Bentley Continental GTC Super-Yacht für den Asphalt
02.10.2011, 10:09 Uhr
Tradition geht vor: Das Stoffdach des Continental GT von Bentley ist dreilagig und wird von sieben Bügeln gestrafft.
(Foto: Bentley)
Das "Mehr"-Prinzip ist wieder marktfähig: Nachdem Bentley, wie andere Luxushersteller auch, eine Delle in der Absatzkurve hinnehmen musste, zeigen die Daten der Modelle in die gleiche Richtung wie die Verkaufszahlen: nach oben. Mehr Konturenschärfe und Biss, mehr Leistung und Drehmoment.
Mit der offenen Version des Continental GT zündet Bentley die zweite Stufe im technischen Reifeprozess seines Erfolgsmodells. Zwar neigt der gemeine englische Edelmann nicht zur Raserei, vornehme Zurückhaltung ist ihm eher zuzurechnen. Doch er könnte, wenn er wollte, vor allem, wenn er Bentley fährt. Die modellgepflegte Version des Coupés Continental GT wird ab Dezember bei den deutschen Händlern ab 202.371 Euro stehen. Weihnachtsschleifchen werden auf Wunsch kostenfrei mitgeliefert.
Auch wenn Deutsche seit 1999 das Sagen bei Bentley haben, die Engländer bleiben Traditionalisten. So stand das Stoffdach nie zur Disposition. Von sieben Bügeln gestrafft, in drei Lagen ausgeführt und wunderbar schalldicht, soll es die elegante Form des Coupé überzeugend nachzeichnen. Der hohe Technikaufwand in der Stoffmütze dient nur dem Ziel, sagt Ingenieur Brian Gush, dass "das Dach nicht aussieht wie eine verhungerte Kuh", und dabei schaut er so ernst drein wie Lord Siegelbewahrer persönlich. Das Tuch sperrt den Regen aus und lässt die Sonne binnen 25 Sekunden hinein. Damit ist es sicher nicht das Schnellste auf dem Markt, jedoch kann es bis zu Tempo 30 in jede Richtung bewegt werden. Der viel zu bescheiden gestaltete Öffnungsknopf in der Mittelkonsole blieb von der Modellpflege verschont.
Chef sieht Chance auf Rekorde
Seit der ehemalige Porsche-Chefentwickler Dr. Wolfgang Dürheimer Bentley-Vorstandsvorsitzender ist, nutzt er nach eigenem Bekunden seinen Dienstwagen auf beschränkungsfreien deutschen Autobahnen, um möglichem Verbesserungspotenzial auf die Spur zu kommen. Seiner Ansicht nach bietet der GTC eine Beschleunigungs- und Beförderungsqualität, die man "selbst, wenn man von Porsche kommt, gut verkraften kann". Der neue CEO ist mit Rückenwind gestartet: In USA, China und Europa weisen die Absatzzahlen zweistellige Steigerungsraten auf. Deutschland ist mit gut zwei Dritteln Zuwachs gegenüber 2010 Träger des Aufschwungs in Europa. Nachdem Bentley 2007 weltweit erstmals mehr als 10.000 Fahrzeuge verkauft hatte, zeigt die Tendenz wieder nach oben. Dürheimer ist nicht von Zweifeln über das Potenzial seiner Nobelmarke geplagt: "Fünfstellig traue ich mir zu".

Die offene Variante des gelifteten Continantal GT kostet in Deutschland 202.371 Euro
(Foto: Bentley)
Der GTC könnte ein solider Baustein für einen neuen Rekord sein, denn die kleinen Schwächen, die sich der erste Continental noch leistete, sind weitgehend ausgemerzt. Da ist an erster Stelle das Navigations- und Entertainment-System zu nennen, dessen betagte VW-Phaeton-Technik nur noch die wenigstens Kunden erfreut haben dürfte. Lahmer Seitenaufbau und Maßstabwechsel im Schneckentempo – das passte nicht zu einem Auto, das mehr als dreihundert läuft. Mit dem neuen Touchscreen-System ist das Thema ausgestanden und die Bedienbarkeit auf der Höhe der Zeit. Das High-End-Audio-System von Niam ist 20 Kilo leichter als das bisherige und verfügt über 14 Lautsprecher.
Mehr Beinfreiheit hinten
35 Millimeter sind keine große Distanz. Wenn man allerdings auf den Rücksitzen eines GTC Platz nehmen soll, können sie über Frust oder Freude entscheiden. 35 Millimeter haben die Bentley-Ingenieure gewonnen, indem sie die Gurt-Mechanik aus den Sitzen entfernten und die Lehnen deshalb schmaler machen konnten. Nun kann man auch als Erwachsener hinten sitzen, wenngleich der am meisten nachgefragte Platz vorn links bleiben dürfte. Bis ins winzigste Detail reichen die Veränderungen gegenüber dem ersten GT. In einem Falle könnten sie auch als Sympathiebekundung einem künftigen Hauptabnehmer gegenüber verstanden werden: Auf dem Zigarrenanzünder ist das vormalige "Made in Germany"-Label von "Made in China" abgelöst worden.
Im GTC sind eine Reihe von technischen Finessen verwirklicht, die vergangenes Jahr im Sondermodell Supersports erstmals lieferbar waren. Dazu gehört die neue Quickshift-Abstimmung des Sechsgang-Getriebes, die nun zügiger die Fahrstufen einlegen kann. Dass kleine Schaltpausen dennoch nicht völlig ausgemerzt sind, ist hinnehmbar. Bedingt durch die Entwicklungsprozesse, so Antriebschef Brian Gush, sei es nicht möglich gewesen, das inzwischen im Konzern verfügbare 8-Gang-Getriebe zu applizieren. Die ZF-Schaltbox sei seinerzeit nicht auf so hohe Drehmomente, wie Bentley sie liefert, ausgelegt gewesen. Deshalb muss bis auf weiteres auch auf eine Start-Stopp-Automatik verzichtet werden.
Reiche Leder- und Holzauswahl
Druckvolle Längs- und Querbeschleunigung gehören bei Bentley zur Serienausstattung, weshalb es bei dem neuen Modell keiner besonderen Erwähnung bedarf. Dass diese Vorzüge sich in äußerst entspannter Art erleben lassen, dagegen schon. Selbst in der sportlichsten Dämpferabstimmung entspricht der Fahrkomfort immer noch hohen Ansprüchen. Selbst mit 21 Zoll-Felgen und entsprechend wenig Gummipuffer zwischen Straße und Karosserie ist die aristokratische Art des Reisens gewährleistet. Die geräuscharme Gangart wird durch Radhausschalen aus Dämmungs-Werkstoff unterstützt. Insgesamt maßen die Bentley-Ingenieure 3 dbA weniger Innenschall.

2,5 Tonnen sicher im Griff: Die breitere Spur lässt den Bentley noch satter auf der Straße liegen.
(Foto: Dominic Fraser)
Die Leistung stieg von 560 auf 575 PS, was gemessen an fast 2,5 Tonnen Leergewicht sicher auch nicht schädlich ist. Insgesamt konnten die Bentley-Boys sogar 70 Kilo an Gewicht einsparen, vor allem bei den Sitzen und am Entertainment-System, das allein um 20 Kilo abgespeckt wurde. Dem Bedarf nach veredelter Rinderhaut und zart-schimmernden Furnieren wird mit 17 Leder- und sieben Holzarten Rechnung getragen. Wer seine Wunsch-Ausstattung darunter nicht findet, kann beim hauseigenen Luxus-Aufwerter Mulliner arbeiten lassen. In die Kategorie "Nicht nötig, aber hat man gern" ist die herausnehmbare Brillenschatulle zu rechnen, deren Deckel exakt die gleiche Maserung ziert, wie sie auf Armaturenbrett und Konsole verarbeitet ist.
Dass bei einer Straßen-Yacht wie dem GTC die Vokabel "Verbrauch" eine andere Bedeutung hat als etwa bei einem VW Polo, ist einsehbar. Wer die fahrdynamischen Möglichkeiten des Cabrios ausloten möchte, sollte besser nicht mit weniger als 20 Litern je 100 km rechnen. Im Testbetrieb wurden 17,54 Liter ermittelt, was nur eine Wiesn-Maß vom EU-Kombiwert abweicht. Das dürfte unter englischen Adelsleuten durchaus noch als wirtschaftlich vertretbar angesehen werden.
Quelle: ntv.de