China zürnt USA schießen mutmaßlichen Spionageballon ab
04.02.2023, 20:56 UhrDie Fahrt des mutmaßlichen chinesischen Spionageballons über Nordamerika ist beendet: Das Pentagon wartet, bis das Flugobjekt über dem Atlantik schwebt, und holt es dann vom Himmel. Verteidigungsminister Austin spricht von einer "inakzeptablen Verletzung" der Souveränität der USA. Die Reaktion aus Peking folgt prompt.
Nach tagelanger Beobachtung hat das US-Militär einen mutmaßlichen chinesischen Spionageballon abgeschossen. US-Verteidigungsminister Lloyd Austin bestätigte, US-Kampfjets hätten auf Anweisung von US-Präsident Joe Biden "den von der Volksrepublik China gestarteten und ihr gehörenden Überwachungsballon" vor der Atlantikküste von South Carolina zum Absturz gebracht. Die USA bezichtigten China der Spionage mit dem Ballon. Peking wies die Vorwürfe scharf zurück und sprach von einer "offensichtlichen Überreaktion".
Auf einer Pressekonferenz erklärte Biden, er habe den Befehl zum Abschuss schon vor mehreren Tagen erteilt. Er habe bereits am Mittwoch, als er über den Ballon informiert worden sei, angeordnet, das Flugobjekt "so schnell wie möglich" vom Himmel zu holen. Um ein Risiko für die Menschen am Boden auszuschließen, sei entschieden worden, das Flugobjekt erst über dem Meer, aber innerhalb des US-Hoheitsgebiets abzuschießen.
Der Abschuss des Ballons über Land wäre aufgrund der Größe und Höhe des Ballons und seiner Last zu gefährlich gewesen, teilte Verteidigungsminister Austin mit. China habe mit dem Ballon versucht, strategische Standorte auf dem US-Festland zu überwachen, betonte er. Er sprach von einer "inakzeptablen Verletzung" der Souveränität der USA. Mehrere Republikaner, darunter der frühere US-Präsident Donald Trump, hatten gefordert, den Ballon abzuschießen.
China behält sich "notwendige Reaktionen" vor
Die Reaktion aus Peking folgte prompt: Die chinesische Regierung äußerte ihre "starke Unzufriedenheit" über den Einsatz von Gewalt durch die USA gegen ein "ziviles, unbemanntes Luftschiff". Es handle sich um eine "ernste Verletzung" internationaler Praktiken. China behalte sich das Recht auf "notwendige Reaktionen" vor, sagte ein Außenamtssprecher in Peking. China habe die USA wiederholt informiert, dass der Ballon zivilen Zwecken diene und "durch höhere Gewalt" über die USA geflogen sei, "was völlig zufällig war". Das Pentagon habe selbst gesagt, der Ballon stelle keine Gefahr für das Militär und Menschen am Boden dar.
Nach dem Abschuss sagte ein Vertreter des Pentagons, die Bergung des Ballons sei nun in vollem Gange. "Wie lange es dauern wird, steht noch nicht fest", sagte er. Die Trümmer befänden sich in relativ flachem Wasser, was die Bergung "ziemlich einfach" machen würde. Der Ballon sei schon seit einiger Zeit beobachtet und verfolgt worden. Er sei bereits am 28. Januar über Alaska aufgetaucht, am 30. Januar über Kanada und am 31. Januar über dem US-Bundesstaat Idaho. Während seines Überflugs hätten die USA unmittelbar Schritte unternommen, um die Sammlung sensibler Informationen durch den Ballon zu verhindern und dessen nachrichtendienstlichen Wert für China zu verringern, hieß es weiter. Der Ballon habe zu keiner Zeit eine Gefahr für die zivile Luftfahrt in den USA dargestellt. Von der Bergung der Geräte an Bord erhoffen sich die USA nähere Informationen über die Mission. Den nachrichtendienstlichen Schaden schätze man als eher gering ein, hieß es.
Kolumbien meldet Ballon-Sichtung
Das Pentagon hatte bereits am Donnerstagabend die Sichtung des Ballons publik gemacht. Unter anderem war das Flugobjekt im US-Bundesstaat Montana nahe einer US-Luftwaffenbasis gesichtet worden, wo mit Atomsprengköpfen bestückte Interkontinentalraketen lagern. Am Samstag berichteten Augenzeugen, sie hätten den Ballon im östlichen US-Bundesstaat North Carolina gesichtet. Auf TV-Bildern und in Videos ist zu sehen, wie der weiße Ballon am Samstagnachmittag in der Luft getroffen wird und abstürzt.
Unterdessen informierte nun auch Kolumbien über ein unbekanntes Objekt, das in seinen Luftraum eingedrungen sei und "ähnliche Eigenschaften wie ein Ballon" aufgewiesen habe. Am Morgen des 3. Februar habe das nationale Luftverteidigungssystem in rund 17.000 Metern Höhe ein Objekt über dem nördlichen Sektor des Landes entdeckt, teilte die kolumbianische Luftwaffe mit. Es habe "keine Gefahr für die nationale Sicherheit" dargestellt. Die Luftwaffe arbeite jetzt mit anderen Ländern zusammen, um die Herkunft des Objekts festzustellen. Pentagon-Sprecher Pat Ryder hatte bereits am Freitag gesagt, dass ein weiterer möglicher Spionageballon über Lateinamerika schwebe.
Diplomatische Annäherung vorerst gescheitert
US-Außenminister Blinken hatte als Reaktion auf den Vorfall seinen eigentlich für Sonntag erwarteten Besuch in Peking abgesagt. Er bezeichnete das Eindringen in den US-Luftraum als "inakzeptabel" und "unverantwortlich". China sprach dagegen von einem Forschungsballon, der durch "höhere Gewalt" vom Kurs abgekommen sei. Nachdem der Vorfall zunächst in ungewohnt defensiver Weise "bedauert" worden war, ging ein chinesischer Außenamtssprecher in die Offensive: "Einige Politiker und Medien in den USA haben die Situation ausgenutzt, um China anzugreifen und in Verruf zu bringen."
Es wäre der erste Besuch eines US-Außenministers in China seit 2018 gewesen. Nach Medienberichten hätte Blinken auch von Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping empfangen werden sollen. Zwar waren die Erwartungen an den Besuch nicht groß, doch gab es Hoffnungen, dass er zu einer Beruhigung in den turbulenten und schwierigen Beziehungen führen würde. Blinken unterstrich am Freitag, dass die USA die Kommunikationskanäle zu Peking offenhalten wollten und der Besuch bald nachgeholt werden solle, "wenn die Bedingungen es erlauben".
Der Einsatz von Ballons als Beobachtungsplattformen ist nicht unüblich. Nach US-Angaben schwebt derzeit noch ein weiterer chinesischer Spionageballon über Lateinamerika. Anders als Satelliten können sie an einer Stelle bleiben und müssen nicht eine neue Runde um die Erde drehen, um weitere Bilder zu machen. Sie können aus größerer Nähe beobachten und sind für Radar schwer zu entdecken. Auch können sie Kommunikation abfangen. Experten zufolge sind die Navigationsmöglichkeiten heute deutlich verbessert, sodass sie nicht mehr allein vom Wind abhängen.
Quelle: ntv.de, ino/mpe/dpa