Wirtschaft

Verbrenner-Aus 2035 Autoindustrie vor der Zerreißprobe

Krieg in der Ukraine, Corona-Lockdowns in China, Lieferkettenprobleme, Halbleitermangel: Die Autoindustrie kämpft gleich mit mehreren externen Störfaktoren. Zudem beschleunigt die Politik den Strukturwandel zur Elektromobilität. Eine radikale Zäsur droht.

Das Zeitalter der fossilen Sprit-Verbrennung in Automotoren geht zu Ende. Nach dem Willen der EU-Kommission und zuletzt auch des EU-Parlaments ist aus Klimaschutzgründen ab 2035 der Verkauf von neuen Autos mit Benzin- oder Dieselmotoren in der EU verboten. Die Flottengrenzwerte für den CO2-Ausstoß neuer Autos sollen nach EU-Vorgaben auf null gesenkt werden. An die Stelle der klimaschädlichen Verbrenner sollen ausnahmslos batteriebetriebene Elektroautos treten. Klimafreundliche technische Alternativen, wie Hybrid-Autos mit Verbrenner- und Elektromotor oder die Betankung der via Öko-Sprit (E-Fuel), sind ebenfalls verboten. Stößt ein neues Auto CO2 aus, wird es verboten, der Altbestand bleibt verschont. Ein Verbot hätte die Politik nicht überlebt.

Noch ist das Verbots-Gesetz nicht beschlossen, die EU-Länder müssen noch zustimmen, bevor es in Kraft treten kann. Aber der gesetzliche Ablauf ist in Gang gesetzt - Ausgang ungewiss!

Deutschland besonders betroffen

Tritt das Verbot tatsächlich in Kraft, sind alle betroffen, Autokäufer wie Autohersteller: EU -Verbraucher etwa, weil sie ihre Kaufsouveränität einbüßen und politisch strikt vorgegeben wird, welche Art von Auto sie fahren müssen. Deutschland und die deutschen Automobilhersteller wären von allen EU-Ländern am stärksten betroffen. Das Geschäftsmodell der Autoindustrien beruht bis heute fast ausschließlich auf Entwicklung, Produktion und globalem Verkauf von Verbrennerautos- bisher ein lukratives Geschäft.

Über 10 Prozent des deutschen Bruttoinlandsproduktes wird von der Autoindustrie direkt erwirtschaftet, 70 Prozent davon gingen in den Export und sorgten bisher verlässlich für die hohen Handelsbilanzüberschüsse. Diese waren notwendig, um Energie- und Rohstoffimporte zu finanzieren. Über 800.000 Menschen sind breit übers Land gestreut in Autofabriken beschäftigt. Zusammengerechnet hängt jeder siebte Arbeitsplatz in Deutschland von der Autobranche und damit vom Verbrennermotor ab.

Für die Autoindustrie wäre ein Verbrennerverbot eine "Zeitenwende mit Wumms", eine radikale Zäsur. Schließlich beruht ihre über 100-jährige Erfolgsgeschichte ausschließlich auf der Erfindung, der Entwicklung und dem Bau von hochwertigen und effizienten Benzin- und Dieselmotoren, blechummantelt von gut gestylten, komfortablen und qualitativ hochwertigen Karossen. Kommt das Verbrennerverbot, ist das für die deutsche Autoindustrie ein Einschnitt ohnegleichen, ein Axthieb an die Wurzeln ihres Geschäftsmodells. Vergleichbar mit der Ablösung des Handwebstuhls durch den mechanischen Webstuhl in der Frühzeit der Industrialisierung. Gerhard Hauptmann hat die sozialen Folgen in seinem Drama "Die Weber" eindringlich beschrieben.

Das Ziel der Politik ist der Abbau der CO2-Emissionen im Verkehr. Das ist absolut richtig und ohne Widerspruch. Nur der gewählte Weg zum Ziel ausschließlich über ein Verbot von Verbrennermotoren ist falsch: zu einen, weil das Ziel faktisch so nicht erreicht werden kann; zum anderen weil es alternative Wege gibt, die ebenfalls klimagerecht sind, aber geringere gesellschaftliche Kosten verursachen.

Von Beginn an war klar, dass der Bau von Elektroautos als Ersatz für den Wegfall der Verbrenner-Produktion, wie sich die Politik das so ausgedacht hatte, nie den Verlust an Wertschöpfung und Arbeitsplätzen würde kompensieren können. Der Bau von E-Autos ist weniger kompliziert, wird auch von Branchenfremden gestemmt (Elon Musk) und benötigt nur 60 Prozent der Wertschöpfung eines Verbrennerautos. Zwei von fünf Arbeitsplätzen gehen rechnerisch verloren. Hinzu kommt, dass fast die Hälfte der Wertschöpfung eines Elektroautos in der Elektronik und den Speicherbatterie steckt. Beides wird nur zum geringen Teil im Inland produziert, muss nebst seltenen Rohstoffen und Edelmetallen überwiegend aus Asien und Russland importiert werden.

Das mag sich bis 2035 anders darstellen, die EU will massiv in Elektronik und Batterieproduktion investieren. Die dafür notwendigen Chips und vor allem Rohstoffe müssen aber weiterhin aus Gebieten importiert werden, die sich durch wachsende Lieferrisiken auszeichnen.

Positive Reaktionen - und die Realität

Die Reaktion der Autohersteller auf die Brüsseler Verbotspläne fielen unerwartet positiv aus als allgemein erwartet. Das Gros der Autobauer will sogar noch vor 2035 dem Verbrenner entsagen. Wohin steuert die Branche also in Zukunft? Folgt man Brancheninsidern, erscheint Folgendes als realistisch:

Die deutschen Autohersteller nahmen das EU-Verbrennerverbot ohne Murren hin, weil sie hoffen mögen, die Kraft des Faktischen würde früher oder später die Politik dazu zwingen, die starre politische Wegvorgabe des Verbrennerverbots zu korrigieren und außer Kraft zu setzen. Jedenfalls ist bisher von keinem Hersteller bekannt, dass er Entwicklung von Benzin- oder Dieselmotoren eingestellt hat.

Je stärker eine wachsende globale Produktion von E-Speicherbatterien die Ressourcen der Welt geografisch, politisch und preislich strapaziert, desto schneller könnte in der Politik die Einsicht wachsen, dass ein Alt-Bestand von 350 Millionen Verbrennerautos in Europa - global etwa 1,6 Milliarden - faktisch unmöglich durch neu zu produzierende Elektroautos ersetzet werden kann.

Branchenexperten halten einen Elektroauto-Marktanteil in der Größenordnung von maximal 25 Prozent für möglich. Daran dürfte sich bis 2035 wenig ändern - es sei denn, Feststoffbatterien sorgten für neue Spielregeln

Auch wenn Europa Verbrennerautos verbietet und es trotz der Ressourcenunsicherheit gelänge, jährlich 15 Millionen neu zugelassene Verbrenner in Europa durch Elektroautos zu ersetzen, wäre davon nur etwa ein Fünftel des Weltmarktes betroffen. Der Rest der Welt fährt Stand heute auch 2035 noch via Verbrenner.

Deutsche Hersteller produzieren weltweit jährlich 16 Millionen Verbrennerautos, von denen etwa 4 Millionen in der EU verkauft werden; von diesen dürften eine Vielzahl durch Elektroautos aus deutscher Produktion ersetzt werden. Die deutschen Hersteller sind in Europa mit 50 Prozent Marktanteil führend am E-Auto-Markt.

Ausgang offen

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Mit Blick auf den Weltmarkt dürften sich die Volumenverluste der deutschen Autoindustrie durch ein EU-Verbrennerverbot also in Grenzen halten, so das Kalkül der Hersteller. Auch weil die Produktion von in Deutschland produzierten Elektroautos wächst.

Ohnehin ist angesichts des galoppieren technischen Fortschritts in der Batterietechnologie auf allen Ebenen heute schwer abschätzbar, welche Antriebstechnik im Jahre 2035 Neuwagen in Europa antreibt. Ob Öko-Strom oder Öko-Sprit- die Glaskugel erlaubt noch keinen Durchblick!

Quelle: ntv.de

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