Politik

You can't always get what you want Trump macht weiter - als sei nichts gewesen

Donald Trump lebt noch ungenierter seit sich Teile seiner Partei von ihm abgewendet haben.

Donald Trump lebt noch ungenierter seit sich Teile seiner Partei von ihm abgewendet haben.

(Foto: dpa)

Donald Trump - ein frauenverachtender Milliardär, der es mit den Fakten nicht so genau nimmt? Seinen Wählern ist das egal. Und um die Unentschlossenen bemüht sich der Republikaner nicht einmal mehr ernsthaft.

Es sind die Rolling Stones, die in der Messehalle von Charlotte in North Carolina den Ton vorgeben: Das Publikum wird eingestimmt mit "You can't always get what you want" - "Du kannst nicht immer bekommen, was du willst". Dieses Motto spricht vielen amerikanischen Wählern dieses Jahr geradezu aus der Seele. Und es trifft auch die Stimmungslage der Leute, die an diesem Abend zu Trumps Auftritt gekommen sind.

Es sind die Enttäuschten, Menschen, die sich von Washington nicht repräsentiert fühlen, die Trump wählen wollen. Sie wollen den in ihren Augen korrupten Politikern einen Denkzettel verpassen. Und sie vermissen es, sich als Bürger eines Landes zu fühlen, das die Welt beherrscht und den Ton angibt. Wer glaubt, dass die Amerikaner in diesem Wahlkampf auf Fakten Wert legen, liegt völlig falsch. Es geht um ein Gefühl. Und Wähler, die sich von diesem Gefühl leiten lassen, beeindruckt es nicht, dass Trump wegen immer neuer Sex-Vorwürfe politisch ins Hintertreffen gerät.

"Ich kann mich nicht daran erinnern, wann die USA das letzte Mal gewonnen haben", sagt ein Anhänger des Milliardärs. Das trifft die Gefühlslage der Menschen in der Halle ziemlich genau. Die Amerikaner kämpfen nicht nur gegen den Terrorismus, sondern auch mit einem Minderwertigkeitskomplex. Und diesen macht sich Trump zu Nutze. Er kritisiert etwa zum wiederholten Mal das Atomabkommen mit dem Iran. Es sei der "schlechteste Vertrag, der jemals von einem Land unterzeichnet wurde", und verdeutliche die Schwäche der US-Regierung, sagt Trump. Wie gesagt, Fakten spielen keine Rolle.

Misstrauen gegen die Clintons eint

So auch beim Thema Wirtschaft. Die US-Wirtschaft hat seit dem offiziellen Ende der Rezession im Juni 2009 ein kontinuierliches Wachstum verzeichnet. Laut aktuellen Zahlen der OECD haben die USA innerhalb der vergangenen acht Jahre ihr Bruttoinlandsprodukt um 10,85 Prozent gesteigert. Im gleichen Zeitraum verzeichnete die Eurozone ein Wachstum von 0,6 Prozent, in Japan waren es gerade einmal 0,06 Prozent. Die US-Arbeitslosenquote ist mit 4,9 Prozent zurück auf Vorkrisen-Niveau.

Dennoch: Die einhellige Meinung in der Menge lautet, dass sich die US-Wirtschaft auf dem falschen Kurs befindet. Trump nimmt die Stimmung der Menschen auf. Er versichert, dass keine Arbeitsplätze mehr in Billiglohnländer abwandern werden und mit ihm als Präsident die USA immer den "besseren Deal" in Handelsabkommen erzielen werden. Das Publikum hört das gerne: "Trump! Trump! Trump!", schallt es durch die Halle, Jubel brandet auf.

Einer der rund 5000 Anwesenden ist der in Charlotte lebende Fotograf James Coyne. Für ihn geht es in dieser Wahl in erster Linie darum, die in seinen Augen verdorbene Politelite abzustrafen. "Das politische System ist total korrupt geworden", schimpft Coyne. "Und Hillary Clinton ist die Personifikation genau dessen." Das Misstrauen gegenüber den Clintons schweißt die Trump-Wähler zusammen.

"Lügen, Lügen, Lügen"

Und auch das bedient der Kandidat: Er weist abermals auf Clintons E-Mail-Skandal hin und behauptet, sie habe gegenüber dem FBI gelogen. Und wieder reagiert die Halle: "Lock her up! Lock her up!", rufen Trumps Anhänger - "Sperrt sie ein! Sperrt sie ein!" Vor der Messehalle demonstrieren Clinton-Anhänger gegen Trump. Es kommt zu einer lautstarken Diskussion über Bill Clintons sexuelle Eskapaden. Dass Trump selbst von immer mehr Frauen vorgeworfen wird, er habe sie sexuell belästigt, dass er nachweislich damit prahlte, wie er über Frauen verfügen und sie nach Belieben begrapschen kann – all das blenden die Menschen hier aus.

Auch weil Trump ihnen dazu eine Argumentationshilfe gibt. Der Milliardär kommt auch auf die Vorwürfe gegen sich zu sprechen. Es ist das übliche Erklärungsmuster: Trump sieht sich als Opfer einer Verschwörung derer, die in Washington die Fäden ziehen - Clintons Freunde und die Medien. Der Republikaner bemüht sich nicht darum, Unentschlossene mit echten Argumenten davon zu überzeugen, dass er unschuldig ist. Stattdessen bezeichnet er die Vorwürfe schlicht als "reine Erfindung" und als "Lügen, Lügen, Lügen".

Was auch immer Trump mit der Veranstaltung in Charlotte erreichen wollte, es war definitiv keine Rede, um unentschlossene Wähler für sich zu gewinnen. Ihnen hätte er plausible Fakten gegen jene Frauen liefern müssen, die ihn sexueller Übergriffe bezichtigen. Oder wenigstens eine glaubhafte Entschuldigung. Vielmehr streichelt er das Gemüt derer, die er ohnehin schon sicher hat. So wird es nichts mit dem Sieg im "Swing State" North Carolina. Clinton liegt hier laut einer aktuellen Umfrage mit 45 Prozent vor Trump mit 41 Prozent. You can't always get what you want.

Quelle: ntv.de

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