Panorama

104-Jähriger plant seinen TodAustralier will in Basel sterben

05.05.2018, 20:26 Uhr
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Ist aus Australien angereist, um in Basel zu sterben: David Goodall, australischer Wissenschaftler und Professor, hier an seinem 104. Geburtstag. (Archivbild). (Foto: dpa)

Im Alter von 104 Jahren reist ein Mann aus Australien zum Sterben in die Schweiz: Der Fall des lebensmüden David Goodall facht die Debatte um den selbstbestimmten Freitod neu an. Jetzt spricht die Gründerin des Vereins, der Goodall in den Tod begleiten will.

Die letzte Reise von David Goodall zieht international große Aufmerksamkeit auf sich: Im außergewöhnlich hohen Alter von 104 Jahren machte sich der emeritierte Universitätsprofessor der Botanik auf den Weg, um auf der anderen Seite des Erdballs das Angebot zur Freitod-Begleitung eines Schweizer Sterbehilfe-Vereins in Anspruch zu nehmen.

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Aufbruch zu seiner letzten Reise: Am Flughafen in Perth verabschiedet sich Goodall von seinem Enkel. (Foto: dpa)

In seiner Heimat Australien verbietet die Gesetzeslage - ähnlich wie in Deutschland - ein selbstbestimmtes Sterben. Auch in der Schweiz ist die Entscheidung, freiwillig und in Begleitung aus dem Leben zu scheiden, nicht ohne weiteres möglich: Der hochbetagte australische Botaniker Goodall wird zunächst von zwei Ärzten auf seine Urteilsfähigkeit hin untersucht, bevor er eine Freitodbegleitung nach Schweizer Recht erhalten kann. "Nur, wenn zwei Ärzte überzeugt sind, dass er 100-prozentig klar in seinem Wunsch ist, findet die Begleitung statt", sagte Erika Preisig, Ärztin und Gründerin des Vereins Lifecircle.

Lifecircle will Goodall in der Schweiz betreuen. Der Verein hat im vergangenen Jahr nach eigenen Angaben 73 Menschen in den Tod begleitet. Die Medizinerin Preisig selbst hält sich im Ausland auf, sie wäre an dem Programm zur Begleitung von Goodalls Freitod nicht beteiligt, wie sie betont. Ihre Arbeit für den Verein zur Sterbehilfe ist auch in der Schweiz nicht unumstritten.

Der 104-jährige Goodall war von Australien nach Frankreich zu Verwandten geflogen und will kommende Woche in der Nähe von Basel sein Leben beenden. Bilder vom Flughafen von Perth zeigen den betagten Akademiker, wie er sich unter anderem von seinem Enkel verabschiedet.

Seine Lebensqualität sei nach einem Sturz und Sehschwierigkeiten nicht mehr akzeptabel, begründet Goodall seinen Wunsch, seinem Leben ein Ende zu setzen. Weil er diese Entscheidung in aller Öffentlichkeit vertritt - unter anderem auch in Fernsehinterviews - löste sein Fall weltweit Aufmerksamkeit aus. Darf ein Mensch im hohen Alter auf eigenen Wunsch hin sein Leben beenden?

Lifecircle-Gründerin Preisig setzt sich für eine Legalisierung der Sterbehilfe in aller Welt ein. "Ich bin der Meinung: Jeder, der älter als 85 ist, soll ohne Rechtfertigung sterben dürfen", sagte sie. "Herr Goodall und andere sollten das Recht haben zu wünschen, dass sie nicht völlig pflegebedürftig weiterleben müssen."

Bischöfe lehnen Sterbehilfe ab

Gegner wie der 1985 auf Initiative der CDU/CSU gegründete Verein "Christdemokraten für das Leben" sind gegen Sterbehilfe. Angehörige könnten einen solchen Service etwa aus Kostengründen missbrauchen, heißt es. Andere Wege der Leidensminderung könnten zugunsten der "bequemeren" Lösung verworfen werden, argumentiert der Verein.

Die Schweizer Bischöfe lehnten die Sterbehilfe 2002 in einem Pastoralschreiben ab. Ein Freitod schalte "die Spannung, die das Unberechenbare des gewissen, aber nie genau festzulegenden Todes in jedes Leben hineinbringt", aus.

Medizin erschwert das Sterben

Viele medizinische Interventionen bei Hochbetagten seien nur noch eine Lebensverlängerung aber keine -verbesserung, hält Preisig dagegen. "Je besser die Medizin, desto schwerer wird das Sterben." Oftmals zögerten medizinische Interventionen am Lebensende das Sterben hinaus. "Gott hätte manchen schon lange nach Hause nehmen wollen."

Preisig wirbt dafür, in hoffnungslosen Fällen auf teure Therapien zu verzichten und das Geld in gute Palliativpflege - also schmerzmindernde Betreuung am Lebensende - zu investieren. Die meisten Menschen würden sich dann gegen einen Freitod entscheiden. Nur bei 1,3 Prozent aller Todesfälle in der Schweiz handele es sich um begleiteten Freitod. Ein eigensinniger Charakter wie Goodall müsse aber das Recht haben zu sagen: "Ich will sterben, weil ich genug vom Leben habe."

Quelle: mmo/dpa

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