Wirtschaft

Kritik des Mittelstands-Verbands Digitale Krankschreibung lädt zum Blaumachen ein

107545539.jpg

Ärztliche Praxen sind bereits seit Juli 2022 verpflichtet, die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu nutzen.

(Foto: picture alliance / imageBROKER)

Artikel anhören
Diese Audioversion wurde künstlich generiert. Mehr Informationen zu unserer Vorlesefunktion finden Sie hier.
Wir freuen uns über Ihr Feedback zu diesem Angebot. 

Seit diesem Jahr läuft die Krankschreibung durch den Arzt digital. Was Arbeitnehmern die Zettelwirtschaft erspart, sorgt bei Arbeitgebern jedoch für wachsenden Unmut. Gerade der Mittelstand bemängelt: Das anonymisierte Verfahren ist nicht nur ein Bürokratiemonster, es erhöht sogar die Fehlzeiten.

Seit Januar ist der Krankenzettel Geschichte. Arbeitnehmer müssen keinen Krankenschein mehr auf der Arbeit einreichen. Der Arbeitgeber soll die Krankschreibung stattdessen digital bei der Krankenkasse abrufen. Gerade für viele kleine Unternehmen ist das ein riesiger Aufwand. Laut einer Blitzumfrage des Bundesverbands Der Mittelstand (BVMW), die ntv exklusiv vorab vorliegt, ist die Einführung der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) alles andere als reibungslos verlaufen. Der Erhebung zufolge erleichtert der vollständig anonymisierte Krankschreibungsprozess sogar noch das Blaumachen.

Demnach gaben 78 Prozent der Befragten an, dass die Umstellung auf das neue eAU-Verfahren problematisch verlaufen ist. Für Unmut sorgt vor allem das eigenständige Abrufen von Krankschreibungen. Nach BVMW-Information haben Verbandsmitglieder einen erheblichen Zusatzaufwand gegenüber der bisherigen Regelung. 87 Prozent fordern deshalb eine automatische Zusendung der Bescheinigung durch die Krankenkassen. Diese könnte den Mehraufwand für Unternehmen reduzieren. Lediglich knapp 30 Prozent möchten allerdings auch nur die Papierform als Standard beibehalten.

BVMW-Chefvolkswirt Hans-Jürgen Völz hält die eAu, so wie sie der Gesetzgeber vorgesehen hat, damit für alles andere als unternehmerfreundlich. Er spricht sich für eine direkte, automatisierte Übertragung aus. "Viel einfacher wäre es, wenn es eine automatische Übertragung gäbe vom behandelnden Arzt an die Krankenkasse und den Arbeitgeber selbst", sagt Völz ntv. Die aktuelle Umsetzung sei viel zu bürokratisch: "Das Konzept erweist sich mehr und mehr auch als Bürokratiemonster."

Einladung zum Blaumachen?

Außerdem bemängelt der Verband: Ein vollständig anonymisierter Krankschreibungsprozess lädt zum Krankfeiern ein. "Das Papier-Verfahren war vom Ablauf her einfacher und vor allen Dingen: Es hat den direkten Bezug zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber hergestellt. Wenn das ganze anonym und rein digital abläuft, ist die Tendenz eher gegeben, dass die Krankschreibung auch missbraucht wird", sagt Völz. Und dieses Blaumachen könnte sich die Branche in der jetzigen Situation der deutschen Wirtschaft nicht leisten.

Im Dezember hieß es beim Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung: Die einjährige Pilotphase wurde sinnvoll genutzt, um Systeme zu testen, Fehler zu beheben und eine sehr solide Basis von fast vier Millionen Testläufen im Echtbetrieb zu schaffen.

"Die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist eine Erfolgsgeschichte und zeigt, dass die Digitalisierung des Gesundheitswesens gelingen kann", erklärte die Vorstandsvorsitzende Doris Pfeiffer damals. Das Ergebnis sei eine digitale Anwendung "mit echtem Mehrwert vor allem für die Versicherten". "Aber auch Arbeitgebende und ärztliche Praxen profitieren von weniger Zettelwirtschaft und schlanken Prozessen."

Quelle: ntv.de

ntv.de Dienste
Software
Social Networks
Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen