Habeck zu Selenskyj-Aussagen "Was Donald Trump dort macht, ist Verrat"


Donald Trump bezeichnet den ukrainischen Präsidenten Selenskyj als "Diktator" und bekommt dafür Lob aus Moskau. Für Vizekanzler Robert Habeck ist das "Verrat". Europa müsse sich eigene Formate zur Unterstützung der Ukraine überlegen. Mit Blick auf den Wahlsonntag gibt Habeck Prozent-Ziele aus.
"Das ist wirklich schlimm", sagt Robert Habeck, Kanzlerkandidat der Grünen, über die Aussagen des US-Präsidenten. Donald Trump hatte den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj scharf kritisiert und als "Diktator" bezeichnet. "Das hat schon etwas von George Orwell, wo Wahrheit Lüge und Lüge auf einmal Wahrheit wird. Denn die Ukraine ist ein überfallenes Land, der Kriegstreiber ist Putin", sagte Habeck im Interview mit RTL und ntv.
Dass die USA, die ja eigentlich die Gründungsnation der liberalen Demokratie seien, sich jetzt auf die Seite Putins schlagen, müsse in Europa alle Alarmglocken läuten lassen. Europa müsse jetzt schnell Entscheidungsstrukturen aufbauen und der Ukraine schnell helfen. "Wir müssen uns auf unsere eigene Stärke berufen und diese entwickeln. Das, was Donald Trump dort macht, ist Verrat. Anders kann man es nicht nennen", so Habeck am Donnerstag.
Im Moment werde über die Köpfe der Betroffenen hinweg von den Amerikanern und den Russen entschieden. Das sei schon fast eine Gebietsaufteilung wie zu Zeiten des Imperialismus vor 100 Jahren. Das könnten die Europäer nicht hinnehmen. "Wir müssen unseren eigenen Krams machen", so Habeck, und das bedeute schnelle Entschlüsse nach der Bundestagswahl. Auch die Linke, die es wohl in den Bundestag schaffen wird, müsse sich dazu jetzt mal positionieren.
Eine europäische Armee ist dabei laut Habeck aber das "Allerletzte", worüber man nachdenken müsse. Stattdessen fordert er "eine europäische Finanzierung der Unterstützung der Ukraine". Habeck: "Wir haben im Moment 27 verschiedene Rüstungsindustrien, 27 verschiedene Armeen in Europa." Diese "Kleinstaaterei" sei viel zu teuer. Die Nationalstaaten müssten auch bereit sein, Kompetenzen nach Europa zu geben.
Habeck schließt Rot-Rot-Grün "natürlich nicht" aus
Grundsätzlich freue er sich aber über die Linke im Bundestag, sagte Habeck mit Blick auf das mutmaßliche Ergebnis der Bundestagswahl am Sonntag. Es gebe viele Überschneidungen bei den Interessen, besonders im sozialen Bereich. Bei der Ukraine-Politik sei der Unterschied dagegen dramatisch. Außerdem könnten die Grünen eben keinen rigiden Oppositionskurs fahren. "Die Linke sagt, 'nie reden wir mit der Union' und das verbietet sich aus meiner Sicht für uns", sagte Habeck.
Die Bürgerinnen und Bürger müssten sich auf den letzten Metern überlegen, ob sie nur eine laute Opposition für Klimaschutz, für Demokratie, gegen Rechtsradikalismus, für humane Flüchtlingspolitik haben wollen oder ob diese auch in Machtoptionen umgesetzt werden sollten. Das sei das Angebot der Grünen.
Auf Nachfrage sagte Habeck zudem, dass er eine Rot-Rot-Grüne-Koalition "natürlich nicht" ausschließen würde. Verantwortlich für den Erfolg der Linken - in den Umfragen - im RTL/ntv-Trendbarometer liegt die Partei bei 7 Prozent - ist aus Sicht des Grünen-Politikers die von Friedrich Merz herbeigeführte gemeinsame Abstimmung von Union und AfD im Bundestag: "Dass die Linke jetzt wächst, hat Friedrich Merz gemacht. Hat er sich wahrscheinlich nicht so vorgestellt."
Habeck beharrt auf Verbrenner-Aus für Regierungsbeteiligung der Grünen
Für eine mögliche Regierungsbeteiligung der Grünen nach der Wahl macht Habeck die Einhaltung der Klimaschutzziele zur Bedingung. Dafür müsse vor allem im Verkehrsbereich nachgeschärft werden. "Fossile Fahrzeuge nach 2035 in der Neuzulassung, die müssen aus dem Verkehr raus, sonst […] kann man die Klimaschutzziele nicht einhalten. Und wir werden natürlich nicht in eine Regierung gehen, wo wir die Klimaschutzziele nicht einhalten können", so Habeck.
Zwar gehe die Welt nicht unter, wenn 2045 noch Rettungshubschrauber mit Diesel fliegen. Sich aber jetzt schon nicht mehr den schwierigen politischen Debatten zu stellen, scheide für ihn aus. "Also eine Regierung, die sich die schwierigen Debatten nicht zumuten will, die braucht kein Mensch. Wenn das die Ansage ist der Union, dann werden wir nicht dabei sein", so Habeck.
14 bis 15 Prozent wären für Habeck ein gutes Ergebnis
Damit die Grünen eine Regierungsoption haben, brauche es etwa 14 bis 15 Prozent der Stimmen. Das wäre aus Sicht Habecks ein gutes Ergebnis. "In die Dimension müssen wir rein. Und je mehr Prozente wir haben, umso klarer ist die Regierungsoption, damit wir dann für die Inhalte verhandeln können."
Anders als die SPD, die etwa 10 Prozent verlieren werde und sich sozusagen in eine Regierung "rette", wolle er eine Option haben, für die Inhalte zu kämpfen. Bei der letzten Bundestagswahl 2021 kamen die Grünen mit Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock auf 14,7 Prozent der Stimmen.
Über einen Rücktritt aus der Politik will Habeck offenbar nicht nachdenken. Auf Nachfrage, ob er den ausschließt, sagt er: "Erst mal kämpfe ich für ein starkes Wahlergebnis und dann will ich eine Regierungsoption haben und die Grünen versuchen, in die Regierung einzuführen, wenn denn die Inhalte das hergeben." Die Vorfreude auf den Wahlabend hält sich bei Habeck offenbar in Grenzen. "Das ist ein normaler Termin in einem Kalender eines Politikers. Freuen, also im Sinne von Spaß haben, mit netten Leuten reden und so, das ist drumherum. Der Wahlabend ist ein normaler Abend im Laufe des Jahres."
Quelle: ntv.de