Wirtschaft

Neuer Chef, neuer Fokus Deutsche Börse setzt auf Kengeter und Asien

Fast amüsiert betrachtet Reto Francioni (l.) die ausgestreckte Hand seines Nachfolgers Carsten Kengeter.

Fast amüsiert betrachtet Reto Francioni (l.) die ausgestreckte Hand seines Nachfolgers Carsten Kengeter.

(Foto: dpa)

Generationenwechsel bei der Deutschen Börse: Bei der Hauptversammlung gehört die Bühne überwiegend dem scheidenden Konzernchef Reto Francioni. Doch sein Nachfolger Carsten Kengeter schlägt erste Pflöcke ein. Er wird Elan brauchen.

Bei der Hauptversammlung der Deutschen Börse hatte der Schweizer Reto Francioni nach zehn Jahren seinen letzten Auftritt als Vorstandschef. Er räumte das Podium für seinen Nachfolger, den ehemaligen Investmentbanker Carsten Kengeter. Ein unprätentiöser Abschied und ein Neuanfang mit hohen Erwartungen.

Das Dax-Unternehmen erhofft sich nämlich von ihrem künftigen Chef Auftrieb im Auslandsgeschäft. "Wir sind sicher, dass Herr Kengeter den erfolgreichen Weg dieses Unternehmens fortsetzen wird und ihn mit neuen, insbesondere internationalen Impulsen, weiter bereichern wird", sagte der Aufsichtsratsvorsitzende Joachim Faber bei der Hauptversammlung des Dax-Konzerns in Frankfurt. Damit sei der Generationenwechsel in dem Unternehmen auf einem sehr guten Weg.

Big in Asia

Unter ihrem neuen Chef will die Deutsche Börse vor allem das Geschäft in Asien stärken. Er wolle den Erfolg von Deutschlands größtem Börsenbetreiber in den kommenden Jahren ausbauen, sagte Carsten Kengeter in einer kurzen Vorstellung vor den Aktionären. "Dazu bieten die Märkte im asiatisch-pazifischen Raum interessante Perspektiven."

Kengeter, der zum 01. Juni den Vorstandsvorsitz von Reto Francioni übernimmt, hat mehrere Jahre in China gearbeitet und spricht auch ein wenig Mandarin. Viele Aktionäre hoffen, dass Kengeter der Asien-Offensive, die der Konzern bereits 2013 ausgerufen hat, neuen Schwung verleiht.

Im kommenden Jahr will die Deutsche Börse unter anderem ein Abwicklungshaus in Singapur eröffnen. Die stärkere Ausrichtung auf Asien wird sich künftig auch im Aufsichtsrat des Frankfurter Konzerns widerspiegeln. Die Chinesin Amy Yok Tak Yip, die unter anderem bei der Hong Kong Monetary Authority und der DBS Bank gearbeitet hat, soll neu in das Kontrollgremium gewählt werden. Sie arbeite seit über 35 Jahren in der asiatischen Finanzindustrie und wolle mit ihren Erfahrungen zum Wachstum des Konzerns in der Region beitragen, sagte die Managerin bei ihrer Vorstellung.

Chancen sieht der neue Vorstandschef Kengeter auch durch die Regulierung der Finanzmärkte in Europa. "Für die Deutsche Börse als Bindeglied zwischen Regulierer und Regulierten sehe ich durchaus weiteres Wachstumspotenzial."

Neben seiner Erfahrung als Investmentbanker und seiner Berufserfahrung in Asien und Europa prädestinieren nach Ansicht seines neuen Arbeitgebers Deutsche Börse vor allem seine kommunikativen Fähigkeiten Kengeter für seinen neuen Job. Anders als sein Vorgänger fühle sich der 48-Jährige nicht nur im kleinen Gesprächskreis sondern auch in der breiten Öffentlichkeit sichtlich wohl, heißt es. Nützlich, wenn man den Finanzplatz Deutschland voran bringen will.

"Uf Wiederluege!"

Für Reto Francioni war es der Abschied von der Deutschen Börse. Nach zehn Jahren geht der Manager, der im August 60 Jahre alt wird, vorzeitig und bleibt dabei seiner berühmten Schweizer Gelassenheit treu: "Es war mir vor der Deutschen Börse nicht langweilig, während der Zeit bei der Börse schon gar nicht und es wird mir auch danach nicht langweilig werden", sagte der verheiratete Vater zweier Kinder.

Als Francioni im November 2005 den Vorstandsvorsitz übernahm, sehnte sich der Frankfurter Marktbetreiber nach Ruhe: Ein halbes Jahr vorher hatten Hedgefonds die Übernahme der Londoner Börse LSE verhindert und dann Deutsche-Börse-Chef Werner Seifert aus dem Amt gedrängt.

In Sachen Großfusionen blieb Francioni allerdings ähnlich glücklos: Das ehrgeizigste Projekt seiner Amtszeit - ein Zusammenschluss mit der New Yorker NYSE/Euronext zum weltgrößten Marktbetreiber - scheiterte Anfang Februar 2012 am Veto der EU-Wettbewerbshüter in Brüssel.

Viele Aktionäre haben diese Schlappe nicht vergessen. Vom Vertreter der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), Franz Ferdinand Badelt, gab es bei der Hauptversammlung nur verhaltenes Lob für Francioni: Der Manager habe es "zumindest geschafft, dass die Deutsche Börse in stürmischen Zeiten nicht ganz untergeht". Andere Kritiker meinen, Francioni habe nie eine Strategie, geschweige denn eine Vision entwickelt.

Sie sind unzufrieden damit, dass die Deutsche Börse zwar beim Gewinn auf Platz drei unter den Börsenbetreibern steht, beim Handelsvolumen aber abgeschlagen auf Platz acht der Welt liegt. In New York wird der zehnfache Handelsumsatz mit Aktien erzielt, in London sind es mit 2,3 Billionen US-Dollar immer noch deutlich mehr als die 1,4 Billionen Handelsvolumen in Frankfurt.

Die Kritik scheint jedoch an dem Schweizer abzuperlen. "Die Deutsche Börse steht nach Angriffen von Hedgefonds, nach der größten Finanzkrise seit 1929, nach großen strukturellen Veränderungen, nach noch nie da gewesener Regulierung herausragend da", sagte Francioni gewohnt trocken. "Mehr gibt es dazu nicht zu sagen." Und so verabschiedet er sich zufrieden von den Aktionären: "Es war mir eine Ehre", sagte der Schweizer. "Uf Wiederluege!"

Quelle: ntv.de, sla/dpa/DJ

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