Dürre in Ostafrika Warum die Hungersnot hausgemacht ist
28.03.2017, 07:46 Uhr
Trockenheit in Somaliland, einem faktisch unabhängigen Teil von Somalia.
(Foto: REUTERS)
Die Dürre war vorhersehbar. Es sind die Kriege, die die Landwirtschaft zerstören und Lebensmittelverteilung verhindern. Südsudans Regierung kauft lieber Waffen statt Nahrungsmittel.
Bauer Vasali Nyombe sitzt zwischen Salatköpfen und Bananenstauden und zählt seine Geldscheine. Er lächelt zufrieden. Der Zentralmarkt in Ugandas Hauptstadt Kampala ist wieder voller Tomaten, Ananas und Weißkohl – alles, was im vergangenen Jahr kaum wuchs oder zu teuer war, um Abnehmer zu finden. Vor wenigen Wochen hat endlich die Regenzeit eingesetzt, jetzt wächst und sprießt wieder alles. Die extreme Dürre im Osten des afrikanischen Kontinents zog selbst im fruchtbaren Uganda schlimme Konsequenzen nach sich. Noch vor wenigen Wochen wirkte der gigantische Markt wie leergefegt.
Mehr als 17 Millionen Menschen seien in der Region auf Lebensmittelhilfen dringend angewiesen, so die UN, betroffen seien noch viel mehr. Am schlimmsten ist es in den Krisenländern: In Südsudan haben die Vereinten Nationen offiziell eine Hungersnot ausgerufen. Somalia steht kurz davor, auch dort benötigt die Hälfte der Bevölkerung Hilfe. In Äthiopien seien bis zu zehn Millionen von Hunger betroffen. Kenias Regierung rief in den trockenen Landesteilen den Notstand aus.
Den ugandischen Bauern Nyombe wundert das nicht. Denn bis vor zwei Jahren hat er noch seine Bananenstauden im Nachbarland Südsudan verkauft. "Das war ein richtig gutes Geschäft", nickt er. Im Südsudan liegt die Landwirtschaft schon seit Jahrzehnten aufgrund der andauernden Kriege brach. Als das Land 2011 durch ein Referendum unabhängig wurde, entdeckten ugandische Bauern dort ihren Absatzmarkt: Jedes Ei, jede Tomate, die im Südsudan verkauft wurde, stammte aus Uganda. Doch dann brachen 2013 Unruhen aus, die 2015 im Krieg mündeten. "Die Rebellen haben auf meinen Lastwagen geschossen", erinnert sich Nyombe an seinen letzten Versuch, Waren in die südsudanesische Hauptstadt Juba zu exportieren. Die ganze Ladung von umgerechnet mehr als 10.000 Euro sei dahin gewesen. "Wir haben aufgehört zu liefern", sagt er.
"Die Kombination ist ein Alptraum"
Südsudan, Somalia, Nord-Nigeria, Zentralafrikanische Republik, Jemen – wer sich die Liste der vom Hunger betroffenen Länder anschaut, dem fällt schnell auf: Es sind alles Krisenländer, zum Teil ist dort ein Krieg in vollem Gange. Millionen Menschen sind vertrieben: Sie können ihre Äcker nicht bestellen, die Ernten nicht einholen, nicht neu aussäen. Kurz: Krieg ist die eigentliche Ursache für die prekäre Nahrungsmittelsituation. UN-Generalsekretär Antonio Guterres erklärte bei seinem jüngsten Somaliabesuch: "Konflikt, Dürre und Krankheiten – die Kombination ist ein Alptraum."
UN-Experten im Südsudan bestätigen dies. In ihrem jüngsten Bericht nennen sie Ursachen für die Hungersnot: angehende Militäroperationen, begrenzter Zugang der internationalen Organisationen zu den umkämpften Gebieten, Vertreibung der Bevölkerung. Sie liefern erschreckende Beweise: Die Regierung Südsudans kauft aus ihren Ölerträgen Waffen statt Lebensmittel. Südsudans Regierungssprecher Michael Makuei Lueth streitet dies ab.
"Der Vorteil in Südsudan ist", so Jonathan Veitch, Ex-Chef des UN-Kinderhilfswerks in Südsudan: "Wir haben bereits ein funktionierendes System etabliert, wir haben unser Personal vor Ort, wir haben das technische Know-how und viel Erfahrung in Sachen Unterernährung in Konfliktgebieten." Sprich: Die UN-Hilfswerke sind alle schon da, die Lebensmittelbeschaffung ist im vollen Gange. Warum sterben dann trotzdem Kinder vor Hunger? Veitch sagt klipp und klar: "Wir können die Hungersnot nur aufhalten, solange wir die betroffenen Gebiete erreichen und garantieren können, dass Lebensmittel und medizinische Hilfe dort auch ankommen." Anders ausgedrückt: Die Regierung Südsudans muss sicherstellen, dass die Hilfswerke ihre Arbeit tun können, sonst verhungern die Menschen, während sich die Lebensmittel in den Lagerhallen türmen.
Wetterphänomene und Seuchen
Die extreme Dürre am Horn von Afrika und Ostafrika war vorhersehbar: Das alle vier Jahre auftretende Wetterphänomen El Niño sorgte 2016 für Extremwetter. Es war heiß und trocken, die Regenzeit von Oktober bis Dezember fiel fast komplett aus, Ernten wurden vernichtet. Mais und die in Ostafrika typische Kochbanane wuchsen so gut wie gar nicht, denn ohne Regen keimen Bananen-Sprösslinge nicht. Ziegen und Rinder magerten bis auf die Knochen ab. Vom Horn bis zum Kap stiegen im vergangenen Jahr die Lebensmittelpreise stetig an. Selbst in Uganda, in Burundi, in Mosambik, Tansania, Malawi, Sambia und Simbabwe ist die Dürre spürbar. In all diesen Ländern sind die Regierungen verantwortlich, langfristige Maßnahmen zu treffen, um den Klimaphänomenen entgegenzuwirken. Es hängt also an ihnen, wie schlimm die Lage letztlich wird.
Zu allem Übel kamen auch noch Seuchen. In Kenia und Uganda zerstört derzeit eine Raupenart, bekannt als Armeewurm, den letzten Rest der Maisernte. In Folge des Ausbruchs der Schweinegrippe in Ostafrika mussten 2016 in Uganda und Kenia Millionen Tiere notgeschlachtet werden. Mit den Zugvögeln aus Europa kam im Oktober auch die Vogelgrippe an den Äquator, die wiederum die Hühner ansteckten, die geschlachtet werden mussten. Dies trug zur Lebensmittelkrise zusätzlich bei.
Das fruchtbare und stabile Land Uganda gilt eigentlich als Gemüsegarten der Region: UN-Hilfswerke kaufen hier Lebensmittel ein und verteilen sie in den benachbarten Krisenländern. Doch Uganda beherbergt rund eine Million Flüchtlinge, die auf Lebensmittelrationen angewiesen sind. Entlang der Grenze zu Südsudan stehen mittlerweile die größten Flüchtlingslager weltweit. Die meisten Lebensmittel werden jetzt dort verteilt. Doch jetzt sind auch in Uganda die Lebensmittelpreise so hoch und das Angebot so knapp, dass es selbst für die Ugander nicht mehr reicht. Bereits 2016 musste das UN-Welternährungsprogramm WFP die Lebensmittelrationen an Flüchtlinge um die Hälfte kürzen, teilte stattdessen mehr Bargeld aus.
Doch auch das Geld wird jetzt knapp. US-Präsident Donald Trump hat in seinem Budget-Plan unter dem Motto "America first" Kürzungen von Hilfsgeldern angekündigt. Davon betroffen sind vor allem UN-Hilfswerke wie das WFP und das Flüchtlingshilfswerk UNHCR, die je rund 40 Prozent ihrer Gelder aus den USA beziehen.
Quelle: ntv.de