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Ein Monat voller Affären Großes Amt, kleiner Mann

Augen zu und durch: Wulffs Taktik wird ihm langfristig schaden.

Augen zu und durch: Wulffs Taktik wird ihm langfristig schaden.

(Foto: dapd)

Christian Wulff hätte den Notausgang nehmen können und wäre der deutschen Politik erhalten geblieben. Stattdessen unterhält er das Publikum Tag für Tag mit einem neuen Akt seiner absurden Komödie und beweist dabei: Er ist dem Amt nicht gewachsen.

Nun lässt er sich wieder bitten. Auch seine wichtigsten Unterstützer aus der CDU sind es langsam leid und drängen Christian Wulff dazu, sein öffentliches Versprechen wahr zu machen und seine Antworten auf Journalistenfragen offen zu legen. Doch zu spät: Ein großer Teil davon wird nun von den Journalisten selbst veröffentlicht und der Bundespräsident verpasst mal wieder eine Chance, selbst für Klarheit gesorgt zu haben.

Wer am Ende diese Texte ins Internet stellt – eine Lappalie. Trotzdem interessiert sich die deutsche Öffentlichkeit weiter für das Thema, verfolgt die Trippelschritte, mit der sich die Affären rund um Kredite, Urlaube und Anrufe aufklären. Dabei geht es längst nicht mehr darum, wie viel Geld eine Übernachtung bei einem Unternehmer kosten sollte, ob es einem Politiker zusteht, sich etwas Beinfreiheit im Flugzeug spendieren zu lassen und welche Formulierungen nun genau auf den Anrufbeantwortern von Journalisten zu finden sind.

Es geht um mehr: Christian Wulff hat sich in das höchste Amt des Staates wählen lassen und schrumpft nun vor unseren Augen in sich zusammen. Die Deutschen wollen an ihrer Spitze einen Menschen sehen, zu dem sie aufschauen können, der Größe zeigt. Wer sich mit Homestorys von einer Boulevardzeitung abhängig macht, macht sich kleiner als diese Zeitung. Wer sich die Businessclass nicht selber leisten will, macht sich kleiner als die Businessclass. Wer sich von einem Unternehmer aushalten lässt, macht sich kleiner als der Unternehmer. Und wer sich von den Medien Antwort um Antwort entlocken lässt, macht sich kleiner als die Medien.

Paragraphen statt ethischer Normen

Der Bundespräsident hat die Chance verpasst, seine Krise in die Hand zu nehmen.

Der Bundespräsident hat die Chance verpasst, seine Krise in die Hand zu nehmen.

(Foto: dpa)

So richtig handfest sind die Vorwürfe gegen Wulff bisher nicht. Keiner bekommt ihn so richtig zu packen, weil der Jurist immer entgegnen kann: Es war zwar vieles nicht richtig, aber alles juristisch okay. Und da kommt Unbehagen auf: Der Bundespräsident orientiert sich am Wortlaut der Paragraphen anstatt an ethischen Normen. Was nicht ausdrücklich verboten ist, ist nach seiner Lesart erlaubt. Dabei sollte gerade er auf moralischem – und nicht auf juristischem – Gebiet Maßstäbe setzen. Eben weil er sich seinen Kredit nicht vom Unternehmer Egon Geerkens sondern von dessen Frau finanzieren ließ, entsteht der Eindruck: Da sucht sich jemand bewusst die juristischen Lücken, deren Ausnutzung so gerade nicht strafbar ist. Der Eiertanz, der notwendig ist, um diese Praktiken zu verteidigen, löst beim Volk das Gefühl der Fremdscham aus.

Wie ein Politiker bei einem persönlichen Fehlverhalten mit einem blauen Auge davon kommt, hat Karl-Theodor zu Guttenberg vorgemacht: Auch er hat erst einmal alles abgestritten und sich als Opfer einer Medienkampagne inszeniert. Dabei verpasste er es aber nicht, die Fassade des weltläufigen Staatsmannes aufrecht zu erhalten – mit der neuen Information, dass er "menschliche Schwächen" habe. Als Guttenberg einsah, dass er den Kampf um sein glänzendes Image nicht gewinnen konnte, dankte er ab und verschwand vorübergehend in die USA. Wenige Monate später wird er schon wieder für politische Ämter gehandelt.

Genau einen Monat nachdem die Affäre Wulff öffentlich ins Rollen gekommen ist, hat der Bundespräsident dagegen den Moment zum Abspringen schon lange verpasst. Er hätte in der öffentlichen Wahrnehmung ein Politiker werden können, der Fehler macht, diese aber auch eingestehen und souverän damit umgehen kann. Damit hätte er Größe demonstriert. Wie Guttenberg hätte er in einem Jahr wieder da sein können. Stattdessen wird seine bisher steile Karriere mit der nächsten Bundesversammlung enden – wann auch immer die einberufen wird.

Quelle: ntv.de

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