Politik

Lambrecht nahm Sohn mit Viel Lärm um einen Hubschrauberflug

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Steht erneut in der Kritik: Christine Lambrecht.

(Foto: picture alliance/dpa)

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Für Verteidigungsministerin Lambrecht hagelt es Kritik. Weil sie ihren Sohn im Regierungshubschrauber mitnahm und anschließend auf Sylt Urlaub machte, unterstellt ihr die Union die Nutzung der Bundeswehr für private Zwecke. Zurecht? ntv.de beantwortet die wichtigsten Fragen.

Was ist passiert?

Verteidigungsministerin Christine Lambrecht steht in der Kritik, weil sie am 13. April zusammen mit ihrem Sohn im Regierungshelikopter nach Norddeutschland geflogen ist. Der Flug sei vom Dienstsitz in Berlin nach Schleswig-Holstein erfolgt, wo Lambrecht am selben Tag einen Teil des Bataillons elektronische Kampfführung 911 aus Stadum besuchte. Im Anschluss daran machte sie mit ihrem Sohn Urlaub auf Sylt.

Der Vorfall sorgte für Aufsehen, nachdem der "Business Insider" berichtete, Lambrechts Sohn sei "mit einem Regierungshubschrauber in den Urlaub" mitgeflogen. Dabei beziehen sie sich auf ein Foto vom Instagram-Konto des Sohns, das ihn in einem Hubschrauber zeigen soll. Das Verteidigungsministerium hat mittlerweile bestätigt, dass es am 13. April "einen Mitflug eines Familienangehörigen" Lambrechts in einem Luftfahrzeug der Flugbereitschaft gab, weist aber Berichte über einen womöglich unzulässigen Mitflug zurück.

Dürfen Familienmitglieder im Regierungshubschrauber mitfliegen?

Als Verteidigungsministerin darf Lambrecht vor Reisen, bei denen amtliche Tätigkeiten durchgeführt werden, eine Begleitperson bestimmen, "die je nach Bundesinteresse unterschiedliche Kostensätze zu tragen haben", heißt es vom Ministeriumssprecher. Grundlage des Mitflugs sei die "Richtlinie für den Einsatz von Luftfahrzeugen der Flugbereitschaft BMVg zur Beförderung von Personen des politischen und parlamentarischen Bereichs". Voraussetzung für die Mitnahme: der Flug muss von dem Familienangehörigen selbst beglichen werden.

Hat Lambrecht für den Flug ihres Sohnes bezahlt?

Laut Bundesverteidigungsministerium hat Lambrecht die Kosten "gemäß der Richtlinie zu 100 Prozent übernommen". Das sei bereits am 8. April, als sie die Begleitperson anmeldete, "vermerkt worden". Juristisch sei demnach alles nach Regel verlaufen: Mitflug und eine Kostenerstattung hätten "in voller Übereinstimmung mit den Richtlinien für den Einsatz von Luftfahrzeugen der Flugbereitschaft" des Ministeriums stattgefunden, teilte ein Sprecher mit.

Wie viel kostete die Mitnahme von Lambrechts Sohn im Regierungsflieger?

Wie tief Lambrecht für die Mitnahme ihres Sohnes in die Tasche greifen musste, teilte das Ministerium nicht mit. Offiziell zuständig für die Rechnungsstellung ist das Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr. Die Mitnahme "sonstiger Begleiter" sei möglich, wenn diese für ihren Mitflug "einen Betrag in Höhe des Normaltarifs der Deutschen Lufthansa (DLH-Economy-Klasse) an die Bundeswehr" entrichten. Die Rechnung werde aber erst noch erstellt, hieß es. Laut "Business Insider" aber betragen die Kosten pro Flugstunde in dem Regierungshubschrauber 5300 Euro. Das wäre deutlich mehr, als bei einer Abrechnung nach einem Lufthansa-Economy-Tarif anfällt.

War es das erste Mal, dass Lambrecht ihren Sohn im Regierungsflieger mitgenommen hat?

Nein, laut einem Bericht der "Bild"-Zeitung hat Lambrecht ihren Sohn bereits mehrfach auf Dienstreisen mitgenommen. In ihrer Zeit als Justizministerin habe Lambrecht den heute 21-Jährigen auf "insgesamt sieben Auslandsreisen" dabeigehabt, berichtete die Zeitung unter Berufung auf das Bundesjustizministerium. Demnach bestätigte das Justizministerium Reisen nach Slowenien, Helsinki, Liechtenstein, Lissabon, Luxemburg, Paris und Prag. Die Kosten seien stets privat bezahlt worden.

Was sagen die Kritiker?

Scharfe Kritik kommt vor allem vonseiten der Union. Die Partei wirft Lambrecht wegen der Mitreise "maximale Ungeschicklichkeit" vor und bezeichnet die Nutzung der Bundeswehr für private Zwecke als "stillos". Die Ministerin dürfe "nicht die Luftwaffe mit der Lufthansa verwechseln", sagte der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei in Berlin. Er warf ihr einen politischen Fehler vor: "Die Verteidigungsministerin sollte als Inhaberin der Befehls- und Kommandogewalt mehr Fingerspitzengefühl zeigen", sagte er der "Bild"-Zeitung. Unionsfraktionschef Friedrich Merz hingegen stichelt: "Wenn sie bei allem so eifrig in ihren Dienstgeschäften wäre wie bei der Mitnahme ihres Sohnes, dann stünde es bei der Verteidigung und um die Bundeswehr besser in diesem Land". Die Fraktionsexperten prüften derzeit noch, "ob da alles auch den Richtlinien entsprechend durchgeführt worden ist".

"Helikopter-Mutter bekommt jetzt eine ganz neue Bedeutung", spottet der frühere CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak auf Twitter. Für den AfD-Politiker Stephan Brandner ist dagegen "völlig egal, ob der Sohn den Flieger selbst bezahlt oder nicht". Es komme "vielmehr darauf an, dass die wenigen einsatzfähigen Fluggeräte der Bundeswehr genutzt werden, um die Ferien der Ministerin und ihrer Familie zu versüßen", erklärte der stellvertretende Bundessprecher der Partei. Doch nicht nur die Mitnahme ihres Sohnes im Regierungsflugzeug steht in der Kritik, sondern auch, weil die Ministerin mitten im Ukraine-Krieg in den Urlaub fährt.

Die "Bild"-Zeitung geht sogar noch einen Schritt weiter und unterstellt der Ministerin einen Zusammenhang zwischen ihrem Truppenbesuch in Nordfriesland und den Urlaubsplänen mit ihrem Sohn auf Sylt. So lautet der Vorwurf, dass sie sich extra einen Truppenbesuch kurz vor Sylt ausgesucht habe, um dann dort ihren Familien-Inselurlaub zu verbringen. Auch wirft ihr die Zeitung mangelnde Ernsthaftigkeit vor, weil sie mitten im Ukraine-Krieg in den Urlaub fährt.

Unterstützung erhält sie von Parteikollege und SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich. Nach dem, was er gelesen und gehört habe, scheine "doch alles richtig gemacht worden zu sein vor dem Hintergrund der Richtlinien", sagte er. "Christine Lambrecht ist da mit Sicherheit erfahren genug, dass sie hier alles dafür getan hat für die Transparenz und auch für die Rechtmäßigkeit."

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Hat die Reise mit ihrem Sohn politische Folgen für Lambrecht?

Das wird sich erst noch zeigen. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki hält den Mitflug für letztlich akzeptabel. "Wenn die Meldungen stimmen, dass alle fälligen Gebühren ordnungsgemäß entrichtet wurden, dann haben sich Ministerin Lambrecht sowie ihr Sohn im Rahmen der Gesetze und der einschlägigen Vorschriften bewegt", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Man mag diesen Vorgang für unsensibel oder tölpelhaft halten." Man könne aber niemanden sein rechtstreues Verhalten vorwerfen.

Quelle: ntv.de, mit AFP und dpa

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