Wirtschaft

Ein Jahr Signa-Pleite Ermittler suchen, Gläubiger hoffen - und René Benko zelebriert die Hirschjagd

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René Benko im April dieses Jahres vor dem Landgericht Innsbruck

René Benko im April dieses Jahres vor dem Landgericht Innsbruck

(Foto: IMAGO/Eibner Europa)

Die Bilanz nach einem Jahr Signa-Gau ist ernüchternd. Während sich Staatsanwälte auf der Suche nach verstecktem Vermögen immer tiefer in Benkos kompliziertes Firmengeflecht vorkämpfen, genießt der Milliarden-Pleitier das Leben. Ein Schlag ins Gesicht für diejenigen, die auf Wiedergutmachung hoffen.

Es ist ein Foto, das Bände spricht: Männer in traditioneller Jagdkleidung, vor ihnen ein erlegter Hirsch. Sie haben Beute gemacht. Mit von der Partie der Milliarden-Pleitier René Benko und der Tiroler SPÖ-Chef Georg Dornauer. Vor dem Kameraauge feiern sie ihr Jagdglück. Dass die Szene wenig später auf der Titelseite der österreichischen "Kronen Zeitung" landet und einen Sturm der Empörung auslöst, haben sie zum Zeitpunkt des Schnappschusses sicherlich nicht erwartet.

Sich auf diese Weise zur Schau zu stellen, war weder von dem einen noch von dem anderen weise oder gut bedacht. Zumindest Dornauer muss büßen. Weil ihm vor Jahren der Waffenschein entzogen wurde - und er offensichtlich der Schütze war, wie er mit dem Tannenzweig am Hut selbst kundtut -, wird ihm von seiner Partei der Rücktritt nahegelegt. Er geht. Wer bleibt, ist ein freudestrahlender René Benko. Und mit ihm und dieser Szene ein fader Beigeschmack.

Benko lebt offiziell vom Existenzminimum. Dass er sich ein Jahr nach dem Zusammenbruch seiner Signa-Holding trotzdem noch ein teures Hobby wie die Jagd leisten kann, sorgt für Frust und Unverständnis. Nicht nur österreichische, auch deutsche Zeitungen springen auf das Thema an. Es ist der Ort des "Geschehens", der das Offensichtliche einfach zu offensichtlich macht.

Das 1300 Hektar große Jagdrevier in der Weststeiermark, wo sich die Gruppe angeblich ablichten ließ, gehört seit 2020 der Laura Privatstiftung. Die Ermittler, die bislang vergeblich nach Benkos Vermögen fahnden, gehen davon aus, dass die vermissten Ausschüttungen und hohen Beraterhonorare der Signa-Firmen an Benko jahrelang genau dorthin geflossen sind. Der Verdacht liegt nahe, dass es dieses über Jahre gehortete Geld ist, das ihn heute auf großem Fuße leben lässt- ohne Sorge, dass es ihm streitig gemacht werden kann. Er hat in guten Zeiten für sich und seine Familie vorgesorgt.

Das tut weh: ein Schlag ins Gesicht der Gläubiger

Es sind die Laura Stiftung und auch die in Liechtenstein ansässige Ingbe Stiftung, an denen sich Justiz und Insolvenzverwalter die Zähne ausbeißen. Es wäre leichter, könnten die Fahnder auf dieses Vermögen zugreifen. Das Stiftungsrecht verhindert das jedoch. Denn Benko ist zwar Mitgründer beider Stiftungen, hat aber weder eine Funktion inne, noch ist er Begünstigter. Begünstigte sind Benkos Mutter, seine Frau und seine Kinder. Geschieht kein Wunder, ist dieser Geldquelle für Außenstehende für immer ein Riegel vorgeschoben.

Die Erkenntnis schmerzt, weil es die Geschädigten und die Öffentlichkeit, die Aufklärung und Wiedergutmachung fordern, verhöhnt. Als wäre es der Schmach nicht genug, legt "Der Standard" nur wenige Tage nach der Jagd-Szene in der "Kronen Zeitung" mit einem Artikel über die "Benko-Villa" noch ein Brikett drauf. Luftaufnahme vom opulenten Familiensitz inklusive. Trotz der Signa-Pleite leben die Benkos in einem schlossähnlichen Anwesen mitten in einem 5501 Hektar großen Park. Und wieder ist es, wen überrascht es, die Laura Privatstiftung, die es möglich macht.

Der Familiensitz wurde 2016 von der Wiener Schlosshotel Igls Betriebs GmbH & Co KG gekauft, die wiederum der Laura Stiftung gehört. Offizielle Mieterin ist Ingeborg Benko, René Benkos Mutter. Pleite, wie ihr Sohn offiziell ist, lässt sie ihn und seine Familie dort wohnen und übernimmt alle Kosten. Laut "Der Standard" existiert ein rückwirkender Mietvertrag, der rechtlich einwandfrei ist. Der Nettomietzins beträgt 238.500 Euro. Eine Eigennutzung durch die Vermieterin ist vertraglich ausgeschlossen.

Wie sich die ehemalige Erzieherin eine Luxusherberge für knapp 2,9 Millionen Euro im Jahr leisten kann, ist skurril und dennoch einfach zu beantworten: Als Begünstigte erhält Ingeborg Benko Ausschüttungen aus den beiden Stiftungen. Einen Großteil davon gibt sie weiter. An ihren Sohn. Dem Privatinsolvenzverfahren im Frühjahr kann man entnehmen, dass Benko zwischen 2014 und 2024 Schenkungen und Darlehen in Höhe von fast 23 Millionen Euro von seiner Mutter erhielt. Gegenüber dem Insolvenzverwalter Andreas Grabenweger räumte der einstige Wunderwuzzi ein, dass er seinen Lebensunterhalt "nur durch die Schenkungen" seiner Mutter bestreiten könne.

"Um den Finger gewickelt" und belogen

Das Zurschaustellen seines Luxuslebens ist ein Affront gegenüber all denjenigen, die durch die Signa-Pleite Schaden genommen haben und auf Wiedergutmachung hoffen. Nur einer von ihnen ist der bekannte Hamburger Logistikunternehmer Klaus-Michael Kühne. Er hat beim Zusammenbruch des Signa-Konzerns eine halbe Milliarde Euro verloren, wie er erst kürzlich offenlegte.

"Wir haben fast unseren gesamten Einsatz verloren", gestand der Großinvestor gegenüber der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Wie er auf Benko hereinfallen konnte, ist dem gestandenen Unternehmer bis heute ein Rätsel. Ein Erklärungsversuch lautet: Benko habe teilweise gelogen, falsche Informationen geliefert und ihn "um den Finger gewickelt". Anfangs habe man nicht gemerkt, "dass seine Finanzierungen auf tönernen Füßen standen".

Stand heute ist klar, dass es nicht nur die Aussicht auf hohe Renditen war, die die Investoren blind werden ließ. Manches hat Benko offenbar vor ihnen auch verheimlicht. Laut "Wirtschaftswoche" kaufte Benko über seinen Signa-Konzern beispielsweise in den USA deutlich mehr Immobilien als bislang bekannt war. Vertrauliche Dokumente belegen, dass Signa etwa das Hochhaus 522 in der 5th Avenue im Jahr 2020 gemeinsam mit der Immobilienfirma RFR erworben hat. Bisher war man davon ausgegangen, dass RFR alleiniger Eigner war. Gesellschafter der Signa Holding werfen dem österreichischen Immobilien-Zauberer vor, nicht über den Zukauf des Gebäudes informiert worden zu sein – auch nicht über den gesamten Preis der Immobilie. Möglicherweise wollen sie dies nun nutzen, um Schadensersatzansprüche gegen ihn geltend zu machen.

Zweifel, ob das von Erfolg gekrönt sein wird, wachsen mit jedem Monat. Benkos Geldquelle scheint sicher. Seine Gesellschaften sind bankrott, die erhofften großen Immobiliengeschäfte ausgeblieben. Gleichzeitig verlieren die Häuser an Wert. Trotzdem kämpfen die Insolvenzverwalter weiter. Inzwischen haben sie ein neues Ziel ausgemacht, wo Geld zu holen ist. Im Fokus stehen jetzt die Aufsichtsräte. Enge Weggefährten Benkos wie der österreichische Ex-Kanzler Alfred Gusenbauer oder Jürgen Rupp, Finanzvorstand der RAG-Stiftung, der auch für Investitionen in diverse Signa-Gesellschaften verantwortlich war. Rupp war gleichzeitig Aufsichtsrat der Signa Prime (SPS) und zuletzt der Signa Development (SDS).

Die größten Verlierer der Pleite stehen bereits fest

Aus Sicht der Insolvenzverwalter sind die Kontrolleure für den Kollaps des Signa-Imperiums mitverantwortlich, weil sie die materielle Schieflage im Vorfeld hätten erkennen müssen. Laut "Manager Magazin" erhielten die Aufsichtsräte zwischen 30.000 und 120.000 Euro pro Jahr. Die Zahlungen für 2021 und/oder 2022 werden zurückgefordert. Auch der Statthalter von Klaus-Michael Kühne, Karl Gernandt, soll eine Rückzahlungsaufforderung erhalten haben. Angeblich haben die Signa-Prüfer das Geld auch schon freiwillig zurückgezahlt. Angesichts der Tatsache, dass Benko mit seiner Signa Holding mit über fünf Milliarden Euro an Schulden die bisher größte Insolvenz in Österreich hingelegt hat, ist das jedoch nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Die Hoffnung, noch einen großen Benko-Schatz zu finden, um die Opfer zu entschädigen, schwindet. Während die Gläubiger wenigstens auf kleines Geld hoffen können, haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die ihre Jobs verloren haben, keinerlei Anspruch auf Entschädigung. Sie sind die größten Verlierer.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Signa-Gruppe, die sich an ihrem Arbeitgeber beteiligt und ihre Anteile nicht rechtzeitig verkauft haben, gehen leer aus. Genauso wie die Beschäftigten des Handelskonzerns. Zehntausende arbeiten in Deutschland, Großbritannien, der Schweiz und Österreich. Allein der Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof in Deutschland, der dreimal Insolvenz anmelden musste und die deutschen Steuerzahler 680 Millionen Euro gekostet hat, hat seit 2020 rund 4000 Stellen abgebaut.

Und für die verbliebenen Beschäftigten sieht die Zukunft weiterhin nicht rosig aus: Die US-Investmentgesellschaft NRDC und eine Beteiligungsgesellschaft des Unternehmers Bernd Beetz, die inzwischen das Sagen bei der Galeria S.à r.l. & Co. KG, wie der neue Firmenname lautet, geben Handelsexperten wenig Anlass zur Hoffnung. "Den großen Wurf sehe ich nicht", sagt Carsten Kortum. "Bisher ist wenig bekannt oder erkennbar, was die neuen Eigentümer vorhaben. Es müsste viel Geld in das Unternehmen fließen, aber das ist offenbar nicht geplant", so der Professor an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg Heilbronn. Signa hat einen Scherbenhaufen hinterlassen, der wohl kaum mehr zu kitten ist.

Quelle: ntv.de

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