Wirtschaft

Ökonom Bachmann im Interview "Muss wehtun, wenn man sich nicht impfen lässt"

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(Foto: imago images/Ralph Peters)

Ab Herbst werden die meisten Ungeimpften für Corona-Tests bezahlen müssen. Wirtschaftswissenschaftler Rüdiger Bachmann hofft, dass das die Impfbereitschaft erhöhen wird. Die Bundesregierung müsse Anreize setzen, positive oder negative, sagt er im Gespräch mit ntv.de.

ntv.de: Die kostenlosen Bürgertests laufen im Herbst aus. Dann wird der Besuch etwa von Altenheimen, Frisören oder Restaurants Geld kosten für diejenigen, die sich zwar impfen lassen können, es aber bis dahin nicht getan haben. Bund und Länder wollen damit die Impfquote erhöhen. Halten Sie das für eine gute Idee?

Rüdiger Bachmann: Im Prinzip schon. Aus epidemiologischen Gründen brauchen wir eine höhere Impfquote. Ein Weg ist, die Kosten für Nicht-Geimpfte zu erhöhen. Da die Bundesregierung ja zu Recht nicht vorhat, diese mit einem Bußgeld zu belegen oder gar ins Gefängnis zu stecken, muss sie Anreize setzen - positive oder negative. Die Regierung hat sich für einen negativen Anreiz entschieden und macht Nichtimpfen implizit teurer.

Ein Weg wäre auch, beide Anreize zu setzen.

Ja, beispielsweise durch eine Impfprämie. Aber entscheidender ist, schnell noch einmal eine große Kampagne bis zum Herbst zu starten. Sie muss möglichst viele Menschen erreichen, damit sie sich impfen lassen.

Einige Ökonomen warnen davor, Tests kostenpflichtig zu machen. Denn das werde viele Menschen davon abhalten, sich testen zu lassen. Und genau das sei in der Pandemie falsch. Es sei also gut investiertes Geld, die Kosten für Tests zu übernehmen.

Bisher war das gut investiertes Geld. Doch mittlerweile gibt es ein weiteres Instrument: die kostenlose Impfung. Im Kampf gegen die Pandemie ist die Impfung das viel bessere Mittel, als sich freitesten zu lassen. In Hotspots kann es auch in Zukunft durchaus Sinn ergeben, kostenlose Tests anzubieten. Aber zum jetzigem Zeitpunkt ist es richtig, Testen kostenpflichtig zu machen. Es muss ökonomisch wehtun, wenn man sich nicht impfen lässt. Wenn man sich für jeden Kneipenbesuch ab Herbst kostenpflichtig testen lassen muss, wird das die Impfbereitschaft hoffentlich erhöhen.

Aber nur, wenn in der Stammkneipe das Testzertifikat kontrolliert wird.

Selbstverständlich besteht die Gefahr, dass ein Schwarzmarkt entsteht und falsche Zertifikate ausgestellt werden oder dass Gastronomen nicht ganz so genau hingucken. Aber niemand weiß, welches Ausmaß das haben wird. Und ohne Anreize erhöhen wir die Impfquote nicht.

Sie haben die Impfprämie angesprochen. Was halten Sie von diesem Instrument?

Prof. Rüdiger Bachmann ist Ökonom und lehrt Wirtschaftswissenschaften an der University of Notre Dame. 

Prof. Rüdiger Bachmann ist Ökonom und lehrt Wirtschaftswissenschaften an der University of Notre Dame. 

(Foto: Matt Cashore/University of Notre Dame)

Das würde teuer, schließlich müsste man allen Geimpften auch rückwirkend die Prämie zahlen. Damit eine Impfprämie wirkt, muss sie hoch sein. Meine Kollegin Nora Szech schlägt 500 Euro vor. Bei 80 Millionen Einwohnern abzüglich derer, für die es noch keine Impfung gibt, ist das eine erhebliche Summe. Auf der anderen Seite kann man einwenden, dass die Kosten der Pandemie noch viel höher sind. Doch es stellt sich die Frage: Warum soll man Menschen Geld zahlen, damit sie sich sozial verhalten?

Besteht nicht außerdem die Möglichkeit, dass die Prämie genau das Gegenteil von dem erreicht, was man will? Denn wenn man für eine Impfung Geld bekommt, könnte sich ja die Annahme verbreiten, die Impfung sei etwas Schlechtes.

Das ist denkbar. Auch sind langfristige Konsequenzen möglich. Wenn das nächste Mal Kooperationsverhalten von den Bürgern erwartet wird, heißt es vielleicht: Jetzt will ich wieder 500 Euro. Wir wissen allerdings nicht, wie sich eine Prämie genau auswirken wird. Denn ein solcher Großversuch wurde noch nicht durchgeführt. Insofern spekulieren hier alle Ökonomen.

Die Bundesregierung hat sich für einen Weg entschieden. Ob das ein guter Weg ist, werden wir hoffentlich im Herbst sehen. Aber ob das der beste Weg ist, werden wir nie erfahren. Denn wir probieren nicht verschiedene Lösungen aus und erfahren so, welche die optimale ist. Das ist das Problem in vielen ökonomischen Fragestellungen - man kann nicht experimentieren.

Kategorische Impf-Verweigerer dürften sich durch eine Prämie nicht überzeugen lassen ...

Wer hinter einer Impfung dunkle Mächte sieht, ist dadurch nicht erreichbar. Aber das ist hoffentlich nur ein sehr kleiner Prozentsatz. Die meisten lassen sich nicht impfen, weil ihnen das zu aufwändig ist oder sie der Meinung sind, dass sie die Impfung derzeit nicht brauchen. Für viele Menschen sind 500 Euro zwar viel Geld. Dennoch ist es ihnen nicht so wichtig, wenn sie kein Geld bekommen, das sie nicht haben. Eine in Aussicht gestellte Prämie ist abstrakt. Kosten allerdings sind ganz konkret und wirken damit direkter als eine Prämie, die man sich entgehen lässt.

Der Schutz vor einer Covid-Infektion dürfte eigentlich ein ausreichender Anreiz sein, sich impfen zu lassen. Doch selbst viele Impfbereite haben es damit nicht eilig. Also legen in Berlin DJs bei der "Langen Nacht des Impfens" auf, anderswo gibt es zur Impfung eine Bratwurst. Warum ist das nötig?

Es kommt oft auf die Verpackung an. Menschen ticken eben nicht rein ökonomisch. Wenn es rein ökonomisch zuginge, würden wir uns alle Geld zu Weihnachten schenken. Aber so sind wir nicht. Wir freuen uns über die Karte, die Geste, die Präsentation. Das ist uns wichtig.

Mit Rüdiger Bachmann sprach Jan Gänger

Quelle: ntv.de

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