Auto

Dank der Rallye-Rolle Kult Als der Saab 96 gegen den Buckel-Volvo fuhr

So spektakulär wie die Rallye-Rolle von Carlsson mit dem Saab 96 waren die Fahrten des Buckel-Volvo nicht, aber auch er fuhr Siege ein.

So spektakulär wie die Rallye-Rolle von Carlsson mit dem Saab 96 waren die Fahrten des Buckel-Volvo nicht, aber auch er fuhr Siege ein.

(Foto: Volvo)

Sie waren Charaktertypen, die aus Saab und Volvo Kultmarken machten: Vor 60 Jahren zeigte der eiförmige Saab 96 dem Buckel-Volvo PV 544 erstmals seine blaue Zweitakt-Abgasfahne. Zu globalen Bestsellern avancierten die agilen Schweden dank einer ganz besonderen Rallye-Rolle.

Sie erinnerten an bunte Bullerbü-Holzhäuschen inmitten moderner Stahlbeton-Architektur: Die schwedischen Volksauto-Rivalen Saab 96 und Volvo PV 544 wirkten schon 1960 bei ihrem ersten Aufeinandertreffen wie aus der Zeit gefallen. Während automobile Modetrends damals kantige Trapezlinien diktierten, zitierte der bucklige Volvo PV 544 noch US-amerikanische Fastback-Formen aus der Vorkriegszeit und der neue Saab 96 Flugzeugkonturen der 1940er, die er in nostalgische Zweitakt-Abgase hüllte.

Am 17. Februar 1960 feiert die zweitürige Limousine Saab 96 Premiere.

Am 17. Februar 1960 feiert die zweitürige Limousine Saab 96 Premiere.

(Foto: Saab)

Kein Wunder, waren die beiden Wikinger doch lediglich Weiterentwicklungen von Buckel-Volvo PV 444 und Ur-Saab 92, Modelle, mit denen die schwedische Automobilindustrie nach dem Zweiten Weltkrieg erstmals in die Massenproduktion eingestiegen war. Dennoch waren es erst die Facelift-Versionen 96 und PV 544, die Saab und Volvo mit Kultstatus aufluden - durch bahnbrechende Sicherheitstechnik und spektakuläre Motorsporterfolge.

Nach dem Credo "Wer bremst, verliert" riskierten Rallyestars wie Saab-Botschafter Erik Carlsson und Volvo-Fahrer Tom Trana Flugeinlagen und Überschläge auf dem Weg zur Siegerehrung. Da konnte die V8-Konkurrenz nur staunen: Saab und Volvo purzelten auf dem Dach durch den Matsch und schafften es dennoch aufs Podium von Monte Carlo oder Safari-Rallye. Neben der stabilen Karosseriestruktur war es die Premiere von Sicherheitsgurten, mit denen die Schweden punkteten und die dem unkonventionellen Saab-Piloten einen Ruf als "Carlsson auf dem Dach" sicherten.

Fliegen wie "Karlsson vom Dach"

Mit dem Saab gewann Eric Carlsson spektakulär die Rallye Monte Carlo.

Mit dem Saab gewann Eric Carlsson spektakulär die Rallye Monte Carlo.

(Foto: Saab)

So wie Astrid Lindgrens Kinderbuch-Held "Karlsson vom Dach" fliegen konnte, ließ Erik Carlsson die trolligen Saab abheben: Es waren seine Fahrkünste, die den Dreizylinder-Zweitakter mit serienmäßig 38 PS bis 55 PS im Sport zum Kurventanz befähigten gegen weit stärkere Mercedes, V8-Ford oder den Volvo PV 544, der regulär 60 PS bis 95 PS aufbot. Dazu ließ Carlsson den rechten Fuß sogar in Haarnadelkehren konsequent auf dem Gaspedal stehen, um den Zweitakter auf hohen Drehzahlen zu halten, während die Bremse mit dem linken Fuß betätigt wurde - bis das Heck ausbrach und mit Elan um den Scheitelpunkt der Kurve wirbelte.

Meist klappte das, dafür steckte das Auto bisweilen im Rallye-Schlamm fest, nur um dann von Carlsson, mit einer gezielten Rolle die nächste Böschung hinunter wieder befreit zu werden. Flugzeughersteller Saab war begeistert von diesem angstfreien Markenbotschafter, der das Image des ersten Großserienmodells aus Trollhättan auf Mount-Everest-Niveau beschleunigte, wie der damalige Saab-Chef Tryggve Holm meinte.

In den USA beliebt

Während automobile Modetrends Trapezlinien diktierten, zitierte der Volvo PV 544 amerikanische Fastback-Formen aus der Vorkriegszeit.

Während automobile Modetrends Trapezlinien diktierten, zitierte der Volvo PV 544 amerikanische Fastback-Formen aus der Vorkriegszeit.

(Foto: Volvo)

Besonders die US-Amerikaner orderten die Monte Carlo genannten Sport-Saab mit Dreifachvergaser in großer Zahl - genauso, wie sie seit Ende der 1950er Jahre vom Buckel-Volvo-Virus infiziert waren. Die Schweden lieferten, was fehlte: Robuste Langstreckenläufer in gleichbleibendem Design, das sich den damals jährlich wechselnden automobilen US-Moden widersetzte. Hinzu kamen Sicherheitsfahrgastzellen aus bereits legendärem, starkem "Schwedenstahl" und obendrein die ersten serienmäßigen Dreipunktgurte im Volvo.

Lebensrettende Qualitäten, die Volvo in Deutschland bei Sicherheitskonferenzen mit Überschlagversuchen auf dem Frankfurter Messegelände demonstrierte - und die sich Volvo und Saab teuer bezahlen lassen konnten. So kostete der Saab 96 im Jahr 1961 rund 7000 Mark, der Volvo PV 544 Sport rund 9000 Mark. Damit trat der Volvo gegen Oberklasse-Typen wie den Opel Kapitän an und der kleine Zweitakt-Saab drang in die Preisregionen von größeren Wettbewerbern wie Ford Taunus 17 M vor.

Keine Volksautos, sondern eine Lebensart

Der Saab mit einem passenden Caravan.

Der Saab mit einem passenden Caravan.

(Foto: Saab)

Die Schwedenfans kümmerte das nicht, sie bezahlten bereitwillig für die Faktoren Sicherheit, Sport und Kult, denn Buckel-Volvo und Saab waren außerhalb Skandinaviens keine Volksfahrzeuge, sondern automobile Lebensart, wie sie Freiberufler und Individualisten goutierten. Nicht zu vergessen die Sportfahrer. Auch der Buckel-Volvo befeuerte seine Karriere sportlich durch Tourenwagen- und Rallyechampions wie Tom Trana oder die "fliegenden Sikhs", Joginder und Jaswant Singh.

Die beiden Brüder deklassierten beim damals härtesten Rallye-Raid, der East African Safari, 1965 die gesamte moderne Konkurrenz mit einem betagten Volvo PV 544, der schon mehrere Unfälle überstanden hatte. Volvo verabschiedete seinen ersten globalen Megaseller daraufhin vor 55 Jahren in international geschalteten Anzeigen angemessen in den Ruhestand: "Farewell, old Friend!" Nur als vielseitiger Kombi Duett durfte der Buckel-Volvo noch vier weitere Jahre arbeiten - und eine antriebstechnische Zeitenwende bei Saab erleben.

Der Saab 95 und 96 vor und nach dem Facelift.

Der Saab 95 und 96 vor und nach dem Facelift.

(Foto: Saab)

Wurde doch der letzte produzierte Saab 96 erst 1980 ins Werksmuseum geschickt, übrigens von "Mister Saab" Erik Carlsson persönlich. Zwei Jahre zuvor fuhr der Saab 95 - eine kultige Kombiversion - in den Ruhestand. Nur Autos mit Aura halten so lange durch wie diese Trolle, die sogar einen eigens entwickelten "Saabo"-Caravan auf den Haken nehmen konnten und die bis zum Ende ihrer Karriere im Rallyesport reüssierten. Vorsichtige Evolutionen hielten die Saab optisch frisch, zu erkennen am Facelift von sogenannter Rundnase zur "Langnase" (1964), Rechteck- statt Rundscheinwerfern (1968) und 1975 an massiven Sicherheitsstoßfängern wie bei den finalen Volvo 140. Eine Revolution fand in der zwei Jahrzehnte währenden Bauzeit der kompakten Saab-Modelle nur unter dem Blech statt.

Ford rettet Saab vor Herzinfarkt

Mitte der 1960er-Jahre drohte Saab ein tödlicher Herzinfarkt, denn das weltweit populäre Duo aus 96 und 95 litt an einem Kraftwerk, über das die Zeit hinweggegangen war. Zweitakter wurden uncool, wie auch die deutsche Auto Union erlebte, nur die DDR ließ sie weiterleben. Saab hatte gerade in neue Werks- und Vertriebsanlagen investiert, ausgerechnet da halbierten sich die Verkaufszahlen für die kleinen Troll-Modelle, die plötzlich etwa in den USA mit Spottnamen wie "Stinky Toys" in Anlehnung an eine Spielzeugautomarke belegt wurden. Was tun in der Not? Die Saab-Konstrukteure erprobten eilig deutsche Wankelmotoren und sogar einen V6-Motor mit Zweitakt-Prinzip, aber die Lösung kam aus Köln.

Rechts im Bild der letzte jemals gebaute Saab 96.

Rechts im Bild der letzte jemals gebaute Saab 96.

(Foto: Saab)

Ford bot seinen V4 an, der bereits im Fronttriebler 15 M arbeitete. Und tatsächlich passte der 1,5-Liter-Vierzylinder wie maßgeschneidert auch unter die Haube des Saab 96, der damit auf 65 PS erstarkte. Die Kunden waren zufrieden, zumal der neue Viertakter im Motorsport für Siege in Serie gut war, wie in den 1970ern Rallyestar Stig Blomqvist unter Beweis stellte. Saab und Ford, diese Verbindung funktionierte von Beginn an.

Anders als die 1975 eingeleitete Kooperation zwischen Saab und Fiat/Lancia, die einen Nachfolger für den Saab 96 finden sollte. Saab 600 nannte sich der 1980 eingeführte Erbe des Saab 96. Saab 600, noch nie gehört? Das überrascht wenig, denn diesen kantigen Kompakten zeigt heute nicht einmal das Saab-Museum in Trollhättan, zu desaströs waren Fertigungsqualität und Verkaufserfolg der Badge-Engineering-Version des Lancia Delta. Da machte es Volvo besser, denn den buckligen PV 544 beerbte 1965 der bewährte zweitürige Amazon in neuer Basisvariante.

Quelle: ntv.de, Wolfram Nickel, sp-x

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