Deutsche Industrie sieht "rot" China ist Chance und Risiko
23.04.2012, 17:49 Uhr
Etwa 5000 Unternehmen aus 69 Ländern beteiligen sich an der weltgrößten Industrieschau Hannover Messe. China ist das diesjährige Partnerland. Aufnahmeort: Hannover
(Foto: picture alliance / dpa)
Seit 2011 ist China fünftgrößter Abnehmer deutscher Exporte. Das Reich der Mitte wird für die deutsche Wirtschaft zudem immer wichtiger, weil der dortige anhaltende Konjunkturboom Nachfrageeinbußen in den schuldengeplagten Ländern Europas wettmachen soll. Der Erfolg der Wirtschaftsmacht China hat laut BDI aber auch eine gefährliche Kehrseite.
Aus großer Kraft folgt große Verantwortung: Die deutsche Industrie erwartet zunehmenden Rückenwind durch ihre wachsende Kundschaft in China. Das asiatische Land biete trotz der gesunkenen Konjunkturerwartungen große Chancen für die deutsche Exportindustrie, sagte BDI-Chef Hans-Peter Keitel. Besonders gefragt seien Umwelttechniken, die auf fast jedem Messestand zu sehen sind. Die Volksrepublik ist Partnerland der Hannover-Messe, der größten Industriemesse der Welt, und stellt mit 500 Unternehmen ein Zehntel der Aussteller - der bisher größte Auftritt der chinesischen Industrie im Ausland.
Im vergangenen Jahr war China als Abnehmer deutscher Exporte auf den fünften Platz von Rang sieben vorgerückt. Die Wachstumsaussichten für das Reich der Mitte haben sich zuletzt jedoch abgeschwächt - im 1. Quartal wuchs Chinas Wirtschaft um 8,1 Prozent und damit so langsam wie seit fast drei Jahren nicht mehr. Im April stabilisierte sich die Industrie in Volksrepublik etwas. Die Industrie setzt darauf, dass die chinesische Regierung die Binnennachfrage wieder stärker ankurbelt und China damit Wachstumsmotor der Welt bleibt. Zudem kommt der deutschen Industrie die Nachfrage nach Investitonsgüterprodukten und Anlagen etwa zur Energieversorgung und für die heimische Produktion in China zugute.
Wachsende Konkurrenz aus China
Das chinesische Wachstum soll nach dem Willen deutscher Firmen Nachfrageeinbußen in schuldengeplagten Ländern Europas wettmachen. "Wir hoffen, dass China die Delle ausbügeln wird", sagte der Hauptgeschäftsführer des Maschinenbauverbandes VDMA, Hannes Hesse. Der Erfolg hat jedoch eine Kehrseite: Die deutschen Unternehmen müssen sich zunehmend gegen die erstarkende Konkurrenz innerhalb Chinas wappnen.
Unternehmen aus dem Reich der Mitte entwickeln auch dank der Zusammenarbeit mit ihren westlichen Partnern zu Rivalen ihrer Lehrmeister. Zugleich werden viele High-Tech-Produkte illegal kopiert, wodurch westlichen Unternehmen dort Milliardenumsätze verloren gehen. Chinas Premier Wen Jiabao sagte in Hannover allerdings zu, mehr zum Schutz geistigen Eigentums zu tun.
BDI: Deutscher Vorsprung in Gefahr
Für Deutschland war China 2011 laut BDI bereits der zweitwichtigste Lieferant. Zunehmend verkauften chinesische Unternehmen auch Produkte, die für die deutsche Industrie und Produktion bestimmt seien. "China bemüht sich, in der Wertschöpfungskette nach oben zu klettern. Wir müssen uns anstrengen, um unseren Vorsprung zu sichern", sagte Keitel.
Der deutsch-chinesische Handel soll auch nach dem Willen der dortigen Regierung in den kommenden Jahren stark zulegen. "Wir wollen im Jahr 2015 ein Volumen von 280 Mrd. Dollar erreichen", sagte Wen. Im Jahr 2011 betrug das deutsch-chinesische Handelsvolumen nach Angaben von Bundeskanzlerin Angela Merkel 144 Mrd. Euro - das sind nach aktuellen Kursen knapp 190 Mrd. Dollar.Wegen der in beiden Ländern stark vertretenen Industrie sehen China und Deutschland auch eine gemeinsame Verantwortung für die wirtschaftliche Stabilität in der Welt. Dies hatten Wen und Merkel bei der Messeeröffnung betont.
"China war 2011 mit Lieferungen von 18,9 Mrd. Euro Exportland Nummer eins für den Maschinenbau", sagte VDMA-Hauptgeschäftsführer Hesse. 2012 könne es weiter bergauf gehen. "Ein Plus von real zwölf Prozent ist hier realistisch", sagte Hesse. Gefragt seien vor allem Werkzeugmaschinen, Antriebstechnik, Druck- und Papieranlagen, Fördertechnik und Textilmaschinen. Wegen der hohen Nachfrage sehe die Branche, zu der neben vielen Mittelständlern börsennotierte Konzerne wie ThyssenKrupp, Gildemeister und Gea gehören, ihre Prognose gefestigt, wonach das Produktionsvolumen in diesem Jahr stabil bleiben soll.
"China größter Maschinenproduzent"
Der Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) erwartet für 2012 weiter ein Wachstum von fünf Prozent. Die Branche profitiert erheblich von der Nachfrage in der Volksrepublik. "Die meisten Unternehmen haben heute Produktionsstätten in China", erläuterte Verbands-Präsident Friedhelm Loh. Die Volksrepublik werde zum wichtigsten Absatzmarkt. Bislang lag das Land hinter den USA und Frankreich. Die Exporte nach China kletterten 2011 um 17 Prozent auf 11,6 Mrd. Euro.
Die Volksrepublik dürfe aber nicht nur als Absatzland betrachtet werden, warnte VDMA-Hauptgeschäftsführer Hesse. "China ist heute mit Abstand größter Maschinenproduzent." Die deutschen Maschinenbaufirmen seien zwar noch Exportweltmeister, China aber bereits auf Platz vier - Tendenz stark steigend.
Die chinesische Führung wolle zudem das qualitative Wachstum vorantreiben. "Der deutsche Maschinen- und Anlagenbau muss also hart ans sich arbeiten, um die passenden Antworten auf die chinesische Herausforderung zu finden."
Quelle: ntv.de, dpa