Vox-Partei bald in Regierung? Wahl könnte Spanien Rechtsruck bringen
23.07.2023, 10:12 Uhr Artikel anhören
Alberto Nuñez Feijoo (r.) könnte Ministerpräsident Pedro Sánchez (l.) heute als spanischen Regierungschef ablösen.
(Foto: dpa)
Die Spanier wählen an diesem Sonntag ein neues Parlament - Umfragen deuten darauf hin, dass Ministerpräsident Sánchez abgelöst wird. Der Herausforderer Feijoo braucht dafür aber die Hilfe der Rechtspopulisten von Vox. Das löst große Befürchtungen aus.
In Spanien haben die auch international mit Spannung verfolgen Parlamentswahlen begonnen, die laut Umfragen einen Rechtsruck bringen dürften. Die Wahllokale im Land öffneten um 9 Uhr. Insgesamt 37,4 Millionen Spanier können über die beiden Parlamentskammern - Abgeordnetenhaus und Senat - abstimmen. Umfragen zufolge muss der seit 2019 regierende sozialistische Ministerpräsident Pedro Sánchez mit seiner Ablösung rechnen. In den Umfragen liegt die konservative Volkspartei seines Herausforderers Alberto Nuñez Feijoo vorn.
Für eine absolute Mehrheit in dem 350 Mandate umfassenden Abgeordnetenhaus dürfte Feijoo jedoch auf die Stimmen der rechtspopulistischen Partei Vox angewiesen sein. Diese will illegal eingewanderte Migranten ausweisen und unter anderem Gesetze zu Transgender-Rechten, Abtreibung und Tierrechten aufheben. Zudem will die von dem baskischen Politiker Santiago Abascal geführte Partei die von Sanchez geförderten Klimaschutzmaßnahmen zurückdrehen.
Die Wahlen fallen in eine heikle politische Phase, in der Spanien gerade erst die halbjährliche rotierende EU-Ratspräsidentschaft übernommen hat. Die Europäische Union arbeitet derzeit an einer Reform der Haushalts- und Schuldenregeln. Laut Demoskopen kann die spanische Volkspartei auf 131 bis 151 Mandate hoffen. Eine Reihe von Umfragen zeigt, dass Vox genügend Sitze gewinnen dürfte, um einem rechten Bündnis eine absolute Mehrheit zu sichern. Dafür sind mindestens 176 Mandate erforderlich.
Feijoo ein zurückhaltender Typ
Doch könnten PP und Vox laut einigen Demoskopen auch knapp unter dieser Marke bleiben. Die sozialistische PSOE von Sanchez kommt den Umfragen zufolge nur auf 98 bis 115 Sitze. Vox liegt praktisch Kopf an Kopf mit Sumar, einem neuen Sammelbündnis linker Gruppen. Den Umfragen zufolge würde Sumar 25 bis 39 Sitze erhalten. Damit würde es nicht für eine linke Mehrheit reichen. Der Urnengang war ursprünglich für Dezember angesetzt. Doch Ministerpräsident Sanchez rief Neuwahlen aus, nachdem die Linke bei den Regionalwahlen Ende Mai eine Schlappe erlitten hatte.
Feijoo überzeugt seine Wähler trotz oder vielleicht gerade wegen seiner zurückhaltenden Art. "Was für einige langweilig erscheinen mag, sind meiner Ansicht nach für die Mehrheit der Bürger Eigenschaften, die ein Ministerpräsident haben sollte", betonte der Chef der spanischen Konservativen jüngst in Madrid.
Das Image des bedächtigen und zugleich soliden Politikers kommt dem 61-Jährigen auch deshalb zugute, weil er auf Hilfe der Vox-Partei angewiesen sein dürfte. Die Spanier wollten womöglich einen Kapitän am Ruder sehen, der das Regierungsschiff mit ruhiger Hand steuere, meint Manuel Arias Maldonado, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Malaga. Denn Vox ist für politische Gegner quasi ein rotes Tuch: In ihrem einzigen Fernsehduell konfrontierte Regierungschef Pedro Sánchez Feijoo mit Äußerungen von Vertretern der Rechtspopulisten, die chauvinistisch seien oder den Klimawandel und die Gültigkeit von Covid-Impfstoffen infrage stellten. Sich mit Vox einzulassen, wäre aus Sicht des Sozialisten Sanchez "schamlos".
Feijoo weiß, dass er mit einem Bündnis mit Vox ein heißes Eisen anpacken würde, da in Spanien die Narben des Bürgerkrieges (1936-1939) noch immer nicht verheilt sind: Mit einem Pakt mit Vox würde er erstmals seit dem Ende der Franco-Diktatur 1975 wieder einer am rechten Rand angesiedelten Partei direkten Einfluss auf das Regierungshandeln einräumen.
Quelle: ntv.de, vpe/rts