Nordrhein-WestfalenRegierung verteidigt Klimaziele - SPD: Wüst ist ein "Tutnix"

Die Landesregierung hält an ehrgeizigen Klimazielen fest. Doch intern gibt es Zweifel, ob Nordrhein-Westfalen bis 2030 eine klimaneutrale Verwaltung schaffen kann.
Düsseldorf (dpa/lnw) - Nordrhein-Westfalens Wirtschafts- und Klimaschutzministerin Mona Neubaur (Grüne) hat Vorwürfe einer Kehrtwende des Landes in der Klimapolitik zurückgewiesen. "Unser Anspruch als Landesregierung bleibt: Nordrhein-Westfalen soll die erste klimaneutrale Industrieregion Europas werden", sagte Neubaur in einer Aktuellen Stunde im Landtag. An diesem Ziel werde nicht gerüttelt.
Die Landesregierung werde das Klimaschutzgesetz novellieren, kündigte Neubaur an. Der neue Entwurf werde in ein "Fortschrittsgesetz münden - mit dem klaren Bekenntnis, dieses Land und seine Institutionen, seine wirtschaftlichen und industriellen Strukturen klimaneutraler aufzustellen", versprach die stellvertretende Ministerpräsidentin.
Neubaur: Pragmatismus nötig
NRW könne nur mit einer starken Wirtschaft und einer starken Industrie klimaneutral werden, sagte die Grünen-Politikerin. Die aktuellen Herausforderungen wie die hohen Energiepreise, die US-Zollpolitik und der mangelnde Schutz der heimischen Wirtschaft erforderten jedoch "flexible, pragmatische Antworten", räumte Neubaur ein.
Sie verteidigte in diesem Zusammenhang, den von der schwarz-grünen Landesregierung mitunterzeichneten Chemiepakt NRW, in dem Lockerungen für die Industrie beim europäischen Zertifikatehandel zur Reduktion von CO2-Emissionen gefordert werden. Diese Reform werde vorgeschlagen, "damit nicht wirtschaftliche Schwächen die Investitionen in Klimaschutz verhindern", so Neubaur. Noch im Oktober hatte die Ministerin Forderungen der SPD-Landtagsfraktion nach einer Aussetzung oder Lockerung des Emissionshandels als ein falsches Signal bezeichnet.
Zweifel an den ehrgeizigen Klimazielen
Die Opposition im Landtag bezweifelte, dass die schwarz-grüne Landesregierung ihre Klimaziele erreichen werde. Der Anlass für die grundsätzliche Debatte über die Klimaschutzpolitik von CDU und Grünen war eigentlich ein Detailaspekt, und die zwar bereits von der rot-grünen Vorgängerregierung im Klimaschutzgesetz verankerte Verpflichtung, eine klimaneutrale Landesverwaltung bis 2030 zu schaffen. Dieses Ziel hatten sich dann auch CDU-geführte Regierungen zu eigen gemacht.
So sollen zum Beispiel Landesgebäude mit Photovoltaik ausgerüstet, energetische Sanierungen vorangetrieben und der Fuhrpark der Verwaltung auf Elektroautos umgestellt werden. Laut Informationen des WDR-Magazins "Westpol" heißt es nun in einem internen Vermerk aus dem Verwaltungsapparat eines Ministeriums, dass das Klimaneutralitätsziel bis 2030 nicht zu erreichen sei. Es gebe keine vollständige Datenerfassung des CO2-Ausstoßes, keine belastbare Strategie und keine ausreichenden finanziellen Mittel für die nötigen energetischen Sanierungen.
"Sie phantasieren von der ersten klimaneutralen Region Europas", sagte SPD-Oppositionsführer Jochen Ott. "Aber Sie sind nicht einmal in der Lage, die eigenen Verwaltungsgebäude zu sanieren."
Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU) räumte ein, dass viele jahrzehntealte Landesgebäude in NRW wie etwa Gerichte "jetzt in extremem Maße sanierungsbedürftig" seien. Diese müssten nicht nur baulich, sondern auch energetisch saniert werden. "Das ist ein Riesenaufwand." Das Land werde die energetische Sanierung der Verwaltungsgebäude etwa durch den Einbau von LED-Beleuchtung, Wärmepumpen und Photovoltaik-Anlagen, wo es wirtschaftlich und statisch auch möglich sei, vorantreiben, sagte Optendrenk. Dafür werde das Land auch Mittel aus dem Sondervermögen des Bundes einsetzen.
Wüst: Halten an Ziel fest
Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) hatte am Dienstag vor Journalisten auf die Frage, ob das Klimaziel für die Landesverwaltung noch zu erreichen sei, gesagt: "Ich fühle mich weiter dem Thema Klimaschutz verpflichtet." Das Thema scheine jedoch gelegentlich angesichts vieler anderer Probleme in Vergessenheit zu geraten.
Die schwarz-grüne Landesregierung habe teilweise die Ziele der Vorgängerregierung weitergeschrieben und nehme diese auch mit Blick auf die Vielzahl der Liegenschaften des Landes ernst, sagte Wüst. Das sei herausfordernd. "Aber an dem Ziel halten wir fest: Daran arbeiten wir weiter, weil das wichtig ist."
SPD bemüht Asterix
Wüst präsentiere im Netz "eine schöne neue klimaneutrale Welt", spottete der SPD-Abgeordnete Alexander Vogt. Aber die Realität in vielen Polizeipräsidien, Universitäten oder Verwaltungsgebäuden sehe anders aus: "marode, ineffizient, sanierungsbedürftig". Weder die klimaneutrale Landesverwaltung noch der Braunkohleausstieg würden bis 2030 gelingen, prognostizierte Vogt und zog einen Vergleich zu Asterix-Comics: "Herr Wüst, beim nächsten Karneval sollten Sie mit Gallier-Helm gehen - als Tutnix."
Die AfD warf der Landesregierung einen "Klima-Sozialismus" vor. Wüst und Neubaur hätten den Bezug zu den einfachen Menschen verloren, sagte der Abgeordnete Christian Loose.
Nach Ansicht der FDP hat sich die Landesregierung mit ihren Klimazielen überfordert. Es fehle ein Modernisierungskonzept für die Landesverwaltung und strategische Führung, sagte der FDP-abgeordnete Dietmar Brockes.