Tausendstel entscheiden 100 m Lyles krönt sich mit Fotofinish zum schnellsten Mann der Welt
04.08.2024, 22:03 Uhr
Noah Lyles ist der schnellste Mann der Welt.
(Foto: IMAGO/Inpho Photography)
Welch ein episches Rennen: Weltmeister Noah Lyles ist Olympiasieger über 100 Meter. Der 27-Jährige aus den USA sprintet in 9,79 Sekunden zu Gold - und liegt nur Tausendstel vor dem als zeitgleich notierten jamaikanischen Shootingstar Kishane Thompson.
Noah Lyles hüpfte wie wild auf und ab, er brüllte seine Freude und Erleichterung heraus - dann riss er sich seine Startnummer mit seinem Namen darauf von der Brust und hielt sie in alle Kameras. "Seht her, ich habe es allen gezeigt", sollte das wohl heißen. Und tatsächlich: Lyles zeigte im Stade de France eine spektakuläre Sprintshow, schnappte sich dank eines starken Schlussspurts in einer Tausendstel-Entscheidung das ersehnte Gold.
Mission erfüllt: Mit seinem Traumlauf hat Lyles sein Versprechen eingelöst und Olympia-Gold über die 100 Meter nach 20 Jahren wieder zurück in die USA geholt. Der Weltmeister rannte im spektakulären Finale von Paris mit 9,79 Sekunden Bestleistung und war damit nicht zu halten. Hinter Lyles sicherte sich Kishane Thompson (9,79/Jamaika) Silber, Bronze holte im Stade de France Fred Kerley (9,81). "Genau das wollte ich, diesen harten Kampf gegen unfassbar starke Gegner", sagte Lyles und brüllte: "Ich bin der Wolf unter den Wölfen."
Lyles, der Trainingsparter der deutschen Sprinterin Gina Lückenkemper, hatte sich im Vorfeld maximal unter Druck gesetzt, nur er, der dreifache Weltmeister von Budapest, könne Gold über die prestigeträchtigste aller Strecken mit nach Hause nehmen. "Je mehr Augen auf mich gerichtet sind, desto besser bin ich", sagte der 27-Jährige - und dann hielt er tatsächlich Wort.
Früher Depressionen, heute auf dem Weg zur Legende
Mit seinem unwiderstehlichen Goldlauf und in den US-Farben lackierten Fingernägeln versöhnte Lyles auch wieder die Heimat, schließlich mussten die USA seit 2004 auf einen Olympiasieger über die 100 Meter warten. Damals in Athen hatte Justin Gatlin triumphiert, danach begann die Ära des Jamaikaners Usain Bolt, in Tokio düpierte Überraschungssieger Marcell Jacobs (Italien) die US-Boys. Nun lieferte Lyles, was die Fans sehen wollten - und jubelte über seine erste Goldmedaille bei Olympischen Spielen.
Damit schloss Lyles auch persönlich seinen Frieden mit Olympia, bei den Pandemie-Spielen von Tokio litt er unter der sterilen Atmosphäre, er vermisste die Fans, seine Depressionen, die ihn seit seiner Jugend verfolgen, brachen wieder aus. Über die 200 Meter reichte es für ihn so nur zu Bronze. "Das ist nicht genug", schwor sich Lyles danach. Nun die eindrucksvolle Wiedergutmachung.
In Paris peilt Lyles noch dreimal Gold an, über die 200 Meter und mit den Staffeln über 4x100 und 4x400 Meter. Sein Ziel? Eine Legende werden, die Lücke von Usain Bolt schließen. Und Lyles könnte es tatsächlich schaffen, der Mann aus Florida bringt alles mit: Charisma, Charme, die Lust zur Show, flotte Sprüche - und eine bewegende Geschichte.
In der Highschool wurde Lyles oft gehänselt, er hatte eine Lernstörung, die Eltern ließen sich früh scheiden, seine Mutter Keisha zog ihn und den ebenfalls sprintenden Bruder alleine groß, nicht immer war genug Essen und Geld da. "Einmal wurde uns der Strom abgestellt", sagte Lyles. Hinzu kamen seine Depressionen. Doch Lyles biss sich durch, Weltverbands-Präsident Sebastian Coe nennt ihn einen "absoluten Rockstar". Und nun ist Lyles auch endlich Olympiasieger.
Quelle: ntv.de, dbe/sid