Fußball

Jahrelang verspottet und nun das Einen verrückteren Fußball-Helden kann es nicht geben

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(Foto: IMAGO/Shutterstock)

Nach 109 Minuten ist Manchester United weg vom Fenster. Nach 109 Minuten erleben die Red Devils im Viertelfinale der Europa League den nächsten nicht zu fassenden Fußball-Horror. Doch dann passiert Unglaubliches, auch wegen Harry Maguire.

Der größte Chaot im europäischen Vereinsfußball drohte an diesem Donnerstagabend seine bemerkenswerte Abstiegsgeschichte fortzuschreiben. Manchester United hatte gegen Olympique Lyon wieder einmal alles getan, um sich zum Gespött zu machen. Und mittendrin war - natürlich - wieder Harry Maguire, das Phänomen. In den vergangenen Jahren hatte der einst teuerste Verteidiger der Welt einen zweifelhaften Fame erreicht. Videos mit seinen größten Aussetzern wurden zum Internet-Hype. Doch an diesem Donnerstagabend drehte der einst 87-Millionen-Euro teure Hüne die Geschichte um. In der 121. Minute drückte er einen Kopfball zum 5:4 über die Linie und schubste seine am Boden liegenden "Red Devils" aus der Europa-League-Hölle in den Himmel.

Nun soll der Titel her. Mit dem die kriselnden Red Devils die ganze Spielzeit retten wollen. "Wir wissen, dass wir unterperformt haben und die Kritik verdienen", sagte United-Teammanager Rúben Amorim. "Aber wir haben noch Zeit, etwas Besonderes aus dieser Saison zu machen." In der Liga ist das internationale Geschäft längst außer Reichweite. Die Europa League ist die letzte Gelegenheit, sich doch noch für einen Europapokal zu qualifizieren, es wäre sogar die Champions League.

Das war eines der "verrücktesten Spiele, die je erlebt habe", sagte Matchwinner Maguire. "So zurückzukommen, ja, das ist eine unglaubliche Leistung von allen in den letzten Minuten." Eine, die schöne, warme Erinnerungen an das Champions-League-Finale 1999 gegen Bayern München weckte.

In den englischen Medien geht die nun zweite spektakuläre Aufholjagd bereits als Epos durch. Als ein Spiel, über das man noch Jahre reden wird. Und womöglich als Spiel, in dem sich Maguire mit der Welt versöhnte. "MAG-NIFICENT - Harry Maguire rettet die Saison der Red Devils", titelte die "Sun". Die "Daily Mail" schrieb von einem "wundersamen Comeback" und einer "der verrücktesten Nächte in der Geschichte von United - und davon gab es einige". Aber die große Geschichte war eine andere, sie war die von Maguire.

Er war der Held, der verrückteste, den man sich vorstellen konnte. Wie oft war er verspottet worden, wie oft schon raus aus der Mannschaft. Aber er ließ alles abperlen an sich. Blieb, kämpfte, liefert seinem Team, zu dem er 2019 von Leicester City gestoßen war, diese unglaubliche Heldengeschichte. Erst Anfang des Jahres war Maguires Vertrag verlängert worden, mit dringenden Botschaften. "Ich habe heute Morgen mit ihm gesprochen und ihm gesagt, dass er sich auf dem Platz verbessern muss, wir brauchen ihn sehr", sagte Amorim. "Außerdem muss er sich als Führungspersönlichkeit verbessern. Wir alle kennen die Situation, die er hier hatte, aber wir brauchen ihn im Moment sehr." Dieser Moment war jetzt.

Was für ein unfassbarer Spielverlauf

Hätte dieses aberwitzige Spiel einen anderen Helden verdient gehabt? Nein. 2:2 war das Hinspiel ausgegangen. Beim Wiedersehen musste also ein Team gewinnen, um weiterzukommen. Und United ließ wenig Zweifel daran, dass sie es sein wollten. Nach all den Enttäuschungen der vergangenen Monate, Jahre, sollte mal wieder etwas Linderung schaffendes auf die Wunden des Riesen aufgetragen werden.

Nach zehn Minuten traf Manuel Ugarte, unmittelbar vor der Pause legte Diogo Dalot nach. Es stand 2:0, das Old Trafford erlebte einen magischen Abend. Im Theater der Träume wurde eine große Geschichte Wirklichkeit, dachte man. Dann brachte Lyon Sturm-Altmeister Alexandre Armand Lacazette - und drehte das Spiel. Vor dem 1:2 war er beim Kopfball eher am Ball als Maguire und machte so das Tor von Corentin Tolisso möglich (71.). Es war der Beginn es nicht guten Abends für Maguire. Beim 2:2 reagierte er nach einem Abpraller vom Pfosten gar nicht, Lacazette drückte den Ball ins Tor. Gut für Maguire: Der Ball war vorher schon hinter der Linie gewesen. Lyon rettete sich in die Verlängerung, United war am Boden. Und es wurde noch schlimmer, dramatisch, besser:

2:3 nach 105 Minuten: Maguire lässt dem eingewechselten Malick Fofana bei einem Konter sehr viel Platz zur Entfaltung, ehe der von Borussia Dortmund umworbene Mathis Rayan Cherki trifft.

2:4 nach 109 Minuten: Luke Shaw tritt Fofana im eigenen Strafraum voll auf die Füße und schenkt Lyon einen Elfmeter, Lacazette verwandelt. Das Theater der Träume versinkt im Albtraum.

Manchester United, Tabellen-14. der Premier League, zerstört von einem jahrelangen Missmanagement, litt erneut große Qualen. Gibt es wirklich nichts, das diesem Team erspart bleibt? Auf den Tribünen fließen Tränen. Dann plötzlich Hoffnung.

Und jetzt beginnt der Wahnsinn

3:4 nach 114 Minuten: Kapitän Bruno Fernandes nutzt ebenfalls einen Elfmeter. Geht da noch was?

4:4 nach 120 Minuten: Bruno Fernandes bedient Casemiro mit einem flachen Pass im Sechzehner. Der einst große Brasilianer von Real Madrid leitet mit dem Außenrist auf Kobie Mainoo weiter, der sich den Ball auf den rechten Fuß legt und in der langen Ecke verschwinden lässt. Old Trafford bebt, wackelt, hat keine Luft.

Elfmeterschießen. Nein. Sekunden nach dem 4:4 fliegt ein hoher Ball in den Lyoner Strafraum, dort hebt Maguire ab, längst zum Stürmer umfunktioniert. "Er weiß, wie man sich in diesem Raum verhält", begründete Amorim seine Maßnahme: "Er war der einzige, der mit dem Kopf ein Tor erzielen konnte." Und so kam es: Maguire hebt ab, steht in der Luft, köpft und der Ball senkt sich in die lange Ecke. Hatte Old Trafford schon gebebt, dann fliegt es nun auseinander. Manchester United gewinnt, Maguire rutscht verfolgt von seinen eskalierenden Mitspielern auf den Knien zu den Fans. Seine unausgesprochene Botschaft: Seht ihr, so wird das gemacht. Verrückt.

Quelle: ntv.de, tno

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