Politik

Klimatalk bei Maischberger Spahn: "Den Volkssturm in den Griff bekommen"

_M5A4348.JPG

Jens Spahn (m.) vergaloppierte sich verbal.

(Foto: ARD)

Artikel anhören
00:00
Diese Audioversion wurde künstlich generiert. Mehr Infos | Feedback senden

In der kommenden Woche beschäftigt sich der Bundestag zum ersten Mal mit dem Heizungsgesetz der Bundesregierung. Heftiger Streit ist programmiert. Einen Vorgeschmack auf die Debatte können die Zuschauer in der ARD-Talkshow "Maischberger" schon einmal live erleben.

Bei den Bürgerschaftswahlen in Bremen sind die Grünen abgestraft worden. Sie haben etwa fünf Prozent der Wählerstimmen verloren. Einer der Gründe dürfte das Heizungsgesetz sein, über das der Bundestag in der nächsten Woche zum ersten Mal debattieren wird. Das ist auch eines der Themen, über das sich der hessische Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir von den Grünen und der Unions-Fraktionsvize und Wirtschaftsexperte der CDU, Jens Spahn, am Dienstagabend in der ARD-Talkshow "Maischberger" streiten.

"Die Debatten im Bund bedeuten für uns keinen Rückenwind", weiß Al-Wazir, in dessen Bundesland im Oktober Landtagswahlen sind. Allerdings glaubt er, dass zu dem Wählerverlust bei den Grünen in Bremen auch landespolitische Themen ihren Teil beigetragen haben. Da ist sich Spahn nicht so sicher. Seiner Ansicht nach sind die Wähler in Deutschland sauer über die Art, wie die Bundesregierung in Sachen Heizungsgesetz agiert. Spahn kritisiert die Radikalität, mit der Wirtschaftsminister Robert Habeck das Gesetz durchzuboxen versucht. "Wenn dieses Gesetz, so wie Habeck es vorgeschlagen hat, im Bundestag verabschiedet wird, dann wird auch die Landtagswahl in Hessen eine Abstimmung über dieses Gesetz sein, und ich habe eine Vorstellung, wie das ausgeht. Ich würde mir im Moment große Sorgen machen, wenn ich Herr Al-Wazir wäre", sagt Spahn.

Spahns Volksfront-Lapsus

Spahn will nicht, dass das Gesetz schon im Januar 2024 in Kraft tritt. Deutschland sei für zwei Prozent des CO2-Ausstoßes auf der Welt verantwortlich. Da mache es zumindest für das Weltklima kaum einen Unterschied, ob das Gesetz schon im kommenden Jahr gelte, aber für die Akzeptanz der Bundesbürger schon. Wirtschaftsminister Habeck wolle mit dem "Wärmepumpengesetz" bis 2035 42 Tonnen CO2 sparen. Würden die drei im April abgeschalteten Kernkraftwerke wieder in Betrieb genommen werden, könnten sie das in zwei Jahren schaffen.

Das sehen Experten wie das IFO-Institut oder die Denkfabrik Agora-Energiewende völlig anders. Der CO2-Einspareffekt durch einen Weiterbetrieb der Kernkraftwerke sei nur gering, aber dafür sehr teuer, ergeben aufwendige Berechnungen der beiden Institute. Spahn kennt diese Studien vermutlich, ignoriert sie aber - und macht dann im Eifer des Gefechts eine Aussage mit einer verheerenden Wortwahl, für die er sich dann auch gleich entschuldigt. Im Raum steht sie dennoch: "Die Frage ist doch, was macht mehr Sinn: Zig Milliarden Euro an Förderung (von Kohlekraftwerken), damit man jetzt den Volkssturm wieder beruhigt und in den Griff bekommt, während das längere Laufen der Atomkraftwerke nur ein paar zig Millionen kosten würde." Über den Begriff "Volkssturm" an dieser Stelle ist Al-Wazir sichtlich entsetzt, auch Spahn scheint seine Wortwahl peinlich zu sein. Beide gehen sehr professionell in der laufenden Diskussion nicht mehr darauf ein.

Zum Weiterbetrieb der drei stillgelegten Kernkraftwerke wird sich Spahn in diesem Streit noch sehr intensiv äußern. Er ist dafür, sie für weiter zwei oder drei Jahre erneut ans Netz zu bringen, obwohl laut TÜV Bayern der Brennstoff zum Beispiel für das AKW Isar 2 nur noch gut ein Jahr reicht. Ähnliches gilt für die anderen beiden Kernkraftwerke. Würden danach neue Brennstäbe eingebaut werden, wäre ein Abschalten der Kraftwerke bis etwa 2030 nicht mehr möglich.

Bleibt also die Energiewende, die bei den Heizungen nicht mehr verschoben werden könne, erklärt Al-Wazir. Eine neu eingebaute Gasheizung könne bis zu dreißig Jahre laufen, also bis etwa 2055. Deutschland strebe aber schon zehn Jahre früher die Treibhausgasneutralität an. Das passe nicht zusammen, sagt der Minister, und weiter: "Ich bin sehr dafür, dass wir dieses Gesetz noch vor der Sommerpause beschließen. Alle brauchen jetzt Planungssicherheit - Bürger, Wirtschaft, Handwerk. Ich bin aber auch dafür, dass man über die Frage diskutiert, ob alles schon zum 1. Januar 2024 in Kraft treten muss."

"Wahlen haben Folgen"

Den Meinungswechsel bei den Grünen erkennt Spahn an, wenigstens ein bisschen. "Wahlen haben also Folgen, und das ist gut", sagt er. Doch seine Hauptkritik an dem Gesetz bleibt: Man konzentriere sich zu sehr auf den Einbau von Wärmepumpen, gebe anderen Energieformen wie Geothermie, Biomethan oder Bioheizöl zu wenig Chancen. "Es geht am Ende nicht darum, wie viele Wärmepumpen wir einbauen, sondern wie viel CO2 wir einsparen."

Mehr zum Thema

Dass in einer solchen Diskussion auch über den Fall Patrick Graichen und die Trauzeugen-Affäre des Staatssekretärs gesprochen wird, ist klar. Graichen habe einen Fehler gemacht, den habe er eingestanden, so Al-Wazir. Die Vorwürfe der Opposition im Bundestag hält er für übertrieben: "Man sollte die Kirche im Dorf lassen."

Das sieht Spahn völlig anders. Zwar sagt er, die Entscheidung über Graichens Zukunft liege bei Minister Habeck, aber: "Wenn Graichen die Verantwortung für die Klimaschutzpolitik in Deutschland behält, wird das Vertrauen bei der Bevölkerung nicht zurückkommen; weil das Gefühl da ist, dass ein über Jahre gewachsenes Netzwerk von Ideologen, die engstirnig, einseitig und übergriffig sind, vorbereitet wurde und jetzt eingesetzt wird."

Quelle: ntv.de

ntv.de Dienste
Software
Social Networks
Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen