Nvidia-Gründer Jensen Huang Der "Waffenhändler" der KI-Revolution


Jensen Huang ist der Steve Jobs des Chip-Designs.
(Foto: REUTERS)
Künstliche Intelligenz hat Nvidia aus dem Nichts zu einer der mächtigsten Firmen der Welt gemacht, gegen die nun die sogar US-Justiz ermittelt. Ihr Gründer Jensen Huang hat Bilderbuchgeschichte geschrieben. Und würde es auf keinen Fall wieder versuchen.
Als sich Jensen Huang im April 1993 mit seinen Arbeitskollegen Chris Malachowsky und Curtis Priem in einem Fastfood-Restaurant in San Jose im Silicon Valley traf, hatten sie außer einer wilden Idee kaum eine Vision von der Zukunft. "Ehrlich gesagt hatte ich keine Ahnung, was ich da mache, und sie auch nicht", sagt der Nvidia-Chef heute zu dem Treffen, das sein Leben verändern sollte. Und die ganze Welt.
An der Sitzecke bei Denny’s, wo Huang Nvidia gründete, hängt heute eine Ehrenplakette. Doch wenn er zu dem Tag im Jahr 1993 im Herzen des Silicon Valley zurückreisen könnte, sagt Huang, "würde ich es nicht machen." Rückblickend gibt er seiner Firma "ungefähr 0 Prozent Erfolgschance". Hätte er damals schon gewusst, wie viel Schmerz und Leid es bedeute, und was alles schiefgehen könne, hätte er keine Firma gegründet. Die Sorglosigkeit, es trotzdem zu versuchen, sei "die Superkraft des Unternehmers".
Mit ihr hat Huang Nvidia von einem kleinen Grafikkartenhersteller in Kalifornien zu einer der wertvollsten Firmen der Welt gemacht, mit einer Marktkapitalisierung von knapp drei Billionen Dollar, übertroffen nur noch von Microsoft und Apple. Und sich selbst zu einem der reichsten Menschen des Planeten. Geschätztes Vermögen: fast 100 Milliarden Dollar. Selbst als Nvidia in dieser Woche an der Börse abstürzte und Huang dadurch an nur einem Tag 10 Milliarden Dollar verlor, kratzte ihn das kaum.
Vom Underdog zum Überflieger
Mit Geld lässt sich sein Erfolg ohnehin nur noch bedingt messen. Jensen Huang ist der Steve Jobs des Chip-Designs. Nicht im Rollkragenpullover wie der Apple-Gründer, sondern im Lässig-Look mit Lederjacke, die zu seinem Erkennungszeichen geworden ist. Vom "Time Magazine" wurde er zu einem der 100 einflussreichsten Menschen der Welt gekürt. Nebenbei hat ihm Fortune noch den Titel "Weltbester CEO" verliehen.
Huangs Firma hat sich in den letzten Jahren ein Quasi-Monopol auf den wichtigsten Baustein der KI-Revolution erarbeitet: Superchips, die die Tech-Giganten für ihre gigantischen Rechenmodelle brauchen. Mit rund 80 Prozent Marktanteil ist Nvidia inzwischen so mächtig, dass nun die US-Justiz wegen Marktmissbrauch ermittelt. "Es gibt derzeit nichts Besseres als Nvidia-Hardware für KI", lobte Tesla-Chef Elon Musk im Frühjahr bei der Markteinführung die neusten Blackwell-Prozessoren aus Huangs Haus. Mit 208 Milliarden Transistoren sind sie die schnellsten Chips aller Zeiten. Microsoft, Amazon, Dell, OpenAI, Google und Facebook stehen schon Schlange.
Huangs sagenhafte Erfolgsgeschichte ist der gelebte amerikanische Traum. Sie beginnt im Taiwan der 60er-Jahre. Sein Vater, Ingenieur bei einem Klimaanlagenhersteller, zieht mit seiner Familie erst nach Thailand um, kommt dann zu einer Fortbildung nach New York. Und ist so fasziniert, dass er kurzerhand ein zweites Mal auswandert, diesmal in die USA. Als Huang in Kentucky ankommt, ist er gerade mal 10 Jahre alt, kennt niemanden und spricht kaum ein Wort Englisch.
Fünf Jahre später ist er ein Mathegenie, überspringt mehrere Klassen und schreibt sich mit 16 an der Oregon State University als angehender Elektro-Ingenieur ein. Aus dem Wunderkind aus Fernost wird einer der besten Studenten der Uni. Der Überflieger fängt als Chipdesigner bei AMD im Silicon Valley an. Parallel macht er seinen Master an der Stanford-Universität. Nach einem Wechsel zu LSI gründet er schließlich mit seinen Kollegen Nvidia.
Goldrausch im Rechenzentrum
Die Firma legt eine ähnliche Bilderbuch-Story hin wie ihr Gründer. Die Idee: Grafik-Chips für interaktive Echtzeit-3D-Effekte. Um die Jahrtausendwende schafft Huang mit Nvidia einen technologischen Meilenstein: die Erfindung des Grafikprozessors (GPU). Sie sollte nicht nur zur Geburtsstunde für hyperrealistische, immersive Visualisierung und damit faktisch alle modernen Videospiele werden. Sondern zum Funken, der die Entwicklung künstlicher Intelligenz anfacht.
Denn die revolutionären Chips sind dafür gemacht, die großen Datenmengen zu verarbeiten, die bei Grafik-Prozessen anfallen. Daher bestehen sie aus vielen Kernen, die mehrere Aufgaben gleichzeitig erledigen können - anders als bisherige CPUs von PCs, die darauf ausgelegt sind, einzelne Aufgaben hintereinander abzuarbeiten.
Huangs Erfindung macht so die Entwicklung von Rechenzentren, Cloud-Computing, selbstfahrenden Autos und KI-Algorithmen erst möglich. Denn auch hier müssen riesige Datenmengen und Quadrillionen komplexer Berechnungen parallel bewältigt werden. Diese Chip-Architektur ist bis heute die goldene Gans von Nvidia. Denn komplexe Probleme lassen sich damit schneller und effizienter lösen als je zuvor.
Die Superchips von Nvidia sind damit zur wichtigsten Ressource im Wettrüsten der Internetriesen geworden. Huangs ist heute mit seiner Firma in einer ähnlichen Position wie die Händler, die in den 1840er-Jahren den Goldgräbern in San Francisco ihre Bergbauausrüstung verkauften. Ein US-Magazin brachte es mit Worten eines Wallstreet-Analysten auf den Punkt: "Da draußen läuft ein Krieg um künstliche Intelligenz. Und Nvidia ist der einzige Waffenhändler."
Quelle: ntv.de