Abhöraktionen aus der Luft Spioniert ein Ballon besser als ein Satellit?
04.02.2023, 19:32 Uhr
Militärexperte Ralph Thiele hält ein Zusammenspiel von Satelliten und Ballons bei der Spionage für möglich.
(Foto: picture alliance/dpa/The Billings Gazette/AP)
Die Sichtung mutmaßlicher Beobachtungsballons sorgt für Spannungen zwischen Washington und Peking. Wie nützlich und modern aber sind Ballons als Spionage-Werkzeug? Experten aus unterschiedlichen Fachgebieten geben auf diese Frage teilweise konträre Antworten.
Ein mutmaßlicher Spionageballon aus China schwebte über den USA und wird abgeschossen. Ein zweiter wurde über Lateinamerika gesichtet. Experten vertreten unterschiedliche Meinungen darüber, wie wertvoll solche Ballons für Abhöraktivitäten sind. Für die einen gehören sie zur alten Schule. Andere betonen ihre Vorteile gegenüber Satelliten oder sehen sie als eine nützliche Erweiterung.
Geheimdienstexperte Erich Schmidt-Eenboom nennt den Balloneinsatz im Interview mit ntv "außergewöhnlich". Er kenne "keinen anderen Geheimdienst der Erde, der auf dieses relativ veraltete Instrument zurückgreift", sagt Schmidt-Eenboom. Das könne der Tatsache geschuldet sein, dass die chinesischen Nachrichtendienste in der Satellitenaufklärung bei Weitem nicht die gleiche Qualität liefern könnten wie etwa Amerikaner, Briten oder Russen, fügt er hinzu. Ist der Ballon also nur ein Ersatz für bessere Technologien, die Peking fehlen?
William Kim, ein Experte für Überwachungsballons von der Denkfabrik Marathon Initiative in Washington, sieht das völlig anders. Ballons hätten deutliche Vorzüge gegenüber Satelliten. Anders als diese seien Ballons weitaus schwerer angreifbar, sagt Kim der Nachrichtenagentur AFP. Das liege zum einen daran, dass sie per Radar kaum aufzuspüren seien und ihre Nutzlast leicht übersehen werden könne.
Ballon kann "monatelang über einer Stelle bleiben"
Zum anderen hätten Ballons den Vorteil, dass sie sich relativ lange über einem Spionageziel aufhalten könnten - im Gegensatz zu Satelliten, die ständig in der Umlaufbahn kreisen und von Spionagebehörden zur Aufnahme von Fotos verwendet werden. "Diese Dinger können monatelang über einer Stelle bleiben", sagt Kim.
Militärexperte Ralph Thiele hält hingegen ein Zusammenspiel von Satelliten und Ballons bei der Spionage für möglich. Er ist der Auffassung, dass Peking einen globalen Test des US-Militärs ausspionieren möchte, der "die Verbesserung der Führungsfähigkeiten mittels Künstlicher Intelligenz und Big Data" zum Gegenstand hat, sagt Thiele im Interview mit ntv. Die Informationen, die der Ballon über den Test sammelt, könnten dazu verwendet werden, "weitere Abhörvorrichtungen wie Satelliten darauf einzurichten", so Thiele.
Was auch immer seine Mission war, der inzwischen abgeschossene Ballon über den USA belastet die ohnehin angespannten Beziehungen zwischen China und den USA. US-Außenminister Antony Blinken nannte das Eindringen des "Überwachungsballons" in den Luftraum der USA "inakzeptabel" und "unverantwortlich".
China wies die Vorwürfe entschieden zurück, sprach von einem Forschungsballon, der durch "höhere Gewalt" vom Kurs abgekommen sei. "Wir akzeptieren keine grundlosen Spekulationen und Stimmungsmache", zitierte das Pekinger Außenamt den obersten Außenpolitiker Wang Yi aus seinem Telefongespräch am Vortag mit Blinken. Der US-Außenminister hat seinen für Sonntag erwarteten Besuch in Peking abgesagt.
Quelle: ntv.de, lve/AFP/dpa