Deutschlands Rückkehr zur D-Mark Allianz berechnet die Folgen
29.07.2012, 19:05 Uhr
"Ein weitaus stärkerer Schock als die Lehman-Krise": Die Allianz sieht Deutschland an das griechische Schicksal gebunden.
(Foto: picture alliance / dpa)
Was passiert, wenn der Euro nicht durchhält und die Währungsgemeinschaft auseinanderbricht? Mit deutlichen Worten umreißt Allianz-Chefvolkswirt Heise die Folgen für die Deutschen: Das Zurückschrecken vor der D-Mark sei "keine Panikmache".

Er rechnet die verschiedenen Szenarien durch: Michael Heise, der Chefvolkswirt des Versicherungskonzerns Allianz (Archivbild).
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Die korrekte Einschätzung von Risiken zählt für Europas größten Versicherungskonzern zu den wichtigsten Geschäftsgrundlagen: Angesichts der jüngsten Ereignisse hat sich der Chef-Ökonom der Allianz in einem Gastbeitrag für die "Welt" nun auch mit den Konsequenzen eines Euro-Austritt Griechenlands befasst.
Die jüngsten Rückschläge bei der Bekämpfung der Schuldenkrise scheinen mittlerweile auch für nüchterne Experten bislang kaum vorstellbare Szenarien in den Bereich des Möglichen zu rücken: Für Allianz-Chefvolkswirt Michael Heise lautete die Leitfrage seiner Überlegungen, mit welchen konkreten Auswirkungen die deutsche Wirtschaft zu rechnen hätte, sollte Griechenland - unter welchen Umständen auch immer - tatsächlich die Mitgliedschaft in der Währungsunion aufgeben.
Sein Ergebnis in Kurzform: Die Wiedereinführung der D-Mark im Falle eines Zusammenbruchs der Währungsunion würde Deutschland einen erheblichen Teil seines Wohlstands kosten und zudem zu einer Abwanderung von Arbeitsplätzen führen.
Alles in allem würde die deutsche Wirtschaft vier bis fünf Jahre nach einem Ende der Währungsunion "Produktionsverluste von bis zu 25 Prozent" erleiden", schreibt Heise in seinem Beitrag.
Es sei "keine Panikmache, wenn behauptet wird, dass ein Auseinanderbrechen der Währungsunion ein weitaus stärkerer Schock als die Lehman-Krise wäre", warnte Heise. Die deutsche Wirtschaft würde allein schon unter einer Aufwertung der D-Mark erheblich leiden. Zu rechnen sei mit einem Wertzuwachs von 15 bis 20 Prozent gegenüber allen Handelspartnern. Dadurch würden deutsche Produkte im Ausland teurer, was "binnen eines Jahres einen von bis zu 20 Prozent" mit sich brächte, schreibt Heise.
Gleichzeitig würde Deutschland auch von einer zu erwartenden Konjunktur- und Bankenkrise im europäischen Ausland in Mitleidenschaft gezogen werden. Deshalb wäre laut Heise "auf Sicht von zwei Jahren nach Wiedereinführung der D-Mark mit einem kumulierten Rückgang des Wirtschaftswachstums von etwa 15 Prozent zu rechnen".
Die Allianz öffnet ihre Bücher
Mit diesen kurzfristigen Effekten wäre es aber noch nicht getan. Auch in den Folgejahren würde die starke D-Mark eine erhebliche Belastung für den deutschen Exportsektor und die Wirtschaft insgesamt darstellen, erklärte der Allianz-Chefvolkswirt.
Unabhängig von diesen Einschätzungen ihres führenden Ökonomie-Experten dürfte der Finanzkonzern in den kommenden Tagen die Aufmerksamkeit vieler Anleger auf sich ziehen: Für kommenden Freitag hat die Allianz ihren Bericht mit den Ergebnissen aus dem abgelaufenen Quartal angekündigt.
Eine der dringlichsten Baustellen innerhalb der Währungsgemeinschaft sehen Beobachter in Griechenland. Dort steht derzeit ein neues Sparprogramm über 11,5 Mrd. Euro zur Entscheidung an. Wie am Wochenende aus Athen verlautete, soll das Programm mittlerweile größtenteils unter Dach und Fach sein.
Griechenlands Politiker tun sich schwer
Die Vorsitzenden der regierenden Koalitionsparteien, der Sozialisten und der Demokratischen Linken, Evangelos Venizelos und Fotis Kouvelis, wollen sich am Montagabend mit dem konservativen Regierungschef Antonis Samaras treffen, um letzte noch offene Fragen zu den Sparvorhaben zu klären. Aus Kreisen der Sozialisten und der Demokratischen Linken hieß es, es gebe nur noch wenige Probleme. Diese beträfen die Einsparungen, die die Schwächeren treffen würden. Darüber müsse noch intensiv gesprochen werden.
Zudem bestehen offenbar einzelne griechische Politiker weiter auf einer Streckung des neuen Sparpakets. Im Gespräch sei eine Ausdehnung des zeitlichen Rahmens zur Umsetzung der Vorhaben bis etwa Ende 2015. "Um mindestens zwei Jahre", hieß es seitens der Sozialisten wörtlich.
"Wir müssen uns gut überlegen welche Maßnahmen verhängt werden, die die Schwächeren treffen", betonte ein enger Mitarbeiter des Sozialistenchefs Venizelos. .
Streit um 30 Euro
In den vergangenen Tagen waren durchgesickert. Unter anderem soll das Rentenalter von 65 auf 67 Jahre stufenweise angehoben werden. Doch um die sozialen Härten abzufedern, wird in Athen unbestätigten Angaben zufolge eine Art Kompromisslösung diskutiert, in der die Erhöhung des Renteneintrittsalters um ein Jahr auf 66 Jahre abgemildert werden soll.
Ohnehin seien bereits weitere umfangreichere Rentenkürzungen vorgesehen, hieß es. Zudem sollten die Löhne der Angestellten staatlicher Unternehmen, wie der Elektrizitätsgesellschaft, reduziert werden.
Etwaige Kürzungen im Rüstungsetat standen offenbar nicht zur Debatte. Die offenen Streitpunkte lägen stattdessen insbesondere . Es stünde der Vorschlag zur Diskussion, die Rente für Bauern von 360 Euro auf 330 Euro zu verringern. Die Landwirtschaftsversicherungskasse (OGA) gilt als schwer defizitär. Andere Renten sollen, soweit sie die Marke von 1000 Euro überschreiten, um 5 bis 15 Prozent gekürzt werden. Vor allem diese beiden Sparmaßnahmen seien noch schwer umstritten, hieß es aus Athen.
Eine schnelle und verbindliche Umsetzung aller Vorgaben aus dem Kreis der internationalen Kreditgeber sind für Griechenland eigentlich von enormer Bedeutung: Sollten der Internationale Währungsfonds (IWF), die Europäische Union und die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Unterstützung für die Regierung in Athen einstellen, stünde das Euro-Land binnen weniger Wochen vor der Zahlungsunfähigkeit und damit vor einer .
Quelle: ntv.de, AFP/dpa