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"Fritze Merz"? Ernsthaft? Olli Scholz hat zu viel Trump geguckt

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Macht er jetzt auf Trump? Scholz hat sich gegenüber Merz im Ton vergriffen.

Macht er jetzt auf Trump? Scholz hat sich gegenüber Merz im Ton vergriffen.

(Foto: picture alliance/dpa)

Im ZDF bezeichnet Kanzler Scholz seinen Rivalen Merz von der CDU als "Fritze". Ist aus dem einstigen "Scholzomaten" über Nacht ein Möchtegern-Trump geworden? Hoffentlich nicht.

Es gibt diese Sätze, die herumschwirren und ständig wiederholt werden. Einer davon: Was in den USA passiert, kommt fünf Jahre später auch bei uns in Deutschland an, im Guten wie im Schlechten. Viele denken dabei an die Politik, zum Beispiel das Phänomen Donald Trump. Sein Markenzeichen: Seine Gegner beleidigen. Hillary Clinton nannte er "Crooked Hillary" (etwa: "Ganoven-Hillary"), Joe Biden wurde bei ihm zu "Sleepy Joe" ("Verschlafener Joe") und jüngst gab es noch die "lügende Kamala Harris".

Offenbar hat auch Bundeskanzler Olaf Scholz diesen Satz über die fünf Jahre gehört. Die Ära Trump erlebt nach vier Jahren Pause ein Revival und wird nach dem erneuten Wahlsieg insgesamt voraussichtlich acht Jahre dauern. Ist der Erfolg Trumps ein Grund für Scholz, sich ein Beispiel an dem rüpelnden Republikaner zu nehmen ? Am Dienstagabend nannte Scholz seinen CDU-Rivalen Friedrich Merz im ZDF "Fritze Merz" und meinte, der erzähle gern "Tünkram", plattdeutsch für Unsinn. Und damit hat er eine Tür aufgestoßen, die er ganz schnell wieder schließen sollte.

Wütend sein kann man schon, aber ...

Denn auch wenn "Fritze" nicht so übel ist wie "Crooked Hillary", es ist ein Schritt in Richtung dieses Niveaus. Klar, im Bundestag war es am Nachmittag richtig rund gegangen und Merz hatte den Kanzler auch nicht geschont. Der CDU-Chef hatte gesagt, Scholz habe sich bei einem Treffen des Europäischen Rates geweigert, etwas zu sagen. Merz warf ihm vor, peinlich zu sein und Deutschland zu blamieren. Das war schon hart an der Grenze. Oder auch ein Stück drüber. Zumal man gar nicht so genau weiß, ob diese Anekdote überhaupt stimmt.

Aber Scholz hatte zuvor ebenfalls schon kräftig ausgeteilt. FDP-Chef Christian Lindner sprach er die sittliche Eignung ab, in einer Regierung zu sein. Nun wirft das Verhalten der FDP tatsächlich Fragen auf. Hat sie sich nach außen hin zur Ampel bekannt, aber nach innen hin den Ausstieg aktiv vorangetrieben? So berichteten "Süddeutsche Zeitung" und "Zeit". Wusste Lindner von dem D-Day-Papier, in dem der Ausstieg Schritt für Schritt durchgeplant war? Der FDP-Chef sagt nein - seine Partei habe gemeinsame Neuwahlen angestrebt, falls es zu keinem Politikwechsel kommen würde.

Wie auch immer, eines kann man dem FDP-Chef nicht vorwerfen: Dass er FDP-Politik machen wollte. Dass er nicht zu Kompromissen fähig schien, dagegen schon. Dass er nicht früher die Konsequenzen zog, ebenfalls. Aber diese Eindeutigkeit, mit der Scholz ihn zusammenstaucht, auch nachdem er Lindner entlassen hatte, die ist eindeutig von seinem eigenen Interesse getrieben: Den Frust der Menschen über die Ampel-Regierung vollständig bei der FDP abzuladen.

Es gibt bessere US-Vorbilder als Trump

Scholz hat natürlich das Recht, wütend auf Lindner zu sein und sich über Merz zu ärgern. Aber dass er sich im Griff hat, wenn er möchte, wissen wir. Den Beinamen "Scholzomat" hat er sich über Jahre hart erarbeitet. Er wollte also austeilen. Vielleicht denkt er, von Trump lernen heißt siegen lernen? Dass man mit dem alten, vornehm-gediegenen Habitus der Spitzenpolitiker keinen Blumentopf mehr gewinnt? Dass man mal mutig dazwischen grätschen muss, damit die Menschen merken: Die sind nicht alle gleich?

Mag sein. Aber wenn er schon glaubt, man muss die Amerikaner nachmachen, könnte er sich auch ein anderes Vorbild suchen. Michelle Obama zum Beispiel. Die sagte einmal über die ständigen Angriffe Trumps und der Republikaner: "When they go low, we go high" (Frei übersetzt: "Wenn sie unter die Gürtellinie gehen, stehen wir darüber"). Hoffentlich dauert es nicht fünf Jahre, bis diese Haltung in Deutschland eintrifft.

Quelle: ntv.de

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