Nach Disqualifikation in Mexiko Zverev bereut und erhält Unterstützung
23.02.2022, 14:50 UhrEs wirkt wie ein Rückfall in scheinbar überwundene Zeiten. Beim Turnier in Acapulco verarbeitet Alexander Zverev eine strittige Entscheidung mit Schlägen gegen den Stuhl des Schiedsrichters. Auf die Disqualifikation folgt viel Kritik - aber auch Unterstützung vom Deutschen Tennis-Bund.
Alexander Zverev marschierte wild fluchend auf Schiedsrichter Alessandro Germani zu und verlor dann komplett die Fassung. Voller Wucht schlug die deutsche Nummer eins immer wieder mit dem Schläger gegen den Hochstuhl des Italieners, der erschrocken seinen Fuß zurückziehen musste. Die Zuschauer reagierten entsetzt, die ATP disqualifizierte Zverev für den restlichen Turnierverlauf in Acapulco.
Der 24-Jährige meldete sich jetzt via Instagram-Story. "Es ist schwer in Worte zu fassen, wie sehr ich mein Verhalten während und nach dem gestrigen Doppel bereue", schrieb er. Sein Ausbruch sei "falsch und inakzeptabel" gewesen, er sei von sich "selbst enttäuscht". Der Olympiasieger schrieb weiter: "Es hätte einfach nicht passieren dürfen und es gibt keine Entschuldigung." Dennoch betonte er: "Ich möchte mich auch bei meinen Fans, dem Turnier, dem Sport, den ich liebe, entschuldigen." Und: "Wie man weiß, gebe ich alles auf dem Platz. Gestern war es eindeutig zu viel." Er wolle darüber nachdenken, wie er so ein Verhalten in Zukunft vermeiden könne.
"Mir gefällt der Junge"
Dirk Hordorff, Vizepräsident des Deutschen Tennis-Bundes (DTB), wertete die Disqualifikation als durchaus streng. "Ich will sie nicht anzweifeln, aber da sind viele Spieler schon weniger hart bestraft worden", sagte er. Zverevs Aktion wertete er als Grenzüberschreitung, stellte sich aber auch vor den Weltranglistendritten. "Es gibt Regeln des Tennis und auch des Anstands, und da muss er sich als Profi im Zaum halten", sagte der langjährige Funktionär: "Aber ich werde auch nicht den Stab über ihn brechen. Mir gefällt der Junge, er hat viel Temperament." Generell würden Spieler mit "Ecken und Kanten" und "ein wenig Rebellentum" dem Tennis guttun.
Der Olympiasieger und Sportler des Jahres verspielte jedoch mit seinem indiskutablen Ausraster nicht allein die Chance auf die Titelverteidigung im Einzel, er fügte auch seinem mühsam aufpolierten Image frische Kratzer zu. In Rage gebracht hatte Zverev eine vermeintliche Fehlentscheidung im Tiebreak bei der Achtelfinal-Niederlage (2:6, 6:4, 6:10) im Doppel mit seinem Kumpel Marcelo Melo gegen ein britisch-finnisches Duo. Schon während der Partie hatte Deutschlands Nummer eins den Referee als "verdammten Idioten" bezeichnet, nach dem Match ließ er dann seine ganze Wut ungefiltert heraus.
Ein Benehmen, das die Veranstalter nicht duldeten. "Wegen unsportlichen Verhaltens am Ende seines Doppelmatches am Dienstagabend ist Alexander Zverev aus dem Turnier in Acapulco ausgeschieden", teilte die ATP prompt mit. Das deutsche Duell mit Peter Gojowczyk war geplatzt, der Münchner zog kampflos ins Viertelfinale ein, für Zverev ist das Turnier beendet.
Ganz schön viel Aufbauarbeit
Verbandschef Hordorff warf zudem die Frage auf, ob für Zverev nach der historischen Nachtschicht nicht auch so etwas wie "mildernde Umstände" gelten würden. Der Weltranglistendritte hatte erst am frühen Dienstagmorgen um 4.54 Uhr Ortszeit den US-Amerikaner Jenson Brooksby besiegt. So spät war noch kein Match auf Tourlevel zu Ende gegangen. Die Partie mit seinem Freund Melo, die Zverev offenbar viel bedeutete, stieg dann am Abend desselben Tages. Für Hordorff ein "Unding".
Zverev hatte zuletzt merklich Wert auf eine verbesserte Außendarstellung gelegt. Die Zeiten, in denen der einstige US-Open-Finalist regelmäßig seine Schläger zerhackte oder auch seinen Vater wüst beschimpfte wie beim ATP Cup 2020 schienen eigentlich vorbei. Auch die Unruhe abseits des Platzes nahm ab, er präsentierte sich insgesamt bodenständiger, reifer und gewann an Popularität.
An ein höchst erfolgreiches zweites Halbjahr 2021 mit dem Triumph in Tokio und dem Sieg bei den ATP Finals in Turin wollte der Aufschlaghüne eigentlich nahtlos in diesem Frühjahr anknüpfen. Er nahm seinen ersten Grand-Slam-Triumph und die Nummer eins der Weltrangliste ins Visier - doch bisher läuft es ganz anders als erhofft. Erst der Misserfolg bei den Australian Open, jetzt der bisherige Tiefpunkt seiner noch jungen Saison. Es gibt für Zverev einiges aufzuarbeiten.
Quelle: ntv.de, tsi/sid