"Moderne Panzer nicht notwendig" Warum Moskau auch veraltete T-62 in die Ukraine schickt
03.06.2022, 19:14 Uhr
Die Besatzung des T-62 umfasst vier Personen, bestehend aus Kommandeur, Fahrer, Richtschütze und Ladeschütze.
(Foto: picture alliance/dpa/TASS)
Ende Mai berichtet das britische Verteidigungsministerium über das Auftauchen russischer T-62 in der Ukraine. Die Entsendung der veralteten Panzer zeige Moskaus Probleme bei der Beschaffung neuer Kriegsgeräte, heißt es aus London. Zwei Militärexperten haben dafür allerdings andere Erklärungen.
Bislang hat Russland hauptsächlich Kampfpanzer vom Typ T-72 und T-80 gegen die Ukraine eingesetzt. Berichte aus der vergangenen Woche legen nahe, dass nun auch veraltete T-62 ins Kriegsgebiet verlegt werden. So zeigen von ntv verifizierte Fotos einen Güterzug mit T-62 in der von Russen besetzten Stadt Melitopol. Auch das ukrainische Militär veröffentlichte ein entsprechendes Video.
Das britische Verteidigungsministerium meldete am 27. Mai, dass Moskau die rund 50 Jahre alten Panzer aus Lagerbeständen geholt und in den Einsatzbereich des südlichen Streitkräfteverbands gebracht habe. Die Entscheidung zeige, dass Russland offenbar Probleme bei der Beschaffung neuer Ausrüstung und Kriegsgeräte habe. "Die T-62-Panzer werden beinahe mit Sicherheit besonders gefährdet sein durch Panzerabwehrwaffen, und ihre Anwesenheit auf dem Schlachtfeld wirft ein Schlaglicht auf Russlands Mangel an modernem, einsatzbereitem Gerät", hieß es aus London.
Der US-Militäranalyst und Russlandexperte Michael Kofman teilte diese Einschätzung nicht. Ihm zufolge werden T-62 von Reserveverbänden genutzt. Die Entsendung der Panzer an die Front würde auf die Einberufung von Reservisten hindeuten - wahrscheinlich, um Verluste auszugleichen. "Es bedeutet nicht, dass Russland keine anderen Panzertypen mehr hat", twitterte Kofman.
Der österreichische Oberst Markus Reisner bietet noch eine andere Erklärung. "Man muss verstehen, dass in der Situation, in der sich die Russen befinden, ein moderner Kampfpanzer gar nicht notwendig ist", erklärt der Leiter Entwicklungsabteilung der Theresianischen Militärakademie auf Youtube. Denn hauptsächlich würden die Panzer zur Unterstützung der angreifenden Infanterie eingesetzt. "Wir haben also keine großen Panzerschlachten, wo Panzer auf der ukrainischen und auf der russischen Seite aufeinander treffen, wo ein modernes Fahrzeug notwendig wäre", so Reisner. Der T-62 sei gepanzert, beweglich und verfüge über eine hohe Feuerkraft, womit er den Anforderungen genüge.
Der T-62 wurde von 1962 bis 1975 in der Sowjetunion gebaut und später in mehrere Länder exportiert. Insgesamt liefen 20.000 Exemplare vom Band. Der Kampfpanzer kam in zahlreichen Konfliktregionen zum Einsatz, darunter Libanon, Afghanistan, Irak und Tschetschenien. Hauptvorteil des T-62 im Vergleich zu moderneren Panzern ist seine einfache Bedienung und der geringere Wartungsbedarf. Das macht ihn auch für die prorussischen Separatisten in der Ostukraine interessant, deren Einheiten häufig nur über eine oberflächliche Ausbildung verfügen.
In der russischen Armee fristet der T-62 nur noch ein Nischendasein. Schätzungen zufolge sollen noch zwischen 850 und 2000 Exemplare im Einsatz sein. Das Rückgrat von Moskaus Panzerverbänden besteht mittlerweile aus modernisierten Varianten des T-72, die von geringeren Stückzahlen T-80 und T-90 ergänzt werden. Dennoch merkte Kofman an: "Was den T-62 betrifft, so ist er alt, aber auch alte Panzer können immer noch töten."
Quelle: ntv.de, jpe