"Miserable" Bemühungen Auch Deutschland fahndet nach Corona-Mutationen
08.01.2021, 13:53 Uhr
Die Coronavirus-Mutation "B1.1.7." trat das erste Mal in Großbritannien auf.
(Foto: imago images/ZUMA Wire)
Eine Corona-Mutation aus England bereitet den Virologen Sorgen. Die neue Variante gilt als deutlich ansteckender. Auch Deutschland sucht bei Tests nach möglichen Abwandlungen des Virus - laut Kritikern allerdings "auf dem Niveau eines Entwicklungslands".
Auch in Deutschland werden positive Coronatests molekular näher untersucht, um Erkenntnisse über die Verbreitung von neuartigen Varianten des Erregers zu gewinnen. Das Robert-Koch-Institut (RKI) sammelt diese "Gensequenzdaten", die unter anderem aus der Auswertung geeigneter Proben durch das nationale Coronaviren-Konsiliarlabor an der Berliner Charité stammen. Daneben greift das RKI zusätzlich auf weitere Daten zu. Diese stammen laut RKI aus einer öffentlichen Sequenzdatenbank der Global Initiative for Sharing All Influenza Data (Gisaid), in die weltweit zahlreiche Labore einspeisen. Zudem steuert das RKI Sequenzdaten aus eigenen Untersuchungen bei.
Nach der Entdeckung der Verbreitung neuer Virusmutationen in Großbritannien und Südafrika fordern Wissenschaftler stärkere Anstrengungen zur Gensequenzierung in Deutschland. So bezeichnete der Freiburger Virologe Hartmut Hengel gegenüber "tagesschau.de" die bisherigen Bemühungen und Maßnahmen als "miserabel". Deutschland sequenziere ohne eine repräsentative Erfassung von Corona-Proben "auf dem Niveau eines Entwicklungslands". Dadurch würden Mutationen später entdeckt.
Auch Virologe Christian Drosten warnte in seinem NDR-Podcast vor Mutationen des Virus. Erste Befunde der Mutation "B1.1.7." wiesen einen höheren R-Wert und damit eine höhere Ansteckungsgefahr auf. Sollte dieser mit der neuen Virusvariante auf 1,5 steigen, "dann haben wir ein richtiges Problem", so Drosten. "Das derzeitige exponentielle Wachstum des mutierten Virus deute auf eine erhöhte Fitness hin. Da muss ich als experimenteller Virologe schon schlucken. So etwas passiert nicht einfach so."
Aktuell kaum Gefahr für Deutschland
Für Deutschland sieht Drosten allerdings vorerst keine große Gefahr. "Ich glaube nicht, dass wir im Moment ein großes Problem mit der Variante haben. Man muss die Situation aber ernst nehmen und verstärkt nach Mutationen suchen", forderte Drosten.
Als Vorbild bei der Sequenzierung gilt Großbritannien. Dort bildete sich nach dem Ausbruch der Pandemie ein Konsortium aus Einrichtungen des öffentlichen Gesundheitssystems und Forschungsinstituten, um die Verbreitung von Mutationen flächendeckend zu überwachen. Es wird von der Regierung finanziell gefördert.
Nach eigenen Angaben hat dieses Covid-19 Genomics UK Consortium bisher rund 170.000 Proben von Corona-Infizierten molekularbiologisch analysiert. Das Konsiliarlabor an der Berliner Charité stellte bisher rund 2000 Gensequenzen auf seiner Internetseite ein, die zwischen Dezember 2019 und Dezember 2000 erstellt wurden. Etwa 900 davon stammten aus dem eigenen Haus, rund 1150 wurden von anderen Laboren analysiert und über die Gisaid-Datenbank veröffentlicht.
Quelle: ntv.de, mba/AFP