
Der Blick auf die Kurstafel ist für viele chinesische Anleger derzeit eher unerfreulich.
(Foto: REUTERS)
An den chinesischen Aktienmärkten herrscht miese Stimmung. Es sieht nicht danach aus, dass sich das bald ändert. Denn die Wirtschaft der Volksrepublik steckt in Schwierigkeiten.
Chinesische Aktien gehören zu den größten Verlierern des vergangenen Jahres. Auch der Start in das neue Jahr ist miserabel verlaufen. Seit Jahresbeginn ist der Leitindex CSI 300, der die Kursentwicklung der Festlandbörse in Shanghai und Shenzen abbildet, um fast 5 Prozent gefallen. Allein am heutigen Mittwoch ging es um rund 2 Prozent abwärts. Der CSI 300 hat damit das tiefste Niveau seit fast fünf Jahren erreicht.
In Hongkong verlor der Leitindex knapp 4 Prozent und stürzte auf den tiefsten Stand seit November 2022. Der Hang-Seng-China-Index, der die Aktien von 50 Unternehmen des chinesischen Festlands enthält, ist der "Financial Times" zufolge der in diesem Jahr am schlechtesten abschneidende große Benchmark-Index.
Der Grund für den jüngsten Kursrutsch: enttäuschende Konjunkturdaten. Chinas Wirtschaft war im vergangenen Jahr noch schwächer gewachsen als vom Markt erwartet. Das Bruttoinlandsprodukt legte offiziellen Angaben zufolge zwar um 5,2 Prozent zu, doch abgesehen von den drei Pandemie-Jahren, in denen China sich von der Außenwelt abgeschottet hatte, war es das schwächste Wirtschaftswachstum seit 1990.
Chinas Wirtschaft leidet unter einer Reihe von Problemen, darunter eine Immobilienkrise und hohe Jugendarbeitslosigkeit. Der Immobilienmarkt war lange eine der wichtigsten Triebfedern der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt. Ein Ende der Krise ist nicht in Sicht - im Dezember fielen die Preise für neue Eigenheime so schnell wie seit Februar 2015 nicht mehr und sanken damit den sechsten Monat in Folge.
Bevölkerungsschwund bremst die Wirtschaft
Vor diesem Hintergrund halten sich Chinesen mit Ausgaben zurück. Diese Konsumflaute bremst die Wirtschaft. Eine Folge: Die Volksrepublik steckt in einer Deflation. Das verstärkt die ohnehin vorhandene Zurückhaltung beim Konsum noch weiter, weil Verbraucher allein deshalb ihre Käufe nach hinten schieben, da sie weiter sinkende Preise erwarten. Daraus kann sich ein Teufelskreis aus sinkenden Preisen, fallenden Löhnen und Zurückhaltung bei Investitionen entwickeln.
Hinzu kommt, dass Chinas Bevölkerung schrumpft. Im vergangenen Jahr lag das neben einer rekordniedrigen Geburtenrate auch an einer Welle von Todesfällen im Zusammenhang mit Covid, zu der es nach dem Ende der strikten Corona-Lockdowns gekommen war. Der Bevölkerungsschwund bedeutet weniger Arbeitskräfte und Konsumenten, was das Wachstumspotenzial des weltweit nunmehr nur noch zweitbevölkerungsreichsten Landes nach Indien tendenziell schmälert: Für 2024 sehen Experten auch wegen Gegenwinds für die Exporteure nur verhaltene Wachstumsperspektiven.
Anders als erwartet hatte China Schwierigkeiten, nach der Corona-Pandemie einen starken und nachhaltigen Aufschwung auf die Beine zu stellen. Verstärkt werden die Probleme auch durch die schwächelnde Export-Industrie. "Die chinesische Industrie, noch immer die verlängerte Werkbank der Welt, leidet unter der eingebrochenen Nachfrage aus dem Ausland", sagt Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank in Liechtenstein. Denn private Haushalte in den USA und Europa sparten und hätten zuletzt ihre Konsumpräferenzen zugunsten von Dienstleistungen verschoben. Dazu gehörten unter anderem der Urlaub und Restaurantbesuche. Die für China so wichtige Export-Industrie leide darunter.
Regulierer ziehen Notbremse
Um die Börsen zu stabilisieren, haben chinesische Behörden der "Financial Times" zufolge die Aktienverkäufe einiger institutioneller Investoren erneut eingeschränkt. Seit Oktober weisen Marktregulierer große Anleger demnach inoffiziell und mündlich an, an bestimmten Tagen unter dem Strich mehr Aktien zu kaufen als zu verkaufen.
Diese Verkaufsbeschränkungen haben dazu beigetragen, dass der Referenzindex CSI 300 in der letzten Woche des Jahres 2023 um etwa 3 Prozent zulegte, wie die "Financial Times" weiter berichtet. Als jedoch die Beschränkungen für einige kleinere Investmentfonds und für Makler im neuen Jahr gelockert wurden, machte der Index diese Gewinne vollständig wieder zunichte.
Diese Maßnahmen "erzeugen einen verzögerten Verkaufsdruck, aber Verkäufe kann man nicht ewig aufschieben", zitiert die Zeitung den Direktor einer in Shanghai ansässigen Wertpapierfirma. "Die Stimmung am Markt bestimmt letztlich die Kurse."
Quelle: ntv.de, mit rts