"Alles läuft nach Plan" In Zentralafrika hilft Wagner beim Machterhalt
30.07.2023, 09:26 Uhr Artikel anhören
"Russland wird von den Zentralafrikanern unterstützt", heißt es auf dem Spruchband. Nachdem Dimitri Sytyi im vergangenen Dezember von einer Briefbombe verletzt wurde, gab es in Bangui Demonstrationen für ihn.
(Foto: picture alliance/dpa/Russian Embassy in CAR)
Nach dem Wagner-Aufstand werden rund 400 Söldner aus der Zentralafrikanischen Republik ausgeflogen. Die Regierung bekommt Angst: Verliert sie nun die russische Unterstützung? Prigoschin stellt klar: Nichts ändert sich. Auch die aktuelle Volksabstimmung werde von seinen Söldnern geschützt.
Zum Abschluss der Wahlkampagne stellten sich die sieben hochrangigen Mitglieder der nationalen Wahlkommission der Zentralafrikanischen Republik noch einmal zu einem Gruppenfoto zusammen: im Halbkreis auf dem Flugfeld des internationalen Flughafens in der Hauptstadt Bangui, wo neben den weißen UN-Maschinen auch ein russisches Flugzeug der Firma Wagner geparkt ist. Und auch auf dem Gruppenfoto der Wahlkommission ist ein Russe auszumachen: Dimitri Sytyi, Direktor des "Russischen Hauses" in Bangui sowie die rechte Hand von Wagner-Chef Jewgenij Prigoschin in Afrika.
In der Zentralafrikanischen Republik findet an diesem Sonntag ein Referendum statt. Die rund 5,5 Millionen Zentralafrikaner sind aufgerufen, über eine neue Verfassung abzustimmen. Die aktuelle ist zwar noch gar nicht so alt, sie wurde erst 2015 per Referendum angenommen und trat 2016 in Kraft. Doch sie schreibt dem Präsidenten maximal zwei Amtszeiten vor. Das bedeutet, dass der jetzige Präsident, Faustin Touadéra, bei den nächsten Wahlen 2025 nicht mehr antreten dürfte. Deshalb bedient er sich eines Tricks: Mit der Annahme einer neuen Konstitution würden die Amtszeiten für ihn auf null zurückgesetzt.
Die Idee mit dem Referendum hat Touadéra seiner Bevölkerung, die mehrheitlich weder Strom noch Internet hat, Ende Mai über die sozialen Medien wie Facebook mitgeteilt. Er erklärte, dass die derzeitige Verfassung "die tiefen Bestrebungen des zentralafrikanischen Volkes nicht ausreichend widerspiegelt" und dass er nicht "unempfindlich gegenüber den dringenden und legitimen Forderungen des souveränen Volkes bleiben" könne, "unserem Land eine neue Verfassung zu verleihen". Zudem betonte er in den vergangenen Wochen, während er für das Referendum warb, dass "ausländische Partner und Investoren" sich Stabilität und Kontinuität erhoffen. Dies könne nur garantiert werden, wenn er weiter im Amt bleibe.
"Wagner verhält sich dort quasi wie der russische Staat"
Mit den "Partnern und Investoren" sind vor allem Touadéras russische Freunde der privaten Söldner-Firma Wagner gemeint, die in dem kleinen Land im Herzen Afrikas seit knapp fünf Jahren aktiv sind. Präsident Touadéra hatte den Deal mit dem Kreml auf dem ersten Afrika-Russland Gipfel 2019 in Sotschi an der Schwarzmeerküste eingefädelt. Bereits damals war Dimitri Sytyi bei den Verhandlungen dabei. Zunächst schickte Russlands Verteidigungsministerium eine Handvoll Offiziere nach Bangui. Doch bald wurden diese von Vertretern der Söldner-Firma Wagner ersetzt. Moskau hat die Aktivitäten im Herzen des Kontinents outgesourct.
In der Zentralafrikanischen Republik sind heute 1800 Wagner-Söldner stationiert. Sie übernehmen in dem von Bürgerkriegen gebeutelten Land immer mehr Aufgaben: Als Leibwächter schützen sie den Präsidenten und die höchsten Regierungsmitglieder, sie bilden die nationale Armee aus, führen eigene Militäroperationen gegen lokale Milizen durch und schützen Gold- und Diamantenminen. Sie verbreiten aber auch Propaganda, indem sie enge Beziehungen zu örtlichen Radiosendern unterhalten und Geld für "Kultur" ausgeben. Dafür ist Dimitri Sytyi zuständig.
Mittlerweile haben Wagner-Leute wie Sytyi aber auch lokale Firmen in der Zentralafrikanischen Republik gegründet, Konzessionen zum Abbau von Gold und Diamanten, aber auch für teures Tropenholz erworben, Maschinen und Gerät eingeflogen, um Minen zu erschließen. "Wagner verhält sich dort quasi wie der russische Staat", erklärt Wagner-Experte John Lechner.
Nach dem Putsch hat sich nichts verändert
Erst nach dem Wagner-Aufstand in Russland im Juni sei vielen in Afrika bewusst geworden, dass es sich bei Wagner nicht um Russlands Regierung handelt, so Lechner. Als dann wenige Tage darauf rund 400 Wagner-Söldner aus Zentralafrika ausgeflogen wurden, "bekamen alle, inklusive der Regierung in Bangui, Angst und Panik, was das nun bedeutet". Doch nun nach intensiven Recherchen stellt Lechner fest: "Es hat sich zumindest in Zentralafrika in der Kooperation mit Wagner nichts verändert."
Anlässlich des Referendums hat sich auch Wagner-Chef Prigoschin persönlich zu Wort gemeldet und versichert den Zentralafrikanern: Es habe unter seinen Truppen im Vorfeld des Referendums lediglich eine Rotation gegeben, um "frische Kräfte" ins Land zu bringen, die "kampfgestählt" seien und dafür sorgen würden, dass der Bevölkerung während der Volksabstimmung "kein Schaden zugefügt wird". Er betont dabei ausdrücklich: "Keine unserer Handlungen steht im Widerspruch zu den Interessen der Staaten, in denen wir uns befinden, und natürlich auch nicht zu den Interessen der Russischen Föderation."
Wagner hilft beim Machterhalt
Bereits bei den Präsidentschaftswahlen 2020 war Wagner ein einflussreicher Faktor, Touadéra an der Macht zu halten. Im Vorfeld der Wahl hatte sich eine Allianz verschiedener Rebellengruppen unter dem Namen Koalition der Patrioten für Veränderung (CPC) formiert und kurz vor dem Wahlgang einen gemeinsamen Angriff auf die Hauptstadt gewagt. Dieser konnte mithilfe der frisch stationierten Wagner-Truppen gestoppt werden.
Auch dieses Mal hat CPC-Armeechef Ali Mahama zum Boykott des Referendums aufgerufen und Touadéras Volksabstimmung als "diskriminierendes und machiavellistisches" Manöver abgetan. Er wirft dem Präsidenten vor, auf die Wünsche von Söldnern zu hören, die "durch Plünderungen und Gewalttaten gegen die zentralafrikanische Bevölkerung Terror" verbreitet hätten. Seine Rebellenarmee ruft er zur Wachsamkeit auf, er warnt "vor jeder weiteren Provokation" und verspricht eine "entschlossene Reaktion".
Die UN-Mission in Zentralafrika (MINUSCA) zeigt sich besorgt über die möglichen Folgen der Volksabstimmung, die zu weiteren Aufständen führen könnten. MINUSCA-Chefin Valentine Rugwabiza betonte, dass die Lage im Land ohnehin instabil sei. Die UN würden "sämtliche Menschenrechtsverbrechen und Gewalt" untersuchen, versicherte sie.
Quelle: ntv.de