Wirtschaft

Ökonomen machen Hoffnung Bringen Hightech-Milliarden jetzt den Osten in Schwung?

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Ein Standortvorteil Ostdeutschlands ist die geringe Besiedlungsdichte und die größeren Flächen. Auf dieser hier soll eine Chip-Fabrik des Weltmarktführers TSMC entstehen.

Ein Standortvorteil Ostdeutschlands ist die geringe Besiedlungsdichte und die größeren Flächen. Auf dieser hier soll eine Chip-Fabrik des Weltmarktführers TSMC entstehen.

(Foto: picture alliance/dpa)

Mit staatlichen Milliardenhilfen werden gigantische Investitionen nach Ostdeutschland gelenkt. Wirtschaftsexperten hoffen, dass Ansiedlungen wie die von Intel und TSMC auch den Mittelstand in der Region beflügeln. Derzeit läuft es im Osten zumindest besser als in anderen Teilen Deutschlands.

Sie nennen ihre Bauvorhaben gerne "Giga-Fabrik" oder "Mega-Werk". Was der US-amerikanische Chip-Hersteller Intel in Magdeburg plant, soll Investitionen von insgesamt rund 30 Milliarden Euro auslösen. Tesla hat im brandenburgischen Grünheide bereits seine umstrittene E-Autofabrik hingestellt, die Elon Musk "Gigafactory" nennt, mit derzeit um die 10.000 Mitarbeitern. Mehr Hightech-Industrie will sich im Osten Deutschlands ansiedeln, dazu gehört in Dresden beispielsweise auch der taiwanische Halbleiterhersteller TSMC. Wirtschaftsforscher sind sich tatsächlich weitgehend einig: Ostdeutschland kann gegenüber dem Westen aufholen und bietet auch manchen Standortvorteil für derartige Investitionen - nicht zuletzt durch den Zuwachs bei erneuerbaren Energien. "Für immer mehr Industrieunternehmen ist Ökostrom die neue "conditio sine qua non"", sagt der Geschäftsführer des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln, Hanno Kempermann.

Zudem trifft die aktuelle Wirtschaftskrise mehr den Süden Deutschlands, heißt es von Forschungsinstituten. Und welche Bedeutung haben die Landtagswahlen im September in Thüringen, Sachsen und Brandenburg? Das Erstarken der AfD schade jedenfalls dem Wirtschaftsstandort, befürchten Manager deutscher Unternehmen.

Für neue Ansiedlungen sind Subventionen ein ausschlaggebender Faktor und die Tatsache, dass der Osten weniger dicht besiedelt sei und damit größere Flächen zur Verfügung stünden, wie der Präsident des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung in Halle (IWH),Reint Gropp, betont. Die Subventionen für Intel und TSMC seien schon ungewöhnlich: Der Bund schießt rund zehn beziehungsweise fünf Milliarden Euro zu.

Osten nicht so stark in Welthandel eingebunden

Beim Ostdeutschen Wirtschaftsforum im brandenburgischen Bad Saarow diskutieren Unternehmer, Verbände und Politiker von Sonntag an über Chancen und Risiken für den Wirtschaftsstandort Ostdeutschland. Auch Kanzler Olaf Scholz wird erwartet, auf den Unternehmer nicht unbedingt gut zu sprechen sind. Der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie, Siegfried Russwurm, hatte im April gesagt, im Kanzleramt werde der Ernst der Lage offenbar unterschätzt.

Eine Botschaft von Wirtschaftsforschern klingt zunächst aber nicht so schlecht: "Ostdeutschland geht es im Moment etwas besser als Westdeutschland", meint Ökonom Gropp. Zwar gilt oft die Wirtschaft im Süden Deutschlands als Aushängeschild, doch scheint auch der Druck in den industriegeprägten Regionen dort besonders hoch zu sein. Autobauer, Zulieferer, aber auch Chemie-Unternehmen im Westen haben massive Stellenstreichungen und teils milliardenschwere Sparprogramme angekündigt. "Dort, wo große Teile des Wohlstands erarbeitet werden - Bayern und Baden-Württemberg - bläst der Wind gerade heftig ins Gesicht", sagt Kempermann. "Der Osten Deutschlands ist davon in geringerem Maße betroffen, weil dort weniger Industrie ansässig ist und die Unternehmen nicht so stark in den Welthandel eingebunden sind."

Die Stimmung ist laut Konjunkturumfragen aber getrübt. Unternehmen sind verunsichert, manche Branche steckt tief im Krisenmodus. Darunter sind die unter chinesischer Konkurrenz leidenden Solarhersteller, die nach staatlicher Hilfe rufen: So hat das Unternehmen Meyer Burger einen Standort im sächsischen Freiberg aufgegeben, andere wollen die Produktion zurückfahren.

Zudem schwächelt der Automobilmarkt, der Hochlauf der E-Mobilität stockt. Das merkt zum Beispiel Brandenburg: Der chinesische Batteriehersteller Svolt siedelt sich doch nicht wie geplant in der Lausitz an. Beim geplanten Bau der Intel-Chipfabrik in Magdeburg fehlt bislang die Freigabe der Förder-Milliarden durch die EU-Kommission, zudem gibt es Kritik am Wasserverbrauch. Das ist auch beim Autobauer Tesla, der weltweit bereits Stellen abbaut, ein Grund für lang anhaltenden Protest.

Was ist mit den Zulieferern

Stetig werben Landesregierungen für boomende Regionen für Mikroelektronik - selbstbewusst "Silicon Saxony" genannt - und setzen auf Ansiedlungen für die Batteriefertigung. Zwar seien die Großansiedlungen gut, und die Löhne dürften steigen, sagen Wirtschaftsforscher. Unklar sei aber, ob sich die Hoffnung erfülle, dass sich auch viele Zulieferer ansiedelten, sagt Gropp, der mehr Investitionen in Forschung und Hochschulen für notwendig hält. "Neben den eigentlichen Ansiedlungen selbst entstehen lokale Zulieferbeziehungen mit weiteren hunderten beziehungsweise tausenden Arbeitsplätzen", ist Kempermann optimistischer. Die Elektromobilität werde in den nächsten Jahren trotz aktueller Flaute stark wachsen, auch Solar und Windkraft würden massiv ausgebaut.

Doch fehlende Fachkräfte erhöhen den Druck auf viele Unternehmen. "Rund 400.000 Menschen pro Jahr werden in Deutschland netto aus dem Arbeitsmarkt ausscheiden, über 10, 15 Jahre hinweg", sagt Gropp. Dabei trifft der Fachkräftemangel die Unternehmen in Ostdeutschland nach Einschätzung des Ifo-Instituts noch stärker als im Rest Deutschlands. Ein Grund: Der demografische Wandel im Osten mache sich bereits seit Jahren deutlicher bemerkbar als im Westen. Fehlende Fachkräfte seien heute schon "der limitierende Faktor für das Wachstum der Wirtschaft", hatte Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke von der SPD 2023 gesagt. Dazu kommt ein befürchteter Imageschaden durch ein Erstarken der AfD bei den jetzt bevorstehenden Wahlen und Sorgen, kluge Köpfe könnten den Osten meiden.

Quelle: ntv.de, Monika Wendel, dpa

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