"RTL - Wir helfen Kindern" Rea Garvey gibt Kindern in der Ukraine eine Perspektive
21.11.2024, 11:58 Uhr Artikel anhören
Packt gern selbst mit an: Rea Garvey.
(Foto: IMAGO/APress)
An Rea Garvey hat man 1000 Fragen - heute geht es aber nur um sein Projekt "UNHIDE Ukraine", mit dem er beim "RTL-Spendenmarathon - Wir helfen Kindern" vertreten ist. Wie es dazu gekommen ist und was sein Antrieb ist, erzählt er ntv.de.
ntv.de: Heute startet der RTL-Spendenmarathon, und du bist auch dabei. Die Not bei Kindern ist groß, erzähl' bitte über dein Projekt.
Rea Garvey: Das Fundament ist unsere Stiftung "Saving an Angel". Das machen wir schon über 15 Jahre und haben viel Geld und Action in Bewegung gebracht. Für Kinder in Not, überall. Zuerst in Deutschland, dann in Afrika, in Belarus, in Russland, in Südamerika. Manchmal sind es ganz große Projekte, manchmal sind sie nur auf ein Jahr angelegt. "Die Arche" unterstützen wir, oder "Dunkelziffer e.V.", und gleichzeitig haben wir immer so ein Grundprojekt, das wir versuchen, selbst auf die Beine zu stellen. Das, was wir uns vorgenommen haben, haben wir alles umgesetzt. Wir haben zum Beispiel über 1200 Wasserfilter-Systeme im Amazonas gebaut, damit haben wir es in die Top 100 vom "Time Magazine" geschafft. Und irgendwann merke ich dann immer, dass es diesen Moment gibt, zu gehen, wenn das läuft. Und zwar ohne mich (lacht).
Ein guter Zeitpunkt, dann hat das mit der Selbsthilfe funktioniert …
… und man kann etwas Neues starten, genau. Weißt du, ich bin eine gläubige Person. Ich lasse mich gern leiten.
Wie meinst du das?
Als die Ukraine bereits im Kriegsmodus war, sind wir dorthin gegangen, mit der Initiative "ArtHelps", aus Stuttgart, und haben angefangen, das finanziell zu unterstützen, was sie mit ihren Projekten für Kinder vor Ort machen. Da ist eine tiefe Beziehung zu dem Land entstanden. Ich bin schon mehrmals in der Ukraine gewesen, in Osteuropa war ich eh sehr viel unterwegs, mit Musik und mit Erfolg (lacht). Und dann kam der Krieg. Aber schon 2018, da war die Krim bereits annektiert, war so eine neue Ebene erreicht, wo ich beschlossen habe, okay, da will ich mehr machen. Und ich habe zusammengesessen mit "ArtHelps" und gesagt: "Kommt, wir gehen da rüber, wir gucken uns das an". 2022 sind wir hingefahren, und dann haben wir erst mal die Menschen kennengelernt. Das ist für mich immer das Wichtigste. Ich habe keine Lust, nur so ein Gringo zu sein, der das Geld gibt. Ich bin eher jemand, der bei einem Projekt ein Teil davon sein möchte. Ich bin am Anfang extrem involviert in das Konzept, den Aufbau. Meine ganze Erfahrung aus Afrika, zum Beispiel, bring' ich dann ein, weil ich weiß, wie man ein Projekt auf die Beine stellt. Es geht nicht darum, das nur zu entwickeln. Es geht darum, die richtigen Menschen zu finden, die dich gut informieren, die ein Teil der Infrastruktur sind, die ein Teil deiner Lieferkette werden.
SAVING AN ANGEL ist eine Stiftung mit dem primären Ziel, das Leben von benachteiligten Kindern zu verbessern. Seit ihrer Gründung im Jahr 2001 sammelt und verteilt die Stiftung Gelder an Partnerorganisationen und Projekte und hilft Kindern eine bessere Zukunft zu sichern. Dabei unterstützt die Stiftung genau da, wo Geld gebraucht wird, um Kindern in Not zu helfen. Ohne große bürokratische Umwege und ohne großen Verwaltungsapparat, der einen Großteil der Einnahmen verschlingen würde. So konzentriert sich SAVING AN ANGEL nicht auf ein einziges Projekt, sondern versucht, weltweit aktiv zu sein. savinganangel.org
Du delegierst also nicht nur …
Nein (lacht), natürlich nicht. Ich will, dass alles ankommt, dass alles so wird, wie der Plan war. Ich muss wissen, wer die Schlüsselfiguren vor Ort sind, die ein Projekt zum Erfolg führen. Wir haben ein Team, das heißt "Helping Hands", in Bochum, das sind so zehn Leute. Mit zwei Bussen sind wir in die Ukraine gefahren, als es die erste Welle von Flüchtlingen aus der Ukraine gab. Zuerst wollte ich persönlich nicht mit, obwohl ich dachte, ich sollte das machen. Und in Berlin, sollte ich da wirklich zum Bahnhof gehen und eine Familie mitnehmen? Jemanden aussuchen? Ich habe gemerkt, das bin ich nicht. Und es ist überhaupt keine Kritik an irgendjemandem. Ich habe gute Freunde, die es so gemacht haben, aber ich habe mich nicht wohlgefühlt mit "Ich wähle dich aus". Ich bin, wie gesagt, ein gläubiger Mensch, lasse mich führen. Ich habe auf den Moment gewartet, wo ich ausgesucht werde, nicht umgekehrt.
Und so ist es dann auch gekommen, oder?
Ja, als ich dann in Lwiw (Westukraine) war, das erste Mal, da haben wir geplant, Familien mitzunehmen. Wir hatten zwei Doppeldeckerbusse, die an der Grenze von Polen standen, und wir haben ganze Familien dorthin gebracht. Wir haben sie teilweise nach Warschau gebracht, teilweise nach Berlin und nach Bochum. Das war auch eine Entdeckungsreise. Was ist nötig? Was können wir machen? Wo können wir ansetzen? Wo werden unsere Stärken gebraucht? Finanzielle Stärken haben nur eine gewisse Wirksamkeit - du kannst viel Geld ausgeben und nichts erreichen. Du kannst aber auch wenig Geld ausgeben und ein Leben verändern. Aber die Idee muss stimmen. Und dann haben wir auf verschiedenen Ebenen gearbeitet.
Zum Beispiel …
In einem Waisenhaus, zwei Stunden südlich von Kiew. Das war früher eine Schule. Jetzt ist es ein kleines Waisenhaus, für 50 Kinder. Ein ukrainisches Ehepaar kümmert sich. Sie sind aus Amerika zurückgekommen, waren ganz glücklich und wohlhabend dort, mit vier Kindern, aber sie sind zurückgekommen und wollten sich um Waisenkinder kümmern.
Bis jetzt sind da Tausende Kinder durchgegangen. Es ist ein Anhaltspunkt für Familien geworden, die von der Front zurückkehren, auf dem Weg in den Westen. Wir organisieren, dass sie immer genug Essen haben, Strom, Medizin, wir haben eine Klinik saniert und mit einem Arzt und einer Krankenschwester ausgestattet. Wir haben da eine Mensa gebaut, man kann sich auch Klamotten holen …
Ein bisschen wie in der "Arche"?
Es ist mehr. Diese Kinder haben keine Eltern mehr. Das, was am schockierendsten ist, ist die Art, wie diese Kinder Geschichten erzählen. Ganz blank, ganz simpel, so wie es ist: "Mein Vater wurde erschossen an der Front. Meine Mutter ist nicht zu finden. Ich bin alleine." Ohne mit der Wimper zu zucken. Nach außen. Die emotionale Ebene wird immer unterdrückt. Zum Glück haben wir dort Svetlana, sie ist wie eine Mutter, unglaublich energetisch und liebevoll, aber sie sagt den Kindern auch die Wahrheit. Sie konfrontiert sie zwar mit den Tatsachen, aber damit können alle besser umgehen. Sie bestärkt die Kinder mit Perspektiven. Sie wissen sowieso, was Sache ist. Sie müssen es nicht jeden Tag erzählt bekommen, aber sie müssen nach vorne schauen können, und sie müssen zusammenhalten.
Und UNHIDE?
Das ist das Programm, mit dem wir schon in Südamerika oder im Irak Erfolg bei den Kindern haben. Wir geben ihnen eine Stimme. Kinder, die ihre Kreativität nicht ausdrücken können, aber durch die Kreativität in den Workshops, die wir anbieten, die Chance bekommen, ihre Sorgen, ihre Gedanken einmal auszusprechen. Und die dann anfangen, damit umzugehen. Wir haben dort ausgebildete Therapeuten, die uns helfen, zu identifizieren, welche Kinder eine sofortige Therapie benötigen. Das Ziel ist, eine sichere Zone zu schaffen, einen kreativen Raum. Und dann die Kinder wieder Kind sein zu lassen, einfach zu malen, zu spielen. Unsere Workshops haben mehrere Ebenen: Erstens: Kind zu sein, zweitens: mit Farben zu arbeiten, drittens: zu malen, was in deinem Kopf ist, und viertens dann darüber zu sprechen.
Seht ihr Erfolge?
Oh ja! Zwischen den ersten Bildern und den jüngsten sind große Unterschiede. Anfangs ist alles voller Flammen und Soldaten, und am Ende sind oft ein grüner Wald und Mama zu sehen. Ich kann nicht alles interpretieren, aber ich kann die Wirksamkeit sofort erkennen und weiß, wie wichtig es ist. Ich bin als Typ ja eher der "Dach über dem Kopf, Essen im Magen, Gefühl von Sicherheit"-Helfer. Das sind die drei Dinge, die ich immer im Sinn habe. Wenn du das jemandem geben kannst, dann hast du denen Stärke gegeben, um weiterzumachen. Ich habe inzwischen aber gelernt, dass Kreativität so eine magische Wirkung hat bei Kindern, dass sie diese Sprache nicht verlieren dürfen. Deswegen haben wir dann ein vierstöckiges Haus in Kiew gekauft, mit unserem Partner "Save Ukraine". Ich war vor Kurzem dort, und ich bin echt happy mit dem Ergebnis. Architekt, Handwerker, Mitarbeiter - alles läuft. Sie lieben, dass wir das auf die Beine stellen, dass wir aufbauen statt einreißen. Unser Architekt kam von der Front, er hat keine Nase mehr, die wurde ihm weggeschossen, aber er hat diese unglaubliche Energie.
Du gerätst richtig ins Schwärmen, hoffentlich überträgt sich das auf andere …
(lacht) Ja, das Haus ist ein unglaublicher Erfolg. Also wirklich, ich war schon davor in das ukrainische Volk verliebt. Ich liebe ihre Art, wieder aufzustehen. Das ist unfassbar. Sie haben einen unglaublichen Glauben an sich selbst, ich lerne so viel.
Wofür sammelst du unter anderem beim Spendenmarathon?
Wir müssen da zum Beispiel einen Bunker bauen, das bestimmen die neuen Gesetze für öffentliche Gebäude für Kinder, das kostet viel Zeit und Arbeit - und Geld!
Welche Fortschritte gibt es noch?
Dass die Therapeuten Zeit mit den Kindern verbringen können, in einer vernünftigen Umgebung. Dass wir den Kindern dort Momente der Ruhe geben, sie daran glauben lassen, dass es besser wird. Die Geschichten, die wir dort hören, die kann man eigentlich gar nicht erzählen. Die sind zu hart. Ein Junge beispielsweise saß immer sehr ruhig in den Workshops, er war sehr leise und wir haben gemerkt, okay, der braucht auf jeden Fall mehr Aufmerksamkeit. Es stellte sich heraus, dass sein Vater erschossen wurde, vor seinen Augen, und ich frage mich, wann es jemals "okay" sein wird für ein Kind, das so etwas erlebt hat.
Das können wir uns nicht vorstellen …
Nein, und ich komme sogar aus einem Land mit einem Bürgerkrieg. Ich weiß ungefähr, was das für Narben sind. Die gehen nicht mit der ersten Generation weg. In den zweiten und den dritten Generationen. Vielleicht.
In einem Krieg wird immer wieder neuer Hass geboren …
Wir müssen die Kinder bestärken, rational denken zu können, dass die eine Perspektive haben. Dass sie irgendwann ein Land haben, in das sie zurückkehren können. Ganz ehrlich: Ukrainer sind echt robust, sie können viel aushalten und sich auch anpassen. Aber sie sind immer noch Ukrainer, und sie wollen in ihrem eigenen Land sein. Verständlich. Wir haben in unseren Teams Kinder, die gefangen waren, im Keller, monatelang, weil sie bombardiert wurden. Und du merkst, dass diese Kinder jetzt andere Kinder unterstützen wollen. Das finde ich super stark. Es beweist, dass wir auf dem richtigen Weg sind.
Würdest du es immer wieder tun?
Helfen, meinst du? Hinschauen? Auf jeden Fall. Du hast gar keine Wahl. Also es geht nicht darum, zu entscheiden, ob du das machst oder nicht, weil dir das deine inneren Werte vorgeben, und die kannst du nicht einfach zur Seite legen. Und ich bin auch so erzogen worden. I love the fight (lacht). Es ist eine Challenge für mich. Ich weiß, wo ich mich gut einbringen kann und wo ich keine Hilfe bin. Ich glaube, das, was wir machen, hat einen unglaublichen Erfolg. Und Erfolg ist für mich das Ziel. Immer. Erfolg ist nicht mit Geld zu messen. Wenn du eine Idee hast und du sie umsetzt und es funktioniert langfristig, dann ist das ein Erfolg. Darauf kann ich bauen.
Seit 1996 engagiert sich RTL für notleidende Kinder in Deutschland und der ganzen Welt. Sämtliche Kosten für Personal, Produktion und Verwaltung, die rund um die "Stiftung RTL - Wir helfen Kindern e.V." und den dazugehörenden RTL-Spendenmarathon entstehen, trägt RTL Deutschland. So fließt jeder Cent der gesammelten Gelder ohne Abzug in ausgewählte Kinderhilfsprojekte. Dafür stehen die Stiftung RTL und der RTL-Spendenmarathon, die längste Charity-Sendung im deutschen TV. Jedes Jahr wird die Stiftung durch das Deutsche Zentralinstitut für Soziale Fragen (DZI) geprüft und trägt seit 2002 das begehrte DZI-Spendensiegel. In den vergangenen Jahren konnten mehr als 287 Millionen Euro gesammelt werden. Es konnten hunderte Kinderhilfsprojekte gefördert und Hunderttausenden notleidenden Kindern in Deutschland und aller Welt nachhaltig geholfen werden.
Mehr Infos unter: www.rtlwirhelfenkindern.de
Was schätzt du am meisten an der Arbeit, die du dort, wo deine Projekte sind, leistest?
Das ist die schöne Seite: Du verbindest dich mit Menschen, die du sonst nicht kennenlernen würdest. Daran musst du festhalten, daran glaube ich. Es ist das, was einen Menschen besser macht.
Du wolltest ja niemanden aussuchen, hast du anfangs gesagt … wurdest du denn noch gefunden?
(lacht) Ja, tatsächlich. Das Ende der Story fehlt noch, stimmt: Ich war auf dem Weg zurück aus der Ukraine und wir hatten mehrere Familien dabei. Plötzlich sagt Ivan zu mir: "Ich habe ein Problem. Die eine Familie, die eine Mutter und zwei Kinder aufnehmen wollte, hat Corona. Sie können niemanden nehmen. Was machen wir?" Ich hatte gesehen, wie sich die Frau und die Kinder von ihrem Mann, von ihrem Vater, verabschiedet haben, das bricht dir das Herz. Alleine die Kinderaugen. Da habe ich dann gesagt, die kommen zu mir. Sie haben bei uns gewohnt, für sechs Monate. Wir haben immer noch Kontakt."
Mit Rea Garvey sprach Sabine Oelmann
Quelle: ntv.de