Nach dem Militärputsch Unterstützt Wagner bald die neue Junta im Niger?
08.08.2023, 19:01 Uhr Artikel anhören
"Es lebe Russland", ist auf einem der Schilder zu lesen, die Pro-Putschisten-Demonstranten in der vergangenen Woche im Niger zeigten.
(Foto: REUTERS)
In mehreren afrikanischen Ländern helfen Söldner der Wagner-Gruppe den Machthabern. Andere haben sich bewusst dagegen entschieden. Wagner-Chef Prigoschin bietet der neuen Militärjunta im Niger seine Unterstützung an. Erste Kontakte gibt es bereits.
Auf sämtlichen Telegram-Kanälen der russischen Sicherheitsfirma Wagner wird der Putsch im afrikanischen Wüstenstaat Niger bereits als Sieg für Russland gefeiert. Fotos und Videos werden darin geteilt, von Demonstranten im Niger, die mit Bannern und dem Wagner-Logo durch die Straßen der nigrischen Hauptstadt Niamey ziehen. Einige wedeln mit der russischen Flagge. Andere halten Spruchbänder hoch: "Wagner + Russland = Freiheit", steht auf einem geschrieben. "Wagner ist unsere Heilkraft gegen den Einfluss des Westens", heißt es auf einem anderen.
Nigers abgesetzter Präsident, der sich seit fast einer Woche in Hausarrest unter Kontrolle der putschenden Generäle befindet, hat in einem Kommentar in der Zeitung "Washington Post" am Wochenende ausdrücklich davor gewarnt: "Mit einer offenen Einladung der Putschisten und ihrer regionalen Verbündeten könnte die gesamte zentrale Sahelzone über die Wagner-Gruppe, deren brutaler Terrorismus in der Ukraine zur Schau gestellt wurde, unter russischen Einfluss geraten."
Diese Warnung blieb unter den Söldnern nicht unbemerkt: "Vielen Dank für die hohe Einschätzung der russischen Außenpolitik, Herr ehemaliger Präsident", reagierte Wagner auf einem Telegram-Kanal, den die Wagner-Offiziere in der Zentralafrikanischen Republik eingerichtet haben. Darin werden von den Wagner-Leuten seit vergangener Woche auch die Entwicklungen im Niger heiß diskutiert.
Mögliches Vorbild Zentralafrika
Wagners Mission in der Zentralafrikanischen Republik steht als Vorbild, wie eine russisch-afrikanische Partnerschaft unter Wagner auch bald in Niger aussehen könnte. Wagner ist seit 2019 mit knapp 2000 Mann in der Zentralafrikanischen Republik stationiert, auf Einladung des dortigen Präsidenten Faustin Touadéra. Die russischen Söldner stellen dort nicht nur seine Leibwächter, sondern schützten ihn im Vorfeld der Wahlen 2020 auch vor einem möglichen Putsch durch eine Allianz verschiedener Rebellenbewegungen, die auf die Hauptstadt zumarschierten.
Mit Wagners Hilfe konnte damals eine Machtübernahme verhindert werden. Und auch aktuell sorgen die russischen Beziehungen für Touadéras Machterhalt: Ende Juli stimmten die Zentralafrikaner über eine neue Verfassung ab, die dem Präsidenten eine weitere Amtszeit möglich machen könnte. Dabei hatte Wagner ebenfalls die Finger im Spiel.
Für Afrikas Militärputschisten ist ein Schulterschluss mit der russischen Söldnerfirma also eine Option, um sich an der Macht zu halten. Dies hat sich in mehreren Ländern bewiesen: In Mali, wo es 2020 und 2021 gleich zwei Staatsstreiche gegeben hat und seither eine Junta an der Macht ist, die Wagner-Truppen eingeladen und UN-Truppen des Landes verwiesen hat; sowie im benachbarten Burkina Faso, wo sich 2022 die Militärs an die Macht geputscht haben, offenbar auch mithilfe von Wagner.
Westliche Staaten, internationale Organisationen sowie die Vereinten Nationen (UNO) haben Wagner international sanktioniert, auch wegen mutmaßlich begangener Menschenrechtsverbrechen in der Zentralafrikanischen Republik sowie in Mali. In manchen afrikanischen Ländern ist man seither vorsichtiger geworden, was Beziehungen zu Russland und Wagner angeht. Von der Demokratischen Republik Kongo wurden zu Beginn des Jahres Söldner engagiert, um der dortigen maroden Armee im Kampf gegen Rebellen zu helfen. Kongos Regierung hatte sich jedoch gezielt gegen Wagner entschieden, um es sich nicht mit dem Westen zu verscherzen. Sie heuerten stattdessen rumänische und bulgarische Söldner an.
Ob Wagner den Putschisten im Niger beim Staatsstreich geholfen hat oder ob die Kontakte erst danach zustande kamen, ist nicht bekannt. Es mehren sich aber Indizien, dass Nigers neue Militärjunta zumindest in den vergangenen Tagen den Kontakt zu Wagner sucht. Laut Angaben von Analysten war Nigers neuer Vize-Anführer der Junta, Salifou Mody, vor wenigen Tagen im benachbarten Mali, wo Wagner aktiv ist, und bat dort die Russen um Hilfe. Quellen in Frankreich und Mali bestätigen dies. Zuvor hatte der westafrikanische Regionalblock ECOWAS, in welchem auch Niger Mitglied ist, mit einer Militärintervention gedroht, sollten die Putschisten nicht freiwillig das Feld räumen. Offenbar holen sich nun Nigers Generäle Wagner zu Hilfe.
Prigoschin bietet Hilfe an
Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin stellte sich öffentlich auf die Seite der Putschisten. Nach seinem mutmaßlich gescheiterten Aufstand im Süden Russlands Ende Juni war der Söldnerchef von Putin nach Belarus geschickt worden. Danach war es wochenlang still um ihn. Just zum Putsch im Niger vergangene Woche und pünktlich zum Auftakt des Russland-Afrika-Gipfels meldete er sich dann plötzlich wieder über seine Telegram-Kanäle zu Wort und bot den nigrischen Militärs "Unterstützung" an.
Auf dem zweitägigen Wirtschaftsforum im russischen St. Petersburg schüttelte er den Afrikanern lachend die Hand, grinste in die Kameras. Gestern meldete er sich mit einem Video: In voller Kampfuniform gekleidet steht er im Wald, offenbar in Belarus, wo Wagner jetzt ein neues Trainingscamp bezogen hat: "Wir stehen eindeutig auf der Seite der Guten, auf der Seite der Gerechtigkeit, und halten zu denjenigen, die für ihre Unabhängigkeit und die Rechte ihres Volkes kämpfen", betonte er.
Dies klingt ein wenig wie die Propaganda zu Sowjetzeiten: Bereits im damaligen Unabhängigkeitskampf der Afrikaner gegen die westlichen Kolonialherren hatte sich der Kreml als unterstützender großer Bruder angeboten. Es entspricht zudem fast jenen Aussagen, die nigrische Demonstranten bei ihren Jubelparaden auf Bannern durch die Straße tragen. Prigoschins tägliche Medienauftritte zu einem möglichen Engagement in Niger zeugen davon, dass Wagner für Russlands neue Afrika-Politik, von der auf dem St. Petersburger Gipfel vergangene Woche die Rede war, ein entscheidendes Instrument sein könnte - oder werden wird.
Quelle: ntv.de