Wirtschaft

"Falsche Entscheidung" Ökonomen halten wenig von der Mehrwertsteuersenkung

Grund für die Mehrwertsteuersenkung ist vor allem die Gasumlage, die im Oktober wirksam wird.

Grund für die Mehrwertsteuersenkung ist vor allem die Gasumlage, die im Oktober wirksam wird.

(Foto: IMAGO/ITAR-TASS)

Die Bundesregierung wird die Mehrwertsteuer auf Gas senken. Ökonomen halten das für einen Fehler. Denn dadurch werde der Anreiz zum Sparen verringert. "Hoffentlich denken die Menschen jetzt nicht, dass Gas doch nicht so teuer wird", twittert die Wirtschaftsweise Veronika Grimm.

Die von Bundeskanzler Olaf Scholz angekündigte vorübergehende Senkung der Mehrwertsteuer auf Gas von 19 auf sieben Prozent stößt bei Ökonomen auf wenig Gegenliebe. Das sei wieder einmal Politik nach dem Gießkannenprinzip, kritisierte Jens Südekum, Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Bundeswirtschaftsministeriums. Sie entlaste viele Kunden, die das nicht nötig hätten. "Schade, dass sich die FDP innerhalb der Ampel-Koalition mit dem nächsten ökonomisch höchst zweifelhaften Vorschlag durchgesetzt hat. Richtig wäre gewesen: Preissignale voll wirken lassen, Abfederung durch sozial gestaffelte Einkommenstransfers", so Südekum. Von der Senkung profitierten auch Gutverdiener, für die der Staat derzeit keine Entlastung stemmen könne. Zudem werden die Anreize zum Gassparen verringert. "Es wird also genau das Gegenteil von dem erreicht, was eigentlich gerade nötig ist", sagte Südekum.

Das sieht Rüdiger Bachmann von der US-Uni Notre Dame ähnlich. "Das ist die ökonomisch und auch politisch falsche Entscheidung. Es gäbe Möglichkeiten der Entlastung, die nicht in den Preismechanismus eingreifen", twitterte er. Wie andere Ökonomen auch fürchtet Bachmann, dass der Anreiz sinkt, Gas zu sparen. Nach Einschätzung von Bundesnetzagentur-Chef Klaus Müller muss 20 Prozent Gas eingespart werden, um gut über den Herbst und den Winter zu kommen.

Auch die Wirtschafsweise Veronika Grimm hält deshalb wenig von der Senkung. "Hoffentlich denken die Menschen jetzt nicht, dass Gas doch nicht so teuer wird", twitterte die Ökonomin. Verglichen mit den zu erwartenden Preissteigerungen sei der Schritt nur "ein Tröpfchen auf den heißen Stein". Die Preiserhöhungen würden für viele erst im kommenden Jahr mit der Heizkostenabrechnung spürbar. Entlastungen "bis in die gesellschaftliche Mitte (nicht nur Transferempfänger)", seien wichtig. Durch die Senkung der Mehrwertsteuer würden nun aber Einnahmen fehlen, die zur Finanzierung der Entlastungen beitragen könnten. "Die Entlastungen wären auch die Voraussetzung, dass man die Preise zeitnah weitergeben kann - was mit Blick auf das GASSPAREN sinnvoll wäre!"

Es wäre klüger gewesen, Preise nicht zu verzerren und stattdessen Transfers zu zahlen, twitterte Jan Schnellenbach, Ökonom an der Technischen Universität in Cottbus. "Die administrativen Probleme (Energiegeld zu den Rentnern bringen etc.) hätten sich irgendwie lösen lassen. Hoffentlich ist das jetzt kein Dammbruch zu weitergehender Preismanipulation."

"Eine interessante Entscheidung (…), die keine gute Entscheidung ist", twitterte Marcel Fratzscher, Präsident des Wirtschaftsforschungsinstituts DIW. Für Geringverdiener sei der Schritt besser als nichts. "Aber es ist kein gutes Instrument, denn es ist teuer, nicht zielgenau und entlastet Menschen mit geringen Einkommen viel zu wenig. Menschen mit hohem Einkommen und Unternehmen bekommen den größten Teil", twitterte der Ökonom. Eine typische vierköpfige Familie mit Gasheizung werde durch das Absenken der Mehrwertsteuer um etwa 500 Euro jährlich entlastet, während die Kosten für Gas um etwa 3600 Euro steigen würden. Viel besser seien direkte Transferzahlungen, so schlägt Fratzscher ein "Energiegeld, von 100 Euro pro Monat und Person für Haushalte mit mittlerem und geringem Einkommen" vor.

Quelle: ntv.de, jga /rts

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