Machtkampf in Venezuela Kreml fürchtet um Milliarden-Wette
25.01.2019, 14:33 Uhr
Juan Guaidó fordert Nicolás Maduro heraus.
(Foto: REUTERS)
In Venezuela könnte es bald einen neuen Präsidenten geben. Für die russische Regierung wäre das eine schlechte Nachricht, schließlich hat sie Milliarden in das Regime von Nicolás Maduro gesteckt.
Russland hat viele Milliarden in Venezuela gesteckt. Diese gewaltige Wette könnte nun gehörig schiefgehen. Oder wie es die Boulevardzeitung "Komsomolskaja Prawda" ausdrückt: "Was wird aus unserem Geld?"
Der Grund für diese Sorge ist der Machtkampf in Venezuela. Oppositionsführer Juan Guaidó hat sich nach Massenprotesten übergangsweise zum Präsidenten erklärt und fordert Staatschef Nicolás Maduro offen heraus - die USA haben Guaidó umgehend als legitimen Präsidenten anerkannt. In Moskau stößt das auf wütende Kritik. Russland sehe die "versuchte Machtübernahme" der Opposition als "Verstoß gegen das internationale Recht" an, sagte der Sprecher von Präsident Wladimir Putin. Die "schädliche Einmischung von außen" sei "inakzeptabel".
Die Aussicht auf Neuwahlen und einen Machtwechsel in Venezuela ist für Moskau tatsächlich alles andere als erfreulich. Berechnungen der Nachrichtenagentur Reuters zufolge haben die russische Regierung und der staatliche Öl-Gigant Rosneft dem südamerikanischen Land unter Führung der sozialistischen Präsidenten Hugo Chávez und Maduro seit 2006 Kredite und Kreditlinien in Höhe von mindestens 17 Milliarden Dollar zur Verfügung gestellt.
Venezuelas größter Gläubiger ist zwar China. Doch seitdem das ölreiche Land in eine tiefe wirtschaftliche Krise rutschte und sich andere Investoren zurückzogen, ist der Kreml der wichtigste Geldgeber Venezuelas geworden. Für die russische Regierung ist das Engagement in Venezuela eine geostrategische Investition: Sie will damit den Einfluss Russlands in Lateinamerika massiv ausbauen.
Atombomber in Venezuela
Die russische Regierung hat nun die Sorge, dass sie bei einem Sturz Maduros einen Großteil der Kredite abschreiben muss. Aller Wahrscheinlichkeit nach werden sich die wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zwischen Venezuela und Russland deutlich verschlechtern, sollte Oppositionsführer Guaidó an die Macht kommen. Ob es zu einem radikalen Bruch kommt, ist allerdings völlig offen.
Doch so russlandfreundlich wie unter Chávez und Maduro wird Venezuela nach einem Machtwechsel sicher nicht bleiben. Immerhin landeten im vergangenen Dezember zwei atomwaffenfähige russische Langstreckenbomber vom Typ Tu-160 in Venezuela - die Hauptstadt Caracas liegt drei Flugstunden von Miami entfernt.
Neben dieser Symbolpolitik gibt es auch handfeste wirtschaftliche Interessen Russlands. So ist Rosneft wegen der russischen Kredite und finanziellen Rettungsaktionen an einigen Förderprojekten in Venezuela beteiligt. Die gesamte Produktion aus diesen Anlagen betrug Reuters zufolge im Jahr 2017 acht Millionen Tonnen oder 161.000 Fass am Tag, Rosnefts Anteil daran lag bei drei Millionen Tonnen.
Und dann gibt es noch einen Deal, der enorme Sprengkraft hat: Im Gegenzug für einen Kredit in Höhe von 1,5 Milliarden Dollar bekam Rosneft vom venezolanischen Ölkonzern PDVSA als Sicherheit dessen Anteil von 49,9 Prozent am US-Raffinerie-Unternehmen Citgo. Sollte Rosneft Eigentümer dieses Anteils werden wollen, dürfte die US-Regierung versuchen, dies zu verhindern und die Konfrontation mit russischer und venezolanischer Regierung suchen.
Krise führt zu Massenflucht
Doch es geht nicht nur um Öl. Venezuela bekommt auch Kredite, um auf Pump den Kauf von Waffen aus russischer Produktion zu kaufen. Das erste solche Abkommen wurde schon 2006 in Moskau von Chavez und Putin unterzeichnet. Seitdem besorgte sich Venezuela beispielsweise Kalaschnikow-Gewehre, Suchoi-Flugzeuge und Panzer.
Vor diesem Hintergrund hat Venezuela die Unabhängigkeit Abchasiens und Süd-Ossetiens anerkannt und sich bei der Annexion der Krim an die Seite Russlands gestellt, auch wenn es die Einverleibung offiziell nicht anerkannt hat.
Derweil steckt Venezuela mit seinen rund 30 Millionen Einwohnern seit Jahren in einer schweren Rezession, die Inflation ist außer Kontrolle. Der Internationale Währungsfonds sagt für das laufende Jahr eine Teuerungsrate von zehn Millionen Prozent voraus. Die Arbeitslosigkeit ist enorm, es mangelt an Grundnahrungsmitteln und Medikamenten. Mehr als drei Millionen Menschen sollen das Land bereits verlassen haben.
Nach Ansicht des russischen Oppositionellen Alexej Nawalny wird auch Maduro bald nicht mehr in Venezuela leben. "Für uns wird die venezolanische Revolution damit enden, dass zwölf Milliarden Dollar unseres dort investierten Geldes verschwinden", twitterte er. Sechs Milliarden davon werde der Präsident Venezuelas stehlen. "In ein paar Monaten wird es möglich sein, aus dem Hubschrauber die Datscha von Maduro an der [bei Russlands Superreichen als Wohngegend beliebten] Rubljowka-Straße zu sehen."
Quelle: ntv.de, mit rts