Der "kleine" Panamera kommt Einstiegshürde tiefer gelegt
18.05.2010, 11:17 Uhr
Dank der flachen Bauweise des Sechszylinders brauchte die Motorhaube des Panamera nicht verändert zu werden.
(Foto: Textfabrik/Busse)
Der erste Porsche mit V6-Ottomotor ist startklar: Zwei zusätzliche Varianten des Panamera - mit Hinterradantrieb und mit Allrad - ergänzen das Angebot der coupéhaften Limousinen. Das Auto hat das Zeug zum Verkaufsschlager. Möglicherweise zu Lasten des Panamera S.
Es war gewiss keine Liebesheirat, aber die Ehe mit Volkswagen scheint Porsche zu beflügeln. Mit imposanter Schlagzahl sind die Zuffenhausener Sportwagenbauer ins Jahr gestartet. Nach Cayenne, 911 Turbo S und dem Über-Porsche GT2 RS steht schon die nächste Premiere vor der Tür: Ab Mai soll der "kleine" Panamera zu den Kunden rollen. Zwar ist auch dieser Viertürer fast fünf Meter lang und deshalb alles andere als klein, aber der Nachzügler muss mit zwei Zylindern und 100 PS weniger auskommen.
Seit der Weltpremiere des Panamera in Schanghai sind zwei Jahre vergangen. 16.400 Fahrzeuge wurde seither produziert. Porsche sieht das als Erfolg an. In der deutschen Zulassungsstatistik schlägt er sich achtbar. Zwar ist an den Verkaufszahlen von 7er BMW und S-Klasse bisher nicht zu klingeln, aber in nur einem halben Jahr Marktpräsenz hat der Panamera in Deutschland auch gut die Hälfte der Stückzahlen erreicht, was Audi A8 oder VW Phaeton absetzten.
Verbrauch unter zehn Litern möglich
Optisch hat Porsche die Unterschiede des Neulings zu den 400 und 500 PS-Brüdern bewusst gering gehalten. Die Spange an den vorderen Kotflügeln ist abgedunkelt, innen zieren Intarsienstreifen die Holzverkleidungen (als Option) und lassen den Innenraum noch edler wirken. Der Sonderstatus, den die beiden neuen Modelle innerhalb der Baureihe für sich reklamieren, gründet sich aber nicht auf der Motorleistung, sondern der Tatsache, dass die Ausführungen mit dem Doppelkupplungsgetriebe PDK nach EU-Norm nur 9,3 Liter je 100 Kilometer verbrauchen sollen. Wie konsequent hier auf Effizienz hin entwickelt wurde, zeigt der Vergleich mit der von Hand geschalteten Ausführung: Er beträgt ganze zwei Liter.
Es geht sogar noch um 0,2 Liter günstiger: Als aufpreisfreie Option bietet Porsche rollwiderstandsoptimierte Ganzjahresreifen auf 19-Zoll-Alurädern an. Wer verbrauchsorientiert unterwegs sein will, wird – so die Annahme – ohnehin auf Vollgasausflüge verzichten, und so ist diese Sonderbereifung nur bis 240 km/h zugelassen. Wer Hochdrehzahl und Express-Zuschlag nicht scheut, kann den Hecktriebler bis 261 km/h rennen lassen. Die um 90 Kilogramm schwerere Allradvariante ist mit 257 km/h angegeben.
Solche Werte sind gut fürs Quartett-Spielen, in der Praxis haben sie nur selten Bedeutung, da ist die deutsche Verkehrsdichte vor. Auf freier linker Spur, das ergaben erste Testkilometer, geht es bis 230 km/h mit Macht voran. Darüber wird es etwas mühsam, und wer mehr braucht, soll halt nochmal in die Tasche greifen und einen Achtzylinder ordern. Das PDK ist so ausgelegt, dass die siebte Fahrstufe die Drehzahl niedrig hält, während das Höchsttempo im 6. Gang erreicht wird. So kommt es, dass bei Schubanforderung selbst bei 190 km/h nochmal in den 6. Gang zurück geschaltet wird.
Gewicht wie ein Mittelklasse-Auto
Dass der V6-Panamera in der Agilitäts-Wertung nur unwesentlich hinter dem V8 rangiert, hat mehrere Gründe. Einerseits wiegt der Motor nur rund 180 Kilogramm und ist damit rund 30 Kilo leichter als der V8. Andererseits sind die Zylinderbänke im Gegensatz zu herkömmlichen Sechszylindern im 90-Grad-Winkel angeordnet (sonst 60 Grad), was den Fahrzeugschwerpunkt absenkt. Darüber hinaus wurde das Leichtbaukonzept konsequent weiter geführt, bei dem nicht nur Kurbelgehäuse und Zylinderköpfe, sondern auch Achsen, Türen, Motorhaube, Kotflügel und Heckklappe aus Aluminium gefertigt sind. Mit 1730 Kilo ist der Panamera nicht schwerer als viele gut ausgestattete Mittelklasse-Limousinen.

Eine dunkle Armaturenbrett-Verkleidung ist empfehlenswert, um Spiegelungen in der Windschutzscheibe zu vermeiden.
(Foto: Textfabrik/Busse)
Mehr Freude noch als auf der Autobahn macht der V6-Panamera auf schwungvoll gewundenen Landstraßen, wo schnell, präzise Lenkbewegungen und spontane Tempowechsel gefragt sind. Allzu leicht kann man dort vergessen, dass man mit einem fast fünf Meter langen Viertürer unterwegs ist, so leichtfüßig und dynamisch geht es ums Eck. Dies ist nicht zuletzt dem leichteren Motor zu verdanken, der eine geringere vordere Achslast mit sich bringt und das Handling so kraftschonend macht.
Fairerweise muss man erwähnen, dass der Testwagen mit adaptiver Luftfederung sowie der dynamischen Chassis-Kontrolle PDCC ausgestattet war. Beide Systeme gehören mit zusammen rund 8200 Euro zu den kostspieligsten Sonderausstattungen, erhöhen aber auch die Fahrfreude gewaltig. Sie wirken auf das Dämpfersystem, das über drei wählbare Härtegrade verfügt. In der Sport-Stellung wird es zwar spürbar steifer, ohne jedoch unkomfortabel zu wirken. Außerdem bietet es aktiven Wankausgleich und das so genannte Torque-Vectoring, das mittels einer elektronisch geregelten Hinterachs-Quersperre gezielte Bremseingriffe am kurvenäußeren Hinterrad vornimmt und so dem Untersteuern entgegen wirkt.
Wann kommt der Diesel?
Die Panamera-Preisliste beginnt nun bei 75.899 Euro, die Allradvariante ist rund 8200 Euro teurer. In dem Aufpreis ist außer dem 4x4-Antrieb auch das PDK-Getriebe inklusive Start-Stopp-Funktion enthalten. Das bedeutet, dass auch dieser Porsche von der stets beklagten Schwäche aller Modelle nicht frei ist: Er kostet richtig viel Geld. Und dennoch ist er etwas für kostenbewusste Kunden, denn die Einstiegshürde in die Porsche-Limousinenwelt wurde um fast 19.000 tiefer gelegt. Der Unterschied an Fahrvergnügen zum Panamera S ist bei weitem nicht so eklatant, wie es dessen Preis von mindestens 94.575 Euro vermuten lässt.

Das neue Einstiegsmodell der Panamera-Baureihe gibt wahlweise mit Heck- oder Allradantrieb.
(Foto: Textfabrik/Busse)
Fünf Variationen sind es jetzt, die für die eilige, selbst fahrende oder fond-reisende Kundschaft angeboten werden. Noch macht Porsche ein großes Geheimnis darum, ob der Panamera auch mit einem Dieselmotor ausgerüstet werden soll. Der Sechszylinder, der von Audi stammt und im Cayenne seinen Dienst tut, wäre wohl nicht standesgemäß für ein Fahrzeug, dass sich als Oberklasse-Limousine versteht. Andererseits bestünde für Porsche über den VW-Konzern Zugriff auf ausgereifte V8- und V12-TDI-Motoren. Bliebe lediglich zu klären, ob der Einbau mit vertretbarem technischen Aufwand zu realisieren wäre. Offiziell gibt es zur Frage eines Panamera-Diesels jedenfalls noch kein Statement. Ein Porsche-Sprecher, der nicht wegen Geheimnisverrats belangt werden möchte, gibt sich orakelhaft: "Wir sind ja bekanntlich die Weltmeister der Varianten".
Quelle: ntv.de