei Raketeneinschläge in der Stadt Charkiw im Nordosten der Ukraine. Im Süden der Stadt sei ein Feuer ausgebrochen. Angaben über Verletzte und Schäden liegen noch nicht vor.
Selenskyj: Russland greift gezielt Zivilisten an
Bei einem überraschenden Auftritt vor dem UN-Sicherheitsrat hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj gefordert, Russland als "Terrorstaat" zu bestrafen. Russland müsse aus dem Sicherheitsrat ausgeschlossen werden, sagte Selenskyj, der bei einer kurzfristig anberaumten Sitzung in New York per Video zugeschaltet war. Nach dem Beschuss eines Einkaufszentrums in der Großstadt Krementschuk warf er Russland vor, gezielt ukrainische Zivilisten anzugreifen. Seinen Worten nach hat Russland seit Kriegsbeginn 2811 Raketen auf ukrainische Städte abgefeuert. "Es ist zwingend erforderlich, ein Tribunal einzurichten, um alles zu untersuchen, was das russische Militär getan hat", so Selenskyj.
Russland kritisiert UN für Überraschungsauftritt
Russland reagierte verärgert auf den Auftritt Selenskyjs im UN-Sicherheitsrat. Dieser sei im letzten Moment auf die Tagesordnung gesetzt und nicht mit allen Mitgliedern abgestimmt worden, klagte der stellvertretende russische UN-Botschafter Dmitri Poljanski. Der russische Top-Diplomat sprach von einem Verstoß gegen die übliche Praxis der Arbeit im UN-Sicherheitsrat.
Den Vorwurf eines Angriffs auf zivile Objekte stritt Poljanski ab. Zuvor hatte die russische Militärführung zwar den Beschuss von Krementschuk eingeräumt, zugleich aber dementiert, dabei das Einkaufszentrum getroffen zu haben. Vielmehr hätten die "Hochpräzisionsraketen" Hallen mit Munition und Waffen aus den USA und Europa getroffen. Erst deren Explosion habe das Feuer in dem "nicht mehr betriebenen Einkaufszentrum" ausgelöst, behauptete Armeesprecher Igor Konaschenkow.
Suche nach Vermissten in zerstörtem Einkaufszentrum
Indes suchen Rettungsteams weiter nach Vermissten in den Trümmern des Einkaufszentrums in Krementschuk. Den Behörden zufolge wurden am Dienstag noch mehr als 35 Menschen vermisst. Bislang wurden mindestens 18 Tote und 25 Verletzte gemeldet. Angehörige versammelten sich in der Nähe des Einkaufszentrums, in dem sich zum Zeitpunkt des Angriffs am Montag mehr als 1000 Menschen befunden haben sollen. Augenzeugen schilderten drastische Szenen. "Ich flog nach oben, mit dem Kopf zuerst, Splitter trafen meinen Körper. Der ganze Ort stürzte ein", sagte die 43-jährige Ludmyla Mychailets, die nach eigenen Angaben mit ihrem Mann in dem Einkaufszentrum war, als die Rakete einschlug. "Es war die Hölle", sagte ihr Mann Mykola. Beide wurden in der Klinik von Krementschuk behandelt.
15.000 deutsche Soldaten für NATO-Eingreiftruppe
Die NATO will vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs die Zahl ihrer schnellen Eingreifkräfte von rund 40.000 auf mehr als 300.000 erhöhen. Deutschland beteiligt sich mit 15.000 Soldaten. Zudem werde die Bundesrepublik etwa 35 Flugzeuge und 20 Schiffe beitragen, sagte Verteidigungsministerin Christine Lambrecht in Madrid beim Gipfel der Allianz.
Die drastische Aufstockung der schnellen Einsatztruppe wird die Bundeswehr nach Einschätzung der Wehrbeauftragten des Bundestages, Eva Högl, schwer belasten. "Absehbar ist, dass die Anforderungen an Deutschland steigen werden. Für die Bundeswehr bedeutet das eine enorme Herausforderung und erfordert große Anstrengungen hinsichtlich Personal, Material, Ausrüstung und Infrastruktur", sagte Högl der "Augsburger Allgemeinen".
Johnson: Putin ist Beispiel für "toxische Männlichkeit"
Der britische Premier Boris Johnson hält das Verhalten des russischen Präsidenten Wladimir Putin für ein gutes Beispiel toxischer Männlichkeit, also einem auf Gefühllosigkeit, Härte und auch Aggressivität basierendem Rollenbild. "Wenn Putin eine Frau wäre, glaube ich einfach nicht, dass er so einen machohaften Krieg vom Zaun gebrochen hätte", sagte Johnson in einem ZDF-Interview laut Übersetzung des Senders. "Wenn sie ein sehr gutes Beispiel haben wollen von toxischer Männlichkeit, dann haben wir das in seiner Person vor uns."
Das bringt der Tag
- In Madrid beginnt offiziell der NATO-Gipfel, der ganz im Zeichen des russischen Kriegs gegen die Ukraine steht. Bei dem zweitägigen Gipfel will die Militärallianz unter anderem die Stärkung ihrer Ostflanke und ein neues strategisches Konzept beschließen.
- Putin reist derweil im Rahmen seiner ersten Auslandsreise nach Kriegsbeginn nach Turkmenistan in Zentralasien. Dort treffen sich die Staatschefs der Anrainerstaaten des Kaspischen Meeres zu einem Regionalgipfel - neben Russland sind dies der Iran sowie die ehemaligen Sowjetrepubliken Kasachstan, Turkmenistan, Aserbaidschan.
Alle weiteren Entwicklungen können Sie in unserem Liveticker zum Ukraine-Krieg nachlesen.
Quelle: ntv.de, jug/dpa/rts