Politik

Janosch Dahmen im Interview "Wir haben immer wieder Probleme mit der Datenlage"

Im November 2020 rückte der Grüne Janosch Dahmen für Katja Dörner in den Bundestag; inmitten der Pandemie. Der 39-jährige ausgebildete und praktizierende Arzt koordinierte bis dahin die Notarzteinsätze der Berliner Feuerwehr. Sein Schwerpunktthema: Covid-19.

Im November 2020 rückte der Grüne Janosch Dahmen für Katja Dörner in den Bundestag; inmitten der Pandemie. Der 39-jährige ausgebildete und praktizierende Arzt koordinierte bis dahin die Notarzteinsätze der Berliner Feuerwehr. Sein Schwerpunktthema: Covid-19.

Mehr zu testen wäre wesentlich sinnvoller, als weniger zu testen, sagt der Arzt und grüne Bundestagsabgeordnete Janosch Dahmen. Im Gespräch mit ntv erklärt er zudem, warum die Datenerfassung in Deutschland unbefriedigend ist und wir weiterhin Maske tragen sollten.

ntv: Das Robert-Koch-Institut spricht von "Unsicherheit" bei der Frage, wie viele Menschen in Deutschland eigentlich schon geimpft sind. Die Impfquote könnte auch höher liegen als bislang ausgewiesen, so das RKI. Was halten Sie von dem, was das RKI uns da nun präsentiert?

Janosch Dahmen: Das ist schon ausgesprochen ärgerlich. Wenn es jetzt hier neue Unklarheiten gibt, müssen diese dringend aufgeklärt werden. Natürlich brauchen wir Gewissheit, wo noch Menschen ungeimpft sind und wo tatsächlich Impfungen erfolgreich durchgeführt wurden. Wir wollen ja noch zusätzliches Tempo in die Impfkampagne bekommen.

Es ist nicht die erste Datenpanne beim RKI …

Über den gesamten Verlauf der Pandemie sehen wir leider, dass wir immer wieder in Deutschland Probleme mit der Datenlage haben. Vernünftige und verlässliche Daten sind aber die Voraussetzung für eine realistische Lageeinschätzung. Und dann auch das Herleiten der notwendigen Maßnahmen.

Wenn es wirklich stimmt, was das RKI vermutet, also dass die Impfquote in Wirklich doch deutlich höher liegt, sind dann die Regeln, die gerade von der Ministerpräsidentenkonferenz beschlossen worden sind, überzogen?

Grundsätzlich ist 3G der richtige Weg …

… Geimpft, genesen oder getestet als Zugangs-Voraussetzung für Menschen zu Veranstaltungen …

Genau. 3G ist richtig, weil es ja darum geht, Gefahren von bisher ungeimpften Menschen, die sich - beispielsweise Kinder - ja auch teilweise nicht impfen lassen können, abzuwenden. Insofern halte ich diese Regeln für gut und richtig. Sie gehen mir sogar in Teilen nicht weit genug.

In welcher Hinsicht?

Ich glaube, es wäre bei ansteigenden Infektionszahlen, auch ansteigenden Intensivbelegungszahlen, ganz grundsätzlich besser, mehr zu testen. Und nicht weniger zu testen. Insofern halte ich es auch für falsch, dass jetzt kostenlose Tests abgeschafft werden sollen. Das ist ein wichtiges Instrument, wie wir ja gerade erst in der dritten Welle gelernt haben.

Hinzu kommt die Problematik, dass auch Geimpfte sich mit dem Coronavirus anstecken. Kann man da so pauschal sagen, dass von Geimpften keine Gefahr ausgeht?

Wenn ich von Patientinnen und Patienten gefragt werde: "Macht es überhaupt Sinn, sich impfen zu lassen, wenn ich mich dann trotzdem noch anstecken kann?", dann erkläre ich immer, dass die Wahrscheinlichkeit, sich als Geimpfter anzustecken, deutlich geringer ist als bei einem Ungeimpften. Es ist aber tatsächlich so, dass, wenn ich mich als Geimpfter anstecke, ich zwar selbst in der Regel nicht schwer erkranke und somit gut geschützt bin, aber für eine gewisse Zeit auch das Virus in mir trage.

Und dass Sie dann an auch ansteckend sind.

Aber der Zeitraum, an dem ich gegebenenfalls ansteckend bin, wenn ich mich überhaupt anstecke als Geimpfter, der ist viel kürzer als bei Ungeimpften. Insofern macht es in mehrerer Hinsicht Sinn, sich auf jeden Fall impfen zu lassen. Um selbst geschützt zu sein und möglichst wenige andere anstecken zu können. Aber Schutzmaßnahmen wie das Masketragen sind daher auch für Geimpfte zunächst weiter wichtig.

Menschen, die sich mit Covid infizieren, obwohl sie geimpft sind und vielleicht nur leichte Symptome haben, sind diese auch vor langfristigen Folgen gefeit? Stichwort Long Covid?

Leider ist es nicht so, dass wir direkt herleiten können, dass Menschen, die schwer krank waren, auch automatisch diejenigen sind, die dann an Long Covid leiden und umgekehrt. Die, die wenig Symptome oder gar keine Symptome haben, sind nicht automatisch auch langfristig geschützt. Sondern es ist durchaus so, dass Menschen sich infizieren, kaum krank werden und dann erst Wochen später an Long Covid zu leiden haben. Insofern bleibt diese Gefahr durch eine Infektion weiter für alle bestehen und muss extrem ernst genommen werden. Man kann jetzt mit Blick auf das kommende Jahr sagen: Werden wir nicht mehr Menschen impfen, dann müssen wir damit rechnen, im kommenden Jahr bis zu eine Million Long-Covid-Patienten zu bekommen. Das wäre dramatisch und würde auch für sich genommen unser Gesundheitssystem nochmal vor ganz neue Herausforderungen stellen.

Mit Janosch Dahmen sprach Isabelle Körner

Quelle: ntv.de

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