Politik

Tathergang, Motiv, Verdächtiger Was ist über das Fico-Attentat bekannt?

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Der Schock über das Attentat auf den slowakischen Premier Fico ist groß. Ihm soll es nach einer Not-Operation besser gehen. Gerätselt wird nun über das Motiv des Tatverdächtigen. In einer Befragung durch die Polizei deutet er Ärger über eine Reform der Regierung an.

Wie geht es Fico?

Der slowakische Regierungschef Robert Fico wurde nach dem Attentat auf ihn notoperiert. Laut Vize-Ministerpräsident Tomas Taraba ist die OP gut verlaufen. Fico ist außer Lebensgefahr, sagte er der BBC. "Ich denke, dass er am Ende überleben wird", so Taraba weiter. Über den konkreten Zustand gibt es jedoch keine Angaben. Fico war durch Schüsse schwer verletzt worden. Er wurde dafür in ein Krankenhaus der Regionalhauptstadt Banska Bystrica gebracht, sein Zustand wurde zwischenzeitlich von mehreren Ministern als "lebensbedrohlich" und "außerordentlich ernst" beschrieben. Ein Sprecher des Krankenhauses erklärte gegenüber dem "Guardian", dass er allerdings die gesamte Zeit bei Bewusstsein gewesen sei.

Was ist genau passiert?

Fico war am Mittwoch gegen 14.30 Uhr nach einer Kabinettssitzung im Kulturhaus der Kleinstadt Handlova - etwa 160 Kilometer nordöstlich der Hauptstadt Bratislava - ins Freie getreten. Hinter Absperrgittern warteten Menschen, vorrangig Anhänger Ficos. Der Ministerpräsident ging auf die Menschen zu, um sie zu begrüßen. Laut dem Lokalfernsehsender RTV Prievidza drängte sich ein Mann an den Zaun, er soll Fico laut zu sich gerufen haben und aus unmittelbarer Nähe fünf Schüsse auf ihn abgegeben haben. Einem Journalisten der Zeitung "Dennik N" zufolge sollen vier Schüsse gefallen sein. Laut Innenminister Matus Sutaj-Estok erlitt Fico ein sogenanntes Polytrauma, also mehrere Verletzungen. Wie viele Schüsse ihn trafen, ist unbekannt. Einem "Dennik N" zufolge soll er im Unterleib und im linken Arm getroffen worden sein. Der mutmaßliche Attentäter wurde zu Boden gebracht und ihm wurden Handschellen angelegt. Zwei Leibwächter trugen Fico, der sichtbar Probleme hatte zu laufen, zu seiner Limousine und fuhren schnell davon.

Wer ist der Verdächtige?

Bei dem Tatverdächtigen soll es sich laut Innenminister Sutaj Estok um einen 71-Jährigen handeln. Er soll Juraj C. heißen und früher Mitarbeiter eines Sicherheitsdienstes in einer Shoppingmall gewesen sein. Das berichtet unter anderem der "Guardian". Andere Quellen behaupten, er sei Schriftsteller. Im "Spiegel" ist von einem Literaturklub die Rede, dessen Gründer der Verdächtige sein soll. Zudem sei er Mitglied der offiziellen slowakischen Schriftstellervereinigung, was diese auf Facebook bestätigte. Sie kündigte an, die Mitgliedschaft "dieser abscheulichen Person" zu kündigen, sollten sich die Vorwürfe erhärten. Er soll im Zentrum der Slowakei leben, laut "Spiegel" in der Stadt Levice. Die Stadt ist etwa 75 Kilometer von Handlova entfernt.

Nach AFP-Recherchen veröffentlichte der Mann politische Statements in Onlinenetzwerken. Vor acht Jahren sagte er beispielsweise, die Welt sei "voller Gewalt und Waffen" und die Menschen schienen "verrückt zu werden". Zudem soll er sich besorgt über Immigration und "Hass und Extremismus" geäußert haben. Er selbst habe daher eine "Bewegung gegen Gewalt" gegründet.

Was ist über das Motiv bekannt?

Das Motiv ist bisher nur vage bekannt. Der Tatverdächtige selbst soll sich übereinstimmenden Medienberichten zufolge in einer Vernehmung auf einer Polizeistation wie folgt geäußert haben: "Ich stimme der Regierungspolitik nicht zu." Er soll sich in dem Video, das Medien zur Verfügung gestellt wurde, nur undeutlich geäußert haben, aber die Medienreform Ficos angeprangert haben. Offiziell bestätigt wurde das zunächst nicht. Der Innenminister sagte bloß, der Täter habe laut polizeilicher Vernehmung "ein klar politisches Motiv" gehabt.

Gegen die Rundfunkreform gehen seit Wochen Tausende Menschen in der Slowakei auf die Straße. Ficos Regierung beschloss eine viel kritisierte Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, die nach Ansicht von Journalistenverbänden und Oppositionsvertretern die Pressefreiheit untergräbt.

Der Sohn des Verdächtigen erklärte gegenüber dem slowakischen Nachrichtenportal "aktuality.sk", sein Vater besitze legal eine Waffe. Auf die Frage, ob sein Vater Hass auf Regierungschef Fico verspüre, antwortete er: "Er hat ihn nicht gewählt, mehr kann ich dazu nicht sagen." Auch die Frau des mutmaßlichen Täters wurde nach Medienberichten von der Polizei verhört.

Was sind die Folgen aus dem Attentat?

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Sutaj-Estok erklärte, dass die Behörden alles tun werden, um die Sicherheit der slowakischen Bevölkerung zu gewährleisten. Er rief zur Ruhe auf und fügte hinzu: "Wir können auf Hass nicht mit Hass antworten." Präsidentin Zuzana Caputova rief die Menschen auf einer Pressekonferenz im Präsidentenpalast in Bratislava dazu auf, "hasserfüllte Rhetorik zu unterlassen".

Die ansonsten hitzig geführte politische Debatte kam nach dem Attentat zum Stillstand. Eine turbulente Parlamentssitzung wurde am Nachmittag abgebrochen und auf unbestimmte Zeit vertagt. Die liberalen Oppositionsparteien sagten vorerst alle politischen Kundgebungen ab. Ursprünglich hatten sie für Mittwochabend zu einer Massendemonstration gegen die vom Populisten Fico geführte Regierung und deren Plan einer Auflösung des öffentlich-rechtlichen Radios und Fernsehens RTVS aufgerufen.

Quelle: ntv.de, als/dpa/AFP

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