Wirtschaft

Intraprenör-Chef Meier Für die Viertagewoche gibt es "viele kreative Lösungen"

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Nicht bei allen Unternehmen bedeutet eine entsprechende Reduzierung der Arbeitszeit, dass Mitarbeiter einen Tag pro Woche frei haben.

Nicht bei allen Unternehmen bedeutet eine entsprechende Reduzierung der Arbeitszeit, dass Mitarbeiter einen Tag pro Woche frei haben.

(Foto: picture alliance / SvenSimon)

Seit Februar versuchen 45 Unternehmen, im Rahmen eines Pilotprojekts die Viertagewoche einzuführen - bei vollem Gehalt und voller Leistung ihrer Mitarbeiter. Eine Zwischenbilanz zeigt manche Probleme und Herausforderungen. Mitinitiator Carsten Meier von der Unternehmensberatung Intraprenör zieht im Interview mit ntv dennoch ein positives Fazit.

ntv: Das Zwischenfazit zu Ihrem Pilotprojekt hat ergeben, dass 40 Prozent der Unternehmen Probleme dabei hatten, auf eine Viertagewoche umzustellen. Was waren da die Herausforderungen?

Carsten Meier: Die Vier-Tage-Woche ist natürlich ein Veränderungsprozess. Es geht darum, Prozesse umzustellen, anders zu führen, Kulturen zu verändern. Es ist ganz normal, dass es da nicht nur zu guten, schnellen Lösungen kommt, sondern dass es auch Herausforderungen gibt. Das heißt für uns, dass da ein ganz typischer Veränderungsprozess stattfindet, bei dem Unternehmen darüber nachdenken müssen, wie sie sich verändern, damit eine Vier-Tage-Woche überhaupt möglich ist.

Welche Herausforderungen waren das und wie wurden die gelöst?

Vor allem ging es um Anpassung: Wie kann ich die Arbeit so umstellen, dass Ziele eben auch in weniger Zeit erreichbar sind? Beispielsweise ging es darum, welche Digitalisierungseffekte kann man noch erzielen. Wie kann man Meetings anpassen, wie kann man Kommunikation anpassen? Aber auch: Wie müssen wir unsere Schichten neu planen? Wie müssen wir Dinge insgesamt neu strukturieren? Das braucht Zeit. Und vor allem braucht es die Einblicke und kreativen Ideen, die unter anderem aus der Mitarbeiterschaft kommen. Das ist ein Effekt, den wir jetzt bemerkt haben in diesem Zwischenbericht: Viele Mitarbeiter sind motiviert, selbst Ideen einzubringen, wie man eine Vier-Tage-Woche überhaupt möglich machen kann.

Dann ist es trotzdem nicht bei allen aufgegangen. Zwei Unternehmen haben sogar abgebrochen. Was war da los?

Unternehmensberater Carsten Meier sammelt so viele Daten wie möglich von den teilnehmenden Mitarbeitern und Führungskräften - sogar Haarproben, um das Stresslevel zu erfassen.

Unternehmensberater Carsten Meier sammelt so viele Daten wie möglich von den teilnehmenden Mitarbeitern und Führungskräften - sogar Haarproben, um das Stresslevel zu erfassen.

In allen internationalen Studien sehen wir, dass nicht alle, die starten, dann auch abschließen. In diesem Fall sind es zwei Unternehmen, die jetzt nach zwei Monaten entschieden haben, es reicht für sie erst einmal. Die beenden den Test. Wir gehen davon aus, dass hier wirtschaftliche Effekte eine Rolle spielen. Wir befinden uns in einer wirtschaftlichen Lage in Deutschland, die nicht einfach ist. Unternehmen stehen vor der Frage, haben wir eigentlich gerade genug Fokus, um uns mit einem Experiment auseinanderzusetzen, das so viele Fragen aufwirft. Oder müssen wir uns ganz darauf konzentrieren, erst mal durch diese wirtschaftliche Lage zu kommen? Wir sehen aber auch, dass viele der anderen Unternehmen sehr positiv damit umgehen und weiter diesen Weg beschreiten.

Und wie sehen diese Modelle aus? Es ist ja auch gar nicht bei allen teilnehmenden Unternehmen tatsächlich eine Viertagewoche geworden.

Genau. Man sieht, dass da sehr kreative Lösungen gefunden werden für eine Arbeitszeitverkürzung. Beispielsweise machen Unternehmen eine Viereinhalb-Tage-Woche und jeden zweiten Freitag frei. Andere Unternehmen sagen, du kannst auswählen, ob du eine verkürzte Arbeitszeit in vier oder in fünf Tagen machen willst. Wieder andere sagen, wir verdichten das und wir nehmen weniger Arbeitszeit, aber packen das in vier Tage, zum Beispiel 36 Stunden in der Woche in vier Neunstundentage.

Welche Branchen sind in dem Pilotprojekt vertreten?

Das ist sehr, sehr divers: von Handwerksbetrieben über Industrie bis hin beispielsweise zu Kita-Betreibern. Aber auch IT-Unternehmen, Beratungsfirmen und Agenturen machen mit. Da ist eigentlich alles dabei, was man sich so unter der deutschen Wirtschaft vorstellt.

Wie Sie erwähnt haben, ist die Lage der Wirtschaft schwierig. Kann es sich Deutschland überhaupt leisten, auf eine Vier-Tage-Woche zu setzen?

Diese Frage müssen Volkswirte und Politiker beantworten. Wir schauen in unserer Pilotstudie, ob eine Vier-Tage-Woche eine betriebswirtschaftliche Lösung sein kann. Und da können wir sehen, dass sie für gewisse Unternehmen einen Vorteil bietet, um Fachkräfte anzuziehen und offene Stellen besser zu besetzen. Dafür kann es eine Lösung sein. Ob es eine Lösung ist für alle Branchen in der aktuellen Lage in Deutschland? Das müssen wir an anderer Stelle tiefer diskutieren.

Wie messen Sie und werten Sie aus, ob dieses Experiment funktioniert? Mitarbeitende sagen ja wahrscheinlich etwas anderes als die Chefs.

Wir erheben Daten von Führungskräften und Mitarbeitenden, die teilnehmen. Es werden auch Kontrollgruppen getestet neben denen, die am Pilotprojekt teilnehmen, um zu schauen, ob es da Unterschiede gibt. Wir versuchen sehr viele Daten einzusammeln, um am Ende auch wirklich gute Erkenntnisse liefern zu können. Unter anderem werden Haarproben genommen, um zu schauen, wie hoch das Stresslevel ist und wie es sich verändert. Einige Teilnehmer haben auch Fitnesstracker an ihren Armbändern und teilen ihre Daten darüber, um zu schauen, wie verändert sich beispielsweise der Schlaf.

Mit Carsten Meier sprach Sibylle Scharr

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