Und was ist Ihr "Magic Island"? Auf der Insel der Glückseligen
25.04.2024, 17:18 Uhr Artikel anhören
Ein "Magic Island" kann doch auch die Liebe sein, oder?
(Foto: Alexandra Lier)
Na, die trauen sich was: Die Chance, eine neue Galerie in Berlin zu eröffnen, ergab sich plötzlich und wurde spontan genutzt. Die drei von "The Map Gallery" laden jetzt schon zu ihrer zweiten Ausstellung ein, dieses Mal auf eine "magische Insel". ntv.de hat sich mit Mon Muellerschoen getroffen - sie ist nicht nur eine der MacherInnen, sondern eine Art Tausendsassa in Bezug auf Kunst. Sie betreibt eine Online-Galerie, fördert junge Positionen und berät seit Jahrzehnten Sammler und Firmen, was sie als Nächstes kaufen sollten. Zudem ist sie Kunst-Kolumnistin bei einem Promi-Magazin. In feminin rosa getünchten Räumen zwischen verstörend schöner Kunst und traumhaften Möbeln redet sie mitreißend leicht und ehrlich über Altern, Enkel, Eskapismus, Wandlungen und die Wichtigkeit von Kunst.
ntv.de: "Beam me up" heißt die Ausstellung, die jetzt zum Gallery Weekend in Berlin mit einer Performance der Sängerin Magic Island in Ihrer Galerie eröffnet. Was ist denn Ihre magische Insel?
Mon Muellerschoen: Mein kleiner Enkel (lacht). Die magische Insel ist da, wo er ist. Es ist völlig absurd, wenn ich ihn sehe, dann bin ich in einer anderen Welt. Sein Strahlen, wie er aus sich heraus glücklich ist, das erfüllt mich. Er freut sich immer, dass ein neuer Tag anbricht. Ich wünschte, man könnte sich diese unbändige Neugier ein Leben lang erhalten.
Das pure Gefühl …

Die vermutlich schönsten Galerieräume in Berlin, man möchte direkt einziehen.
(Foto: Linus Müllerschön)
Ja, das Reine, noch ohne Risse und große Verluste. Ich liebe allerdings auch Kintsugi, diese japanische Technik, mit der man kaputtes Porzellan klebt und die Risse mit Gold bemalt. Es ist doch auch schön, wenn man mit vielen Scherben und Sprüngen am Ende des Lebens ankommt. Momentan aber ist mein Enkel perfekt.
"Insel" klingt ja immer ein wenig nach Wirklichkeitsflucht.
Stimmt. In meinem Fall ist die Kunst mein Eskapismus. Ich bin genau da, wo ich sein wollte: Eine Galerie in Berlin betreiben, mich mit Besuchern und mit Künstlern austauschen - das erlebe ich als irrsinnig bereichernd. Wenn ich hier bin, dann schwingt mein Inneres den ganzen Tag in einem Zustand des Dauergrinsens. Manchmal werde ich nach meinem Hobby gefragt, dann zucke ich kurz, weil die Kunst auch mein Hobby ist. Ich darf 24/7 mit Kunst arbeiten. Klar, irgendwann sollte man mal loslassen können, sich regenerieren, aber ich bin einfach zu begeistert.
Kunst ist schön, macht aber auch viel Arbeit.
Natürlich, das ist auch anstrengend. Es gibt endlos viel zu organisieren, eintönige Sachen, wie Excel-Listen bearbeiten, diese Must-Dos, und die nerven ab und zu extrem (lacht). Aber ich liebe es, wenn ich merke, dass gewisse Puzzle-Teile zusammenkommen.
Wer ist die Zielgruppe Ihrer Galerie? Es gibt bezahlbare, aber auch sehr teure Kunstwerke.

Fotografien eines AI-Roadtrips von Alexandra Lier. Stilecht samt Pudel und cool-spacigem Outfit.
(Foto: Alexandra Lier)
Wir wollen hier einen Salon mit Vintage und Contemporary Design, junger und etablierter Kunst führen. Es gibt keine Zielgruppe, denn Menschen aller Altersgruppen interessieren sich für Kunst. Mit unserer neuen Ausstellung wollen wir Menschen energetisieren und Festgefahrenes lösen. Das Leben ist im Moment für uns alle anstrengend. Wir merken, wie positiv die Menschen auf unsere ausgestellten Bilder, Skulpturen, Möbel und Objekte reagieren.
Warum ist Kunst so wichtig für die Gesellschaft?
Sie bringt uns weiter. Künstler sind unsere Seismografen, trauen sich mehr auszusprechen, streuen Salz in Wunden und spüren die Zukunft auf ihrem Radar. Sie sind nicht so belastet durch gesellschaftliche Normen, agieren freier und mutiger.
Über die notwendige Demokratisierung der Kunst wird viel geredet, getan wird wenig. Kunst schreckt viele ab. Schreiben Sie in Ihrer wöchentlichen "Bunte"-Kolumne dagegen an?
Tatsächlich möchte ich Menschen für die Kunst begeistern. Ich möchte Kunst so erklären, dass sie jeder versteht. Oft lese ich kunsttheoretische Texte und frage mich, wer soll das verstehen? Ich war nie der theoretische Kunsthistoriker, ich bin eher anekdotisch und emotional.
Vor über 30 Jahren haben Sie nach dem Studium Ihre Kunstberatung gegründet, da hat noch keiner gewusst, was das ist. Beraten Sie Firmen und "normale" Sammler beim Kunstkauf?

Bilder sind nie nur dekorativ, es gibt viele Ebenen zu entdecken, weiß Mon Muellerschoen.
(Foto: Linus Müllerschön)
Ja, und ich liebe es sehr. Ich bin Waage vom Sternzeichen und könnte auch Diplomatin sein, sagen meine Freundinnen. Allerdings ist es nicht immer einfach - besonders, wenn man Ehepaare berät. Denn er mag dies und sie mag das.
Am Ende bestimmt die Frau, oder?
Happy wife, happy life (lacht). Man muss aber auch die Wünsche und Sehnsüchte vom anderen akzeptieren, sich wandeln können. Das macht eine gute Beziehung aus.
Kauft man ein Bild aus dem Bauch heraus und muss man den Künstler wirklich kennen?
Je mehr man über den Künstler und seinen Hintergrund weiß, umso besser ist das. Wie arbeitet er? Woher kommt er oder sie? Es geht um mehr als um den röhrenden Hirsch von der Großmutter, der als Deko an der Wand hängt. Die Frage, wo und wie man damit lebt, ist von Interesse. Was löst das Werk in einem aus, schließlich lebt man jeden Tag damit. Aber Kunst soll nicht nur schön sein, sie soll berühren, anregen, provozieren. Aber am Ende empfehle ich tatsächlich immer, auf das Bauchgefühl zu hören. Und darauf, das vorher festgelegte Budget nicht zu sprengen!

Und wo ist Ihr Magic Island? In "The Map Gallery" beamt sich das Publikum in mysteriöse Welten.
(Foto: Alexandra Lier)
Sie trauen sich immer wieder, beruflich neue Wege zu gehen. Sie sind in einem gefühlsarmen Elternhaus groß geworden, haben Sie in einem Podcast erzählt, Ihre Mutter wurde versehentlich erschossen. Was ist es, das Sie immer wieder aufstehen lässt?
All diese Dinge haben mich zu der gemacht, die ich heute bin. Es wäre falsch zu behaupten, dass ich für einen Schicksalsschlag wie diesen viel zu frühen und grausamen Tod meiner Mutter dankbar wäre, denn ich vermisse sie sehr. Ich habe Geschichten erlebt, die dramatisch waren, ja. Vieles, was ich nicht erzählen kann, stimmt. Aber ich glaube fest daran, dass man sich "umprogrammieren" kann. Dass man Dinge, die eigentlich gegen einen arbeiten, für sich arbeiten lassen kann. Ich denke, ich habe schon als kleines Kind an meiner Resilienz gearbeitet. Und was ich unter keinen Umständen wollte: Ich wollte nicht bitter werden.
Hilft Ihr bayerischer Humor da?
(lacht) Ja, der ist natürlich deftig, aber auch schlagkräftig und hilfreich.
Ihre Söhne sind beide Künstler geworden. Kunst ist gerade zu Beginn ein eher brotloses Geschäft, das sehen Sie, wenn Sie mit Akademieabsolventen für Ihre Online-Galerie arbeiten. Können Sie Ihr Wissen weitergegeben?
Vor allem ging es mir darum, dass meine Kinder die Freiheit haben, zu machen, was sie wollen. Geld gibt Sicherheit, das stimmt, und man kann sich in Ruhe ausprobieren. Aber wir sind eine ganz normale Familie. Ich habe immer selbst mein Geld verdient. Das Bewusstsein, dass man seinen Weg gemäß seinen Neigungen gehen kann, wollte ich den Jungs mitgeben. Sie sind in der Kunstwelt angekommen, aber leben ganz anders als ich.
Sie bleiben aber schon beweglich, wagen etwas Neues, wie jetzt mit der "Map Gallery"?

Total hip: Die Glitzer-Rakete stammt von Gabrielle Graessle. Die Malerin wird erst jetzt, 68-jährig, entdeckt.
(Foto: Gabrielle Graessle)
Mein Motto: Vermeide Stillstand. Es ist spannend, sich neu zu erfinden, neue Dinge auszuprobieren. Ich habe viele Frauen als Vorbilder. Frauen, die keine Angst vor dem Alter haben und sich immer wieder neu erfinden. Wir zeigen in "Beam me up" Arbeiten von Gabrielle Graessle, die erst jetzt, mit 68 Jahren, so richtig bekannt wird. Ich bin gespannt auf die Reaktionen der Besucher auf die Werke der Künstlerin.
Sie leben und arbeiten primär in München, was sind die Unterschiede zu Berlin?
In Berlin ist mehr los. Zum Gallery Weekend stapeln sich die Leute auf der Straße und alle sind in Kunst verliebt.
Sie sind 63 Jahre und machen kein Geheimnis daraus, dass Ihr Mann 13 Jahre jünger ist. Warum ist Ihnen das so wichtig?

Wollen verborgene Sehnsuchtswelten aufstoßen: Mon Muellerschoen, Peter Buchberger und Andrea von Goetz.
(Foto: Branko Buchberger)
Ich stehe zu meinem Alter, weil ich es traurig finde, wenn wir Frauen das nicht tun. Es ist leider ein Fakt, dass Frauen ab 40 oder 45, vor allem, wenn sie im TV oder Kino zu sehen sind, frisch und jung aussehen müssen. Sprich: Wir müssen anfangen, uns entweder operieren zu lassen oder Botox auszuprobieren, um diesem "Forever Young"-Trend, der nur uns Frauen zugemutet wird, zu genügen. Männer dürfen alt aussehen und Falten haben. Stellen Sie sich mal vor, eine Frau würde 70-jährig, total zerknittert, im schwarzen Leder-Mini und mit einer Gitarre auf der Bühne stehen. Da wäre die Empörung aber riesig, oder?
Wenn man Sie googelt, stößt man auf unzählige Fotos mit Ihnen von Events und Veranstaltungen, Sie werden oft fotografiert. Erhöht das den Druck, jedes Mal top und vor allem jung auszusehen?
Klar, ich finde es nicht lustig, alt zu werden und vor allem, das zu sehen. Ich merke sehr genau, wo die Schwerkraft zuschlägt (lacht). Bei Instagram benutze ich trotzdem keine Filter – aber das fällt mir nicht leicht. Ich bin einfach eine sehr ehrliche Haut und transparent mit allem, was ich mache. Das ist das Bayerische in mir.
Mit Mon Muellerschoen sprachen Juliane Rohr und Sabine Oelmann
"Beam me up" läuft bis zum 30. Juni in The Map Gallery, Linienstraße 107, 10115 Berlin
Mehr zur online-Galerie Wunderkunst hier
Quelle: ntv.de