Ruf nach stabiler Regierung AfD-Erfolg schockt VW-Chef
25.09.2017, 16:05 Uhr
Geschlossene Grenzen sind nichts für die Wirtschaft.
(Foto: dpa)
Wirtschaftskapitäne sind global denkende Menschen. Dementsprechend entsetzt reagieren sie auf das Ergebnis der Bundestagswahl. VW-Chef Müller erwartet, dass nun die demokratische Stabilität in Deutschland auf die Probe gestellt wird.
Der Vorstandschef von Volkswagen, Matthias Müller, befürchtet wegen des Einzugs der AfD in den Bundestag negative Auswirkungen für Demokratie und Wirtschaft in Deutschland. "Das zweistellige Ergebnis für eine solche Protestpartei ist aus meiner Sicht schockierend. Es wird unser Land verändern und die demokratische Stabilität auf die Probe stellen", erklärte Müller in Wolfsburg. Deutschland sei in den vergangenen Jahrzehnten politisch und wirtschaftlich erfolgreich gewesen, weil es ein weltoffenes, tolerantes und international orientiertes Land sei.
"In der globalisierten Wirtschaftswelt führen nationaler Egoismus und Protektionismus in die Sackgasse - und am Ende zum Verlust von Arbeitsplätzen", warnte Müller. Volkswagen habe aufgrund seiner Geschichte eine besondere Verantwortung für Demokratie, Freiheit, Toleranz und Völkerverständigung. "Wir im Volkswagen Konzern stehen zu diesen Werten der europäischen und westlichen Zivilisation. Seit der Bundestagswahl mehr denn je", betonte der Konzernchef.
Das VW-Werk in Wolfsburg wurde von den Nazis kurz vor dem Zweiten Weltkrieg mit Geldern errichtet, die teilweise aus dem Vermögen der enteigneten Gewerkschaften stammten. Dies und der Einsatz von Zwangsarbeitern bildete die finanzielle Grundlage des Konzerns, der heute weltweit mehr als 600.000 Mitarbeiter beschäftigt.
"Kein gutes Ergebnis für die Republik"
Das Wahlergebnis der AfD löste auch bei Wirtschaftsverbänden besorgte Reaktionen aus. "Die AfD im Deutschen Bundestag schadet unserem Land", unterstrich Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer. Sein Kollege Hans Peter Wollseifer vom Handwerksverband ZDH erklärte, der Parlamentseinzug einer Partei, die auf Fremdenfeindlichkeit, Abschottung und Populismus setze, sei besorgniserregend.
Außenhandelspräsident Anton Börner beklagte, mehr als ein Fünftel der Wähler habe mit der AfD und der Linken radikale Parteien gewählt. "Das ist kein gutes Ergebnis für die Republik", sagte er.
Angst vor langer Hängepartie
In der Wirtschaft wird nun eine monatelange Hängepartie bei der Regierungsbildung erwartet. Das könnte das Land bei dringenden Zukunftsaufgaben wie der Behebung des Fachkräftemangels und der Digitalisierung bremsen, warnten Lobbyverbände. Außerdem wurde die Sorge laut, dass der Wahlerfolg der AfD den Wirtschaftsstandort Deutschland beschädigen könnte. Dagegen begrüßten einige Repräsentanten der Unternehmenswelt ausdrücklich, dass die als wirtschaftsnah geltende FDP die Rückkehr in den Bundestag schaffte.
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) legte eine neue Unternehmensumfrage vor. Demnach beklagen viele Firmen einen schleichenden Verlust an Wettbewerbsfähigkeit des Heimatstandortes. "Obwohl die wirtschaftliche Situation Deutschlands erheblich besser ist als vor der letzten Bundestagswahl 2013, beurteilen die Unternehmen die meisten Standortfaktoren heute schlechter", erläuterte DIHK-Präsident Eric Schweitzer. Vom künftigen Regierungsbündnis forderte er ein einen "Koalitionsvertrag für Investitionen". Als wichtigste Aufgabenfelder nannte Schweitzer den Fachkräftemangel und die Digitalisierung.
"Wenn der Pulverdampf des Wahlkampfes verzogen ist, sollten sich die regierungswilligen und -fähigen Parteien darauf konzentrieren, rasch eine handlungsfähige Regierung zu bilden", verlangte Arbeitgeberpräsident Kramer. Auch Schweitzer mahnte eine stabile Regierung an. Er warnte aber, dabei müsse Qualität vor Geschwindigkeit gehen.
"Unsere Unternehmen brauchen klare Signale", erklärte der Präsident des Industrieverbandes BDI, Dieter Kempf. "Es geht jetzt darum, Schaden vom Standort Deutschland abzuwenden." Bayer-Chef Werner Baumann stieß ins gleiche Horn. "Ich wünsche mir, dass die Politik sich nach zügiger Regierungsbildung schnell wieder den Sachthemen widmet, die unser Land voranbringen", betonte Baumann.
Quelle: ntv.de, wne/rts