Wirtschaft

Konkurrenz aus Asien ist riesig Viessmann will mit Verkauf "ruinösem Wettbewerb" entgehen

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Mit dem beschlossenen Deal geht das Kerngeschäft von Viessmann im rund fünfmal so großen Carrier-Konzern auf und erlangt so eine deutlich höhere Kapitalkraft.

Mit dem beschlossenen Deal geht das Kerngeschäft von Viessmann im rund fünfmal so großen Carrier-Konzern auf und erlangt so eine deutlich höhere Kapitalkraft.

(Foto: picture alliance/dpa/Viessmann)

Der deutsche Wärmepumpen-Marktführer Viessmann wird amerikanisch. Laut dem Unternehmensberater Martin Schulte bedeutet das: Die Energiewende könnte in deutschen Haushalten zwar von ausländischen Herstellern beeinflusst werden. Für Kunden wird die Umstellung aber deutlich günstiger.

Während die Hersteller von Wärmepumpen wegen der Energiewende gerade goldene Zeiten erleben, schockt das Familienunternehmen Viessmann eine gesamte Branche: Der hessische Heiz- und Klimatechnik-Konzern wird für zwölf Milliarden Euro in die USA an den Klimaanlagen-Hersteller Carrier Global verkauft. Die Gründerfamilie trennt sich damit vom Kerngeschäft ihres 106 Jahre alten Unternehmens. Das ist zwar insofern problematisch, als dass die Produkte von Viessmann eine Schlüsselrolle bei der Energiewende spielen, überraschend kommt der Schritt aber nicht.

"Der Verkauf von Viessmann ist der Versuch, einem ruinösen Wettbewerb der kommenden Jahre zu entgehen", sagt Martin Schulte, Partner bei der Unternehmensberatung Oliver Wyman, im Gespräch mit ntv.de. Seiner Einschätzung nach ist abzusehen, dass sich das Angebot an Wärmepumpen in Europa in den nächsten 12 bis 18 Monaten mehr als verdoppeln wird und die Preise damit deutlich sinken werden. Strategisch gesehen bedeutet der Rückzug des Unternehmens auch: "In deutschen Haushalten könnte die Energiewende die nächsten Jahre von ausländischen Herstellern und Marken beeinflusst werden."

Denn: Im globalen Wettbewerb zählen irgendwann nur noch Größe und Stückzahl. Hier sind besonders die asiatischen Anbieter von Klimaanlagen im Vorteil, die mit Wärmepumpen in weiten Teilen bauähnlich sind und seit Jahrzehnten in extrem hohen Stückzahlen hergestellt werden.

Zusätzlich bauen gerade viele große asiatische Unternehmen Fabriken in Europa, besonders in Polen. Sobald diese ans Netz gehen, können jeweils bis zu einer Million Wärmepumpen im Jahr produzieren werden. Gerade in Polen locken schnellere Genehmigungsverfahren, geringere Energiepreise und niedrigere Lohnkosten.

Bei der Betrachtung des globalen Marktes fällt auf: Die Konkurrenz aus Asien ist oftmals bis zu 10 Mal so groß. Damit können in Deutschland nur wenige Hersteller mithalten. Schulte betont aber auch: "Eine Wärmepumpe ist keine Raketenwissenschaft. Die deutschen Hersteller sind mindestens so gut aufgestellt wie die Konkurrenz aus Asien." Außerdem seien die Unternehmen aus Deutschland viel besser an den heimischen Markt angepasst.

Habeck kündigt Prüfung von Verkauf an

Neben Viessmann zählen Bosch mit seiner Marke Buderus und Vaillant zu den größten deutschen Heizungs-Herstellern. Beide Unternehmen haben bereits milliardenschwere Investitionen in den Bau von Wärmepumpen angekündigt. Den Unternehmen geht es so gut wie nie. Deutlich kleiner ist etwa Stiebel Eltron aus Niedersachsen. Gerade die kleineren mittelständischen Unternehmen könnten schon bald ähnliche Probleme wie Viessmann bekommen und sich laut Schulte fragen: "Wie wettbewerbsfähig ist unser Geschäftsmodell, wenn jetzt die globalen Gorillas aus dem Heizungs- und Kühlungssektor auf den deutschen Markt drängen?" Experten rechnen damit, dass insbesondere für kleine Unternehmen das Marktumfeld bei diesem Wettrüsten langfristig schwieriger wird. Für die Kunden bedeutet der zunehmende Wettbewerb, dass die Geräte günstiger werden.

Mit dem nun beschlossenen Deal geht das Kerngeschäft von Viessmann im rund fünfmal so großen Carrier-Konzern auf und erlangt so eine deutlich höhere Kapitalkraft. Carrier-Chef David Gittin bezeichnete die Akquisition als "spielverändernde Gelegenheit". Die Viessmann-Klimasparte sei entscheidend für die europäische Energiewende. Das Unternehmen habe eine extrem starke Marktposition, einzigartige Vertriebskanäle und enorme Wachstumschancen.

Experten zufolge wird sich der Markt in Europa bis 2027 auf 15 Milliarden Euro verdreifachen. Viessmann hatte wegen der rasant steigenden Nachfrage seit Monaten versucht, neues Geld für den Hochlauf der Wärmepumpen-Produktion aufzubringen - rund eine Milliarde Euro, für die unter anderem ein Werk in Polen gebaut werden soll. "Zusätzliche Wachstumsmöglichkeiten müssen zusätzlich finanziert werden", hatte das Unternehmen im Februar erklärt.

Dass Viessmann verkauft hat, ist für den deutschen Wärmepumpen-Markt laut Schulte noch nicht dramatisch. "Der Verkauf wird allerdings einen sehr starken Preisdruck nach unten auslösen, weil letztendlich Geräte unter der Marke Viessmann zu einem gegebenenfalls günstigeren Preis auf den Markt kommen. Das setzt das gesamte Preisgefüge unter Druck."

Dessen ist sich anscheinend auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck bewusst. Er hat bereits angekündigt, dass er den Verkauf der Wärmepumpensparte genau unter die Lupe nehmen will. "Wir werden uns das Vorhaben im Rahmen der vorgesehenen Prüfschritte anschauen und sind im Gespräch mit dem Verkäufer und dem Investor, damit das Projekt unserer Wirtschaft und dem Standort Deutschland dient", sagte der Grünen-Politiker. Die Vorteile der deutschen Energiepolitik und Gewinne, die damit erwirtschaftet würden, müssten weiter dem Standort Deutschland zugutekommen. Gerade deutsche Unternehmen hätten die Wärmepumpentechnik vorangebracht, sagte Habeck.

Herstellung sukzessive weiter ins Ausland verlagern

Was Habeck nicht erwähnt: Bereits vor dem Verkauf von Viessmann haben viele deutsche Hersteller in Osteuropa oder Asien produziert. Die Herstellung einer Wärmepumpe ist nicht kompliziert. Es ist deswegen davon auszugehen, dass Unternehmen auch in Zukunft den Bau weiter schrittweise ins Ausland verlagern.

Unternehmer Max Viessmann will mit dem Verkaufserlös das verbleibende Geschäft stärken, in dem der Konzern mit 400 Mitarbeitern rund eine Milliarde Euro umsetzt. Der Umsatz solle sich bis zum Ende des Jahrzehnts vervierfachen. "Wir können die weltweite Energiewende nur dann erfolgreich meistern, wenn Unternehmen global denken, handeln und zusammenarbeiten", erklärte der Konzernchef. Mit dem Zusammenschluss entstehe ein "zukunftssicherer, globaler Klima-Champion".

Viessmann wird kein Einzelfall bleiben, ist sich Schulte sicher. "Es wird zu einer weiteren Konsolidierung kommen." Für ihn ist es aber genauso denkbar, dass sich in Zukunft mehrere deutsche Unternehmen zusammentun. Eine zu große Herausforderung sieht er in der Energiewende aber nicht für die deutschen Wärmepumpenhersteller. "Die Branche boomt. Konsumenten müssen momentan sechs Monate auf eine Wärmepumpe warten. Die Energiewende ist ein riesiger Motor. Was zu dieser Konsolidierung führt, ist schlicht die aktuelle Wettbewerbssituation."

Quelle: ntv.de, mit rts und dpa

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